Ein schönes Gedicht

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Haiduc
schrieb am 02.03.2013, 13:03 Uhr
so sieht er aus
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Blaues Ordensband
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Kichermaus
schrieb am 02.03.2013, 14:23 Uhr (am 02.03.2013, 14:27 Uhr geändert).
Vergänglichkeit der Schönheit

Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit umb deine Brüste streichen.
Der liebliche Corall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand.

Der Augen süsser Blitz, die Kräffte deiner Hand,
Für welchen solches fällt, die werden zeitlich weichen.
Das Haar, das itzund kan des Goldes Glantz erreichen
Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeines Band.

Der wohlgesetzte Fuss, die lieblichen Gebärden,
Die werden theils zu Staub, theils nichts und nichtig werden,
Denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht.

Diss und noch mehr als diss muss endlich untergehen,
Dein Hertze kan allein zu aller Zeit bestehen
Dieweil es die Natur aus Diamant gemacht.

(um 1695)
Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Sonnet


P.s. Man beachte auch die frühe neuhochdeutsche Schreibung.
Kichermaus
schrieb am 06.03.2013, 19:15 Uhr (am 06.03.2013, 19:20 Uhr geändert).
Abendmuse

Ans Blumenfenster wieder kehrt des Kirchturms Schatten
Und Goldnes. Die heiße Stirn verglüht in Ruh und Schweigen.
Ein Brunnen fällt im Dunkel von Kastanienzweigen –
Da fühlst du: es ist gut! in schmerzlichem Ermatten.

Der Markt ist leer von Sommerfrüchten und Gewinden.
Einträchtig stimmt der Tore schwärzliches Gepränge.
In einem Garten tönen sanften Spieles Klänge,
Wo Freunde nach dem Mahle sich zusammenfinden.

Des weißen Magiers Märchen lauscht die Seele gerne.
Rund saust das Korn, das Mäher nachmittags geschnitten.
Geduldig schweigt das harte Leben in den Hütten;
Der Kühe linden Schlaf bescheint die Stallaterne.

Von Lüften trunken sinken balde ein die Lider
Und öffnen leise sich zu fremden Sternenzeichen.
Endymion taucht aus dem Dunkel alter Eichen
Und beugt sich über trauervolle Wasser nieder.

Georg Trakl


Georg Trakl

Seele des Lebens

Verfall, der weich das Laub umdüstert,
Es wohnt im Wald sein weites Schweigen.
Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen.
Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.

Der Einsame wird bald entgleiten,
Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden.
Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden,
Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.

Der blaue Fluß rinnt schön hinunter,
Gewölke sich am Abend zeigen;
Die Seele auch in engelhaftem Schweigen.
Vergängliche Gebilde gehen unter.
bankban
schrieb am 07.03.2013, 16:28 Uhr
Aldi Bumm Baldi

Es gibt hier nichts
was an dich erinnert
Der Knoten
in der blauen Krawatte des Kellners
hat nichts zu bedeuten
Es gibt hier auch niemanden sonst
der sich an irgendetwas erinnert
aber das steht auf einem anderen Blatt
Schon letzten Sommer
saß ich hier
und nichts erinnerte an Dich
(nur ein von der Sonne
verzinktes Eukalyptusblatt)
Man hätte meinen können
Fluchthelfer hätten die Erinnerungen
in die vielen leeren Zigarettenschachteln verfrachtet
die ein prinzipienloser Wind
auf dem Asphalt hin und her schob
wie Schachfiguren
Jeden Sommer werde ich von nun an
hier sitzen
ohne dass es irgendetwas gibt
was an dich erinnert
höchstens vielleicht
die paar Skateboarder
am Ende der Straße
die abends, wenn ihre Boards
über die Betonrampen des Einkaufscenters krachen
immer summen: Aber
Aldi Bumm Baldi
Bumm Bumm
aber
Aldi Bumm Baldi
Bumm Bumm

Gerhard Falkner


Aldi bumm baldi
Haiduc
schrieb am 07.03.2013, 22:21 Uhr
Alte Heimat

In einem dunklen Tal
Lag jüngst ich träumend nieder,
Da sah ich einen Strahl
Von meiner Heimat wieder.

Auf morgenroter Au
War Vaters Haus gelegen;
Wie war der Himmel blau!
Die Flur wie reich an Segen!

Wie war mein Heimatland
Voll Gold und Rosenhelle!
Doch bald der Traum verschwand,
Schmerz trat an seine Stelle.

Da irrt' ich weit hinaus
Ins öde Land voll Sehnen;
Noch irr' ich, such' das Haus
Und find' es nicht vor Tränen.

Justinus Kerner
Haiduc
schrieb am 07.03.2013, 22:29 Uhr
Die Ruine

Was da versammelt für Herrlichkeit?
Was hat da verblutet für Herzeleid?
Da ward aller Lust, allem Leide gerecht
Im Kommen und Gehen manch stolz' Geschlecht
Vor alter Zeit!

Die Mauern, die öden, sie ragen weit,
Kein Hall mehr in ihnen von Lust noch Streit;
Die Chronik erzählet wohl manche Mär',
Die Steine verschweigen Nutz und Lehr'
Aus alter Zeit.

Und wenn dann dich, Wandrer, hinabgeleit't
Die Wehmut ob menschlicher Nichtigkeit,
Bedenke, wie wenig an Frist vergeht,
So wird auch veröden die unsre Statt'
Gleich alter Zeit!

Der Ort, wo du liefest im Kinderpfaid,
Der Hain, wo du küßtest die erste Maid,
Der Saal, der einst Zechern das Echo gab,
Veröden, sowie auch dein Mal am Grab,
Alt deine Zeit!

Dann wallen wohl andre von Wegen weit
Den Stätten zu unsrer Vergangenheit
Und seufzen, wie einst wir, aus banger Brust:
Wie sind wir der Sonne so kurz bewußt,
Wie keine Zeit!

Ludwig Anzengruber
Struwwelpeter
schrieb am 09.03.2013, 21:12 Uhr
Erste Lerche

Zwischen
Gräben und grauen Hecken,
den Rockkragen hoch,
beide Hände in den Taschen,
schlendere ich
durch den frühen
Märzmorgen.

Falbes Gras,
blinkende Lachen und schwarzes Brachland,
so weit ich sehen kann.

Dazwischen,
mitten in den weißen Horizont hinein,
wie erstarrt,
eine Weidenreihe.

Ich bleibe stehen.

Nirgends ein Laut. Noch nirgends Leben.
Nur die Luft und die Landschaft.

Und sonnenlos
wie den Himmel
fühle ich
mein Herz.

Plötzlich - ein Klang!

Ein zager, zarter zitternder Jubel,
der,
langsam,
immer höher
steigt!

Ich suche in den Wolken.

Über mir,
wirbelnd, schwindend, flatterdrehig, flügelselig, kaum entdeckbar,
pünktchenschwarz,
schmetternd,
durch
immer heller strömendes Licht,
die
erste Lerche!

Arno Holz (1863-1929)


Marius
schrieb am 10.03.2013, 17:28 Uhr
Adelbert von Chamisso (1781-1838)

Das Riesen-Spielzeug


Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesen-Fräulein aus jener Burg hervor,
Erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor,
Und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein,
Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.

Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.

Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.

"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm ich mit nach Haus."
Sie knieet nieder, spreitet behänd ihr Tüchlein aus,
Und feget mit den Händen, was da sich alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammen schlägt;

Und eilt mit freud'gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,
Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
"Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höhn"

Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
"Was Zappeliches bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; lass sehen, was es sei."

Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.

Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
"Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht;
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin,
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot;
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!"

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand,
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Marius
schrieb am 14.03.2013, 13:59 Uhr (am 14.03.2013, 14:15 Uhr geändert).
Ich hör die Lerche wieder singen

Ich hör die Lerche wieder singen!
Ach, fast vergaß ich schon ihr Lied.
Sing, lieber kleiner Frühlingsbote,
sing und erheitre mein Gemüt!

Dein Lied besänftigt meine Seele,
die noch vom Schlachtlärm aufgewühlt,
als ob ein Bergbach mir die Wunden
mit seinem frischen Wasser kühlt.

Sing, lieber kleiner Frühlingsbote,
dein Lied erinnert mich daran,
daß der Soldat zugleich ein Dichter,
der lieben, nicht nur töten kann.

Der Freuden, welche mir die Götter
der Liebe und der Poesie
beschert und noch bescheren werden,
denk ich dank deiner Melodie.

Erinnerung und Hoffnung schlagen
wie Rosenstöcke aus im Mai
und schmücken die beglückte Seele
mit Laub und Blütenpracht aufs neu.

Und zärtlich fliegen meine Träume,
mein Engel, wiederum zu dir,
dein denk ich, der ich treu geblieben,
so wie du treu geblieben mir.

Du meiner Seele reinste Freude,
die du geschenkt von Gott mir bist,
um mir zu zeigen, daß der Himmel
schon hier bei uns auf Erden ist.

Sing, Lerche, Bote meiner Liebe,
den Frühling weckst du durch dein Lied,
grau schien mir alles, öd und trübe,
zum Leben bin ich neu erblüht.

Sándor Petöfi
bankban
schrieb am 14.03.2013, 21:19 Uhr
DER TOD IST DIE KURVE AN EINER STRASSE

Der Tod ist die Kurve an einer Straße.
Das Sterben entrückt nur dem sehenden Sinn.
Lausch ich, hör ich deine Schritte
Dasein wie ich selber bin.

Die Erde ist aus Himmel geschaffen.
Die Lüge hat kein Geheg.
Niemand ging jemals verloren.
Alles ist Wahrheit und Weg.


F. Pessoa
lavendel
schrieb am 14.03.2013, 21:43 Uhr
"Lausch ich, hör ich deine Schritte
Dasein wie ich selber bin."

?????

Kann es sein, dass es eher heißt, heißen sollte, könnte, vielleicht sogar wollte:

Lausch ich, hör ich deiner Schritte
Dasein, wie ich selber bin.

???

Oder aber, auch eine Möglichkeit:

Lausch ich, hör ich deine Schritte
da sein, wie ich selber bin.

Falsch ist das "Original" in jedem Fall.
bankban
schrieb am 14.03.2013, 22:12 Uhr (am 14.03.2013, 22:12 Uhr geändert).
Der getreue Don Juan

Keinen Grund gefunden habend,
kein Warum? Und kein Voran! –
Aber so und so heut abend
kommen wir und sehn uns an.

In den letzten Kunstlachsröten
dreimal ums Karree gelatscht;
keinen Lebensbund zu löten,
nichts! das Lied ist ausgebratscht.

Gib die Königinpastetchen,
nimm mein schräges Flageolett. . .
Ewigkeitsmusik, mein Mädchen,
macht den Glauben auch nicht fett.

Brandy-Cola nachgetrichtert,
schön, bis Faß und Korken tanzt!
Aufgeklärt und ausgenüchtert
kuckt die Welt aus Blei gestanzt.

Komm, die Füße auf den Ecktisch,
häng dich aus ins Einerlei,
unfreiwillig dialektisch
schwabbelnd zwischen Form und Brei.

Einfach nur mal so heut abend,
kein Woher? Und kein Voran! –
Ausflucht suchend sich vergrabend:
Dein – getreuer – Don Juan.

Peter Rühmkorf
lavendel
schrieb am 14.03.2013, 22:23 Uhr (am 14.03.2013, 22:24 Uhr geändert).
Auch Peter Rühmko(r)(p)f darf sich nicht 100%ig rühmen als Don Juan, als voller und getreuer.

Vergaß er doch vor lauter Cola-Brandy den Plural vom Singular zu unterscheiden, der arme Tropf(en)

Muss es doch heißen:

"Brandy-Cola nachgetrichtert,
schön, bis Faß und Korken tanzen!"

(Nicht: "...tanzt."

Ja, ich weiß, dieses lavendel ist außerordentlich störend, aber nicht betörend.
Ich weiß - eben drum ...

bankban
schrieb am 15.03.2013, 14:21 Uhr
Kurzes Gastspiel einer Germanistin.
getkiss
schrieb am 15.03.2013, 16:48 Uhr
Schade eigentlich. Im Spezialgebiet hervorragend gebildet.
Aber,
Wer einmal den Staub der Bühnenbretter gerochen....

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