Ein schönes Gedicht

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Herzchen
schrieb am 02.02.2013, 11:20 Uhr
Nen Tee mit viel Ingwer-Schärfe würd ich gern schlürfen.
Kannst du bei mir haben - ich hab´sowohl einen guten Tee - (bin ja eigentlich passionierte Teegenießerin und weniger die Kaffeetante) -,als auch frischen Ingwer.
Gute Besserung, liebe Grüße.
Lilith
schrieb am 02.02.2013, 11:25 Uhr
herzlichen Dank, ich werde mir Mühe geben bezüglich der "Besserung"
Haiduc
schrieb am 02.02.2013, 15:12 Uhr
Die Abschiedshand

Was ich erfuhr, das habt ihr nicht erfahren.
Ich barst, der Angstschweiß hing mir in den Haaren.
Da tat ich, was die Ahnung ernst verwehrt:
Ich habe mich, ihr Lieben, umgekehrt.
Ich sah auf euch zurück in großer Trauer,
Denn alle schient ihr mir wie meine Kinder,
Ihr licht noch Wachsenden, jedoch nicht minder
Ihr ändern. Schwielenharten, die ihr grauer
Als ich seid. -
Plötzlich kam das Händereichen:
Ihr unter Waage, Stier und allen Zeichen
Des Zodiaks Heimischen, lebt wohl, ihr alle
Am Himmelsrad und seinem Stieg und Falle!

Ihr überseht die Hand, nicht frech und nicht verschüchtert;
Nicht trunken war die Hand, nun ist sie nicht ernüchtert.
Sie sinkt, und unter Wünschen, vielen, vielen,
Kehrt einer immer wieder: Mögt ihr, Kinder, spielen!

(Oskar Loerke)
Herzchen
schrieb am 02.02.2013, 15:27 Uhr
Geschirmt

Nelly Sachs

Geschirmt sind die Liebenden
unter dem zugemauerten Himmel.
Ein geheimes Element schafft ihnen Atem
und sie tragen die Steine in die Segnung
und alles was wächst
hat nur noch eine Heimat bei ihnen.

Geschirmt sind die Liebenden
und nur für sie schlagen noch die Nachtigallen
und sind nicht ausgestorben in der Taubheit
und des Waldes leise Legenden, die Rehe,
leiden in Sanftmut für sie.

Geschirmt sind die Liebenden
sie finden den versteckten Schmerz der Abendsonne
auf einem Weidenzweig blutend -
und üben in den Nächten lächelnd das Sterben,
den leisen Tod
mit allen Quellen, die in Sehnsucht rinnen.
nixe
schrieb am 02.02.2013, 21:39 Uhr
Der Einsame


Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein - Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken:
Und nur wer Schrecken macht, kann andre führen.
Verhasst ist mirs schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
in holder Irrnis grüblerisch zu hocken,
von ferne her mich endlich heimzulocken,
mich selber zu mir selber - zu verführen.

(Friedrich Nietzsche, 1844-1900)
Marius
schrieb am 03.02.2013, 09:17 Uhr
Frieder Schuller

Siebenbürgische Dorfnamenfahrt

Auf Urwegen über verfallene Treppen
fahr wohl durch den Paßbusch und finde ein Schönau
nach Engenthal Rauthal und Langenthal Ziegenthal
hinterm vergessenen Kyrieleis vor lauter Heidendorf
nach Altdorf nimm dir Garndorf zum Gürteln in Neudorf
noch ruft der Hahnbach und es kommt ein Bärendorf
wo nachts im Stein ein Eulendorf bereit zum Tatsch auf Mausdorf
Streitfort sich Schaal anlegt und schon zerplatzt Kleinblasendorf
hier Brenndorf und zu weit ist Kaltwasser
so Bell ich und Kreisch und schüttel ganz Schellenberg
denn ich seh Schönbirk verdorren auf Bekokten Almen
trotz Rohrbach im Nußbach bei Rothbach unterm Weidenbach
bis endlich bei fernem Donnersmarkt Sächsisch Regen fällt
auf Waldhütten im Hundertbücheln bei verlöschender Kerz.

Wir versuchten Leblang voll Fettdorf in Seligstadt
bevor die Heimat unter den Hammersdorf kam
unter Füssen zog man uns Bodendorf weg
als viele mit dem Kopf in Wolkendorf lebten
die einen entschieden sich für Ungersdorf
die andern für Rumänisch Neudorf
doch weiterhin hat sein Deutschkreuz mit Unterrübendorf
wer über den Sachsenbach aus Sachsenhausen Zied.

Von Marienburg lockt dich Frauendorf
so kannst du Mönchsdorf abseits Lasseln
vielleicht noch etwas Neidhausen auf Reichesdorf
oder man lacht vom Hochfeld voll Hohndorf über Schnakendorf
und schlägt dann sein Buchholz fürs Kastenholz in Holzmengen
Breit Galt einmal der Ehrgang voller Geist doch heute
mit Reutal Besotten streifen wir Burghalle auf Burgberg
verloren Felldorf und kein Seiden im Reissen Zuckmantel
so daß der Windau an Stolzenburg über Fürstenberg bis Königsdorf
Schlatt Scholten kann mit Rätsch und Petsch.

Den Honigberg erreichten nur wenige mit ihren Kindeln
die meisten begnügten sich mit einem Kaltbrunnen in Felsendorf
und zwei Michelsdorf, Petersdorf, Jakobsdorf
kamen gegen ein Hermannstadt niemals an
vielleicht will auch darum Dürrbach trotz Mühlbach
keinen Großschenk mehr abgeben und Roseln für Rosenau
schlieblich muß keiner sich ins Wurmloch Schmiegen
bevor ihn Teufelsdorf holt und
Erinnerungen allein in Katzendorf Radeln
auch Taterloch überlebten wir
vielleicht etwas Weißkirch im Gesicht
doch nicht wie unsere Kleindörfel so oft Bluthrot.
Marius
schrieb am 03.02.2013, 11:19 Uhr
Siebenbürgische Elegie


Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit.

Früh faßt den staunenden Knaben Schauder der Ewigkeit.

Wohlvermauert in Grüften modert der Väter Gebein,

Zögernd nur schlagen die Uhren, zögernd bröckelt der Stein.

Siehst du das Wappen am Tore? Längst verwelkte die Hand.

Völker kamen und gingen, selbst ihr Namen entschwand.

Aber der fromme Bauer sät in den Totenschrein,

Schneidet aus ihm sein Korn, keltert aus ihm seinen Wein.

Anders schmeckt hier der Märzenwind, anders der Duft von Heu,

Anders klingt hier das Wort von Liebe und ewiger Treu.



Roter Mond, vieler Nächte einzig geliebter Freund,

Bleichte die Stirne dem Jüngling, die der Mittag gebräunt.

Reifte ihn wie der gewaltige Tod mit betäubendem Ruch,

Wie in grünlichem Dämmer Eichbaum mit weisem Spruch.

Ehern, wie die Gestirne, zogen die Jahre herauf,

Ach, schon ist es September. Langsam neigt sich ihr Lauf.



Adolf Meschendörfer, 1927
Kronstadt, * 8.5.1877, † 4.7.1963
bankban
schrieb am 03.02.2013, 13:08 Uhr (am 03.02.2013, 13:09 Uhr geändert).
EIN WORT DUNKLEN URSPRUNGS

es war einmal ein tag aus keinem märchenbuch,
ein tag fast so wie jeder andre, nicht so
für dich, zum tag der offnen tür
ein explosiver überfall, wo lebst du?
wie ist dir? geheime kommandosache,
es war zur zeit der bruderküsse,
widerwärtig dreigestrichen,
nicht ganz speichelfreie illusionen,
es war der tag, an dem die sonne
schien auf alle sünder, die nicht büße tun,
nur nicht anlegen, nur nicht aufbäumen,
aufräumen will die übermacht, wenn nicht
in güte, so doch in aller niedertracht,
angerückt in gestalt einer kompletten
theatralischen truppe, zivilisten,
die sich bedeckt halten, frei haus,
getarnt als überfall, der dir unverhofft
in die stube schneit, obwohl der bedarf
für schnee, für ungebetne gäste
wie für andre himmelsgaben hinlänglich
gedeckt, es war nicht der tag, verehrter
Gottfried Keller, auf grünen pfaden
der erinnerung zu wandeln, es war
erst recht nicht der tag, mit verstellter
stimme zu reden, da war nichts mehr
geradezubiegen, krummsäbel bleibt
krummsäbel, auch blankgezogen,
ohne umschweife zur sache, schrank auf,
schrank zu, welche aufmerksamkeit,
soviel zuwendung in geselliger runde,
lauter anständige leute, alles, was
denen recht ist, teufel noch eins,
nichts zum fenster hinausgeworfen,
nichts zerbrochen noch zertrampelt
wie sonst üblich, es war wirklich
ein tag, an dem du von glück reden
konntest, deutschpenibel aufgelistet,
was an konterbande flugs verstaut war,
welche schande deinem vaterlande,
die quadratur der wohneinheit
mit argusaugen umkreist, fleißig
bücher aufgeschüttelt, eine konzertierte
aktion, ausgeführt von niederen organen
der schutzmacht mit dem wischiwaschiwisch,
wo ist die schmutzfracht, bürger
und staatsfeind? wohin bloß hat sich
das beil versteckt, mit dem du vater
staat ein bein hast abhacken wollen,
während die axt sich lächerlich machte,
sie hätte nur auf brennholz eingehauen,
bis die klötze krachend auseinander-
sprangen, der zweck heiligt den hackstock
und jede faustdicke lüge, nach der haus- &
heimsuchung hat es dir wie auch mir
glatt die sprache verschlagen, wo lebst du?
wie ist dir? bullenbeißer samt bütteln
abgezogen, was sie requirierten, blieb
nicht zurück, aber du, aber ich und
der ekel, nichts als ein wort, das sich
im hals noch befindet, ein wort
dunklen ursprungs.




Wulf Kirsten
seberg
schrieb am 03.02.2013, 13:54 Uhr
Interessant: Wulf Kirsten, der der sog. Sächsischen Dichterschule zugerechnet wird, hat das Dichten u.a. auch bei dem aus Siebenbürgen stammenden DDR-Dichter Georg Maurer gelernt.
bankban
schrieb am 03.02.2013, 14:03 Uhr
Und er hat es gut gelernt. Ich mag irgendwie seine Gedichte. Obwohl die etwas Zähes und Schweres an sich haben.
nixe
schrieb am 03.02.2013, 19:19 Uhr
Der Mensch

Empfangen und genähret
Vom Weibe wunderbar
Kömmt er und sieht und höret
Und nimmt des Trugs nicht wahr,
Gelüstet und begehret
Und bringt sein Tränlein dar,
Verachtet und verehret,
Hat Freude und Gefahr,
Glaubt, zweifelt, wähnt und lehret,
Hält nichts und alles wahr,
Erbauet und zerstöret
Und quält sich immerdar,
Schläft, wachet, wächst und zehret
Trägt braun und graues Haar.
Und alles dieses währet,
Wenn's hoch kommt, achtzig Jahr.
Denn legt er sich zu seinen Vätern nieder,
Und er kömmt nimmer wieder.

Matthias Claudius
Herzchen
schrieb am 05.02.2013, 23:15 Uhr
Der Hund


Magst du mich wenigstens, fragt der Streunende,
die Straße spuckt ihm ins Gesicht, winselnd japst
die Kreatur davon, verfolgt von ein paar verrückt
gewordenen Krähen, ihr Hohngelächter

auf das lausige Fell prasselt wie spitze Steine.
Der Gesteinigte duckt sich, bricht zusammen,
getroffen von Lieblosigkeit und Schmach.

Schafft das Vieh weg, das stinkt schon, sagt der Bauer.
Schau, was für schöne Augen er hat, sagt das Kind.

Der Hund schließt seine Augen,
große schöne, bernsteinwarme Augen, und stirbt.

Glücklich.


Kristina Braun
nixe
schrieb am 05.02.2013, 23:37 Uhr
Wortgestöber

Nur weil man über jene richtet,
die nicht der gleichen Meinung sind,
man sie auf falscher Seite sichtet,
heißt nicht, das man den Kampf gewinnt.

Oft genug ist Gegenüber,
Im Recht und auf der richtgen Seite,
verletzend dann das Wortgestöber,
welches zu ihm rübereilte.

Da hilft nur noch verbale Reue,
Zu sagen, das man Unrecht tat,
Aufrichtig dann beginnt aufs neue,
Etwas, dass man zu selten wagt.

(Lorenz-Peter Andresen)
Herzchen
schrieb am 05.02.2013, 23:48 Uhr
Bitte

Schuld, sprich mit mir, dass ich verstehe.
Sag mir, was war und warum.
Dann bitte lass mich los.

Schuld, hol mich ab, da, wo ich stehe.
Geh mit mir dahin, wo ich dich spüre.
Dann bitte lass mich los.

Schuld, verzeih mir, dass ich dich nicht sehe.
Bleib bei mir, bis ich dich erkenne.
Dann bitte lass mich los.

Eva Strittmatter

nixe
schrieb am 08.02.2013, 09:47 Uhr
Abschied

Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen,
Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt;
Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen,
Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt.

Geht immerhin - denn eure Tat ist euer -
Und widerruft, was einst das Herz gebot;
Und kauft, wenn dieser Preis euch nicht zu teuer,
Dafür euch in der Heimat euer Brot!

Ich aber kann des Landes nicht, des eignen,
In Schmerz verstummte Klagen missverstehn;
Ich kann die stillen Gräber nicht verleugnen,
Wie tief sie jetzt in Unkraut auch vergehn. -

Du, deren zarte Augen mich befragen -
Der dich mir gab, gesegnet sei der Tag!
Lass nur dein Herz an meinem Herzen schlagen,
Und zage nicht! Es ist derselbe Schlag.

Es strömt die Luft - die Knaben stehn und lauschen,
Vom Strand herüber dringt ein Möwenschrei;
Das ist die Flut! Das ist des Meeres Rauschen!
Ihr kennt es wohl; wir waren oft dabei.

Von meinem Arm in dieser letzten Stunde
Blickt einmal noch ins weite Land hinaus,
Und merkt es wohl, es steht auf diesem Grunde,
Wo wir auch weilen, unser Vaterhaus.

Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde
Ein andrer Tag, ein besserer, gesühnt;
Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde
Für Fremde nur und was den Fremden dient.

Doch ist's das flehendste von den Gebeten,
Ihr mögt dereinst, wenn mir es nicht vergönnt,
Mit festem Fuß auf diese Scholle treten,
Von der sich jetzt mein heißes Auge trennt! -

Und du, mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege
Auch noch auf diesem teuren Boden stand,
Hör mich! - denn alles andere ist Lüge -
Kein Mann gedeihet ohne Vaterland!

Kannst du den Sinn, den diese Worte führen,
Mit deiner Kinderseele nicht verstehn,
So soll es wie ein Schauer dich berühren
Und wie ein Pulsschlag in dein Leben gehn!

(Theodor Storm)

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