Ein schönes Gedicht

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Magyar Emberek
schrieb am 15.03.2013, 17:16 Uhr
Zitat:

"Brandy-Cola nachgetrichtert,
schön, bis Faß und Korken tanz/tanzen!"


Die Kritik an der vom Verfasser dieser Reime gewählten Version des Zeitworts "tanzen" geht ins Leere!

Es steht dem Reimverfasser meiner Ansicht nach absolut frei zwischen "tanzt" und "tanzen" zu wählen.

... "tanzt" bedeutet wohl aus der Sicht des Reimverfassers, dass jeweils Fass und Korken EINZELN tanzt! So kommt das klar zu mir hinüber.

... "tanzen" bedeutete hingegen, dass beiden etwas gemein wäre bei dieser Beschäftigung. Sie gemeinsam, um die Wette, etc., tanzten.

Aus solchen kleinen Unterschieden lässt sich meiner Meinung nach sehr wohl der Grad der Beherrschung der deutschen (Schrift) Sprache erkennen ...

Wobei ich keineswegs behaupten möchte, dass das "streng normiert" wäre.

Außerdem steht jedem Verfasser eines Reims ein gewisses Maß an "dichterischer Freiheit" zu, das in diesem Falle - selbst wenn man anderer Ansicht als ich wäre - keinesfalls überschritten geworden zu sein scheint.

Das gesamte Gedichterl als solches gefällt mir überhaupt nicht ...
Marius
schrieb am 15.03.2013, 20:23 Uhr
Das Wassertröpflein

Tröpflein muß zur Erde fallen,
muß das zarte Blümchen netzen,
muß mit Quellen weiter wallen,
muß das Fischlein auch ergötzen,
muß im Bach die Mühle schlagen,
muß im Strom die Schiffe tragen.
Und wo wären denn die Meere,
wenn nicht erst das Tröpflein wäre.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 - 1832
Frechmund
schrieb am 15.03.2013, 22:35 Uhr
Magyar Emberek:
Die Kritik an der vom Verfasser dieser Reime gewählten Version des Zeitworts "tanzen" geht ins Leere!

Davon abgesehen, dass das Berichtigen eines grammatikalischen Fehlers nun kein Drama ist, schon gar nicht der Versuch, einem Dichter oder einem, der sich dafür hält, in sein Handwerk zu pfuschen, sei jedoch darauf hingewiesen, Herr Embelek, dass meine Kritik eben nicht ins Leere geht, sondern zutrifft, wobei, - schade, schade - weil so unlogisch und die Sprache in meiner Wahrnehmung verletzend -, es leider tatsächlich im Ermessen des Sprechenden/Schreibenden liegt, ob er Sing. oder Plural verwendet im Fall.
Aber:
Sprachlich korrekt ist die Pluralbildung!
Denn:
Mehrteilige unverbundene oder mit und verbundene Subjekte erfordern in der Regel ein Prädikat im Plural:
Peter und Paul rauben eine Bank aus.

"Brandy-Cola nachgetrichtert,
schön, bis Faß und Korken tanz/tanzen!"


Fass (auch fehlerhaft: schon lange nicht mehr ß am Ende eines Wortes mit kurzem Vokal, sondern ss) und
Korken
sind die beiden mit "und" verbundenen Subjekte und deshalb ist nur logisch und richtig, da es eben zwei sind und nicht einer ist, den Plural ergo die Mehr-Zahl zu bilden.




Frechmund
schrieb am 15.03.2013, 23:31 Uhr (am 15.03.2013, 23:33 Uhr geändert).
Dies noch zu später Stunde:

@Haiduc, @Struwwelpeter und @Marius
Auch ihr mit euren schönen Beiträgen hier im Gedichte-Thread und im Musik-Thread wart es mir wert, immer wieder zurückzukehren an den illustren Ort von Wonne und Pein... :;

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Traumwandler

Wo bist du, die mir zur Seite ging,
Wo bist du, Himmelsangesicht?
Ein rauher Wind höhnt mir ins Ohr: du Narr!
Ein Traum! Ein Traum! Du Tor!
Und doch, und doch! Wie war es einst,
Bevor ich in Nacht und Verlassenheit schritt?
Weißt du es noch, du Narr, du Tor!
Meiner Seele Echo, der rauhe Wind:
O Narr! O Tor!
Stand sie mit bittenden Händen nicht,
Ein trauriges Lächeln um den Mund,
Und rief in Nacht und Verlassenheit!
Was rief sie nur! Weißt du es nicht?
Wie Liebe klang's. Kein Echo trug
Zu ihr zurück, zu ihr dies Wort.
War's Liebe? Weh, dass ich's vergaß!
Nur Nacht um mich und Verlassenheit,
Und meiner Seele Echo – der Wind!
Der höhnt und höhnt: O Narr! O Tor!

Georg Trakl
bankban
schrieb am 16.03.2013, 13:31 Uhr
M'illumino d'immenso


Ich erleuchte mich durch Unermeßliches


G.U.
Struwwelpeter
schrieb am 16.03.2013, 13:47 Uhr
Auch ihr mit euren schönen Beiträgen hier im Gedichte-Thread und im Musik-Thread wart es mir wert, immer wieder zurückzukehren an den illustren Ort von Wonne und Pein... :;

Ich wasche meine Hände in Unschuld ...
Frechmund
schrieb am 16.03.2013, 14:08 Uhr
Ja, Struwwelpeter, das kannst du auch in dieser Hinsicht, denn du verhältst dich zu allen hier gleich, ob sympathisch oder möglicherweise antipathisch - frei von persönlichen Ressentiments
Haiduc
schrieb am 16.03.2013, 20:00 Uhr
A Dream Within A Dream

Take this kiss upon the brow!
And, in parting from you now,
Thus much let me avow-
You are not wrong, who deem
That my days have been a dream;
Yet if hope has flown away
In a night, or in a day,
In a vision, or in none,
Is it therefore the less gone?
All that we see or seem
Is but a dream within a dream.

I stand amid the roar
Of a surf-tormented shore,
And I hold within my hand
Grains of the golden sand-
How few! yet how they creep
Through my fingers to the deep,
While I weep- while I weep!
O God! can I not grasp
Them with a tighter clasp?
O God! can I not save
One from the pitiless wave?
Is all that we see or seem
But a dream within a dream?

(Edgar Allan Poe)
Frechmund
schrieb am 16.03.2013, 20:12 Uhr (am 16.03.2013, 20:13 Uhr geändert).
Das Wort vom Zur-Tiefe-Gehn,
das wir gelesen haben.
Die Jahre, die Worte seither.
Wir sind es noch immer.

Weißt du, der Raum ist unendlich,
weißt du, du brauchst nicht zu fliegen,
weißt du, was sich in dein Aug schrieb,
vertieft uns die Tiefe.

Paul Celan, 1959
Haiduc
schrieb am 16.03.2013, 23:48 Uhr
Eine Kantate

Ich will den Kreuzstab gerne tragen

1.
Ich will den Kreuzstab gerne tragen,
Er kömmt von Gottes lieber Hand,
Der führet mich nach meinen Plagen
Zu Gott, in das gelobte Land.
Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab,
Da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab.

2.
Mein Wandel auf der Welt
Ist einer Schiffahrt gleich:
Betrübnis, Kreuz und Not
Sind Wellen, welche mich bedecken
Und auf den Tod
Mich täglich schrecken;
Mein Anker aber, der mich hält,
Ist die Barmherzigkeit,
Womit mein Gott mich oft erfreut.
Der rufet so zu mir:
Ich bin bei dir,
Ich will dich nicht verlassen noch versäumen!
Und wenn das wütenvolle Schäumen
Sein Ende hat,
So tret ich aus dem Schiff in meine Stadt,
Die ist das Himmelreich,
Wohin ich mit den Frommen
Aus vielem Trübsal werde kommen.

3.
Endlich, endlich wird mein Joch
Wieder von mir weichen müssen.
Da krieg ich in dem Herren Kraft,
Da hab ich Adlers Eigenschaft,
Da fahr ich auf von dieser Erden
Und laufe sonder matt zu werden.
O gescheh es heute noch!

4.
Ich stehe fertig und bereit,
Das Erbe meiner Seligkeit
Mit Sehnen und Verlangen
Von Jesus Händen zu empfangen.
Wie wohl wird mir geschehn,
Wenn ich den Port der Ruhe werde sehn.
Da leg ich den Kummer auf einmal ins Grab,
Da wischt mir die Tränen mein Heiland selbst ab.

5.
Komm, o Tod, du Schlafes Bruder,
Komm und führe mich nur fort;
Löse meines Schiffleins Ruder,
Bringe mich an sichern Port!
Es mag, wer da will, dich scheuen,
Du kannst mich vielmehr erfreuen;
Denn durch dich komm ich herein
Zu dem schönsten Jesulein.
Link

J. S. Bach
BWV: 56
Anlass: 19. Sonntag nach Trinitatis
Entstehungsjahr: 1726 Leipzig
1-4: unbekannter Dichter; 5: Johann Franck 1653

Frechmund
schrieb am 17.03.2013, 00:11 Uhr (am 17.03.2013, 00:12 Uhr geändert).
Danke, Haiduc.
Diese Worte sind gute Worte.
Ein lieber, - ein versöhnlicher Abschluss eines weniger schönen Forum-Tages für mich.
Aber ich habe wieder gelernt, aus der heutigen Erfahrung gelernt.
Ignorieren.
Lassen.
Lächeln.
Gute Gedanken haben.
Gute Nacht.
nixe
schrieb am 17.03.2013, 07:14 Uhr
Im Hirn spukt mir ein Märchen wunderfein,
Und in dem Märchen klingt ein feines Lied,
Und in dem Liede lebt und webt und blüht
Ein wunderschönes, zartes Mägdelein.

Und in dem Mägdlein wohnt ein Herzchen klein,
Doch in dem Herzchen keine Liebe glüht;
In dieses lieblos frostige Gemüt
Kam Hochmut nur und Übermut hinein.


Hörst du, wie mir im Kopf das Märchen klinget?
Und wie das Liedchen summet ernst und schaurig?
Und wie das Mägdlein kichert, leise, leise?

Ich fürchte nur, daß mir der Kopf zerspringet -
Und, ach! da wärs doch gar entsetzlich traurig,
Käm der Verstand mir aus dem alten Gleise.

(Fresko - Sonette Nr. 4 H. Heine)
getkiss
schrieb am 17.03.2013, 07:49 Uhr
für Heine
und @nixe....
bankban
schrieb am 17.03.2013, 09:17 Uhr
Die Frau von ungefähr

Ungefähr, um fünf vor sechs,
verließ die Frau von nebenan den Mann,
der neben ihr noch schlief.
Sie nahm die Schlüssel von der Wand,
rang kurz nach Luft und verschwand dann.
Auf Nimmerwiedersehen wollte sie geh'n.

Die Tür schlug zu als sie erschrak
und an den Brief in ihrer Tasche dachte,
der den Mann betraf.
Den sie vor langer Zeit geschrieben hatte,
Wort für Wort verziert.
Von Nimmerwiedersehen stand da nichts drin.

Sie sprach von tosendem Meer,
das den Himmel verglüht,
von dem Tag, den die Nacht nicht zerbricht,
von verzehrenden Blicken, die keiner vergisst.
Good bye my love. Bis bald. Auf Wiedersehen!

Jetzt steht sie hier -- im Hier und Jetzt.
Sie glaubt, es liegt was in der Luft,
doch nur die Zeit hat sie versetzt.
Die Tage kriechen vor ihr her.
Das Bett ist ohne sie zu leer.
Auf Nimmerwiedersehen kann sie nicht gehen.

Ungefähr, um fünf nach sechs,
legt sich die Frau von nebenan zum Mann,
der neben ihr noch schläft.
Sie zieht ihr Kleid ganz langsam aus und deckt sich zu.
Ein Wiedersehen, wie soll das geh'n?

Sie träumt von tosendem Meer ...


17 Hippies
Frechmund
schrieb am 17.03.2013, 10:43 Uhr
Die Rosenschale

Zornige sahst du flackern, sahst zwei Knaben
zu einem Etwas sich zusammenballen,
das Hass war und sich auf der Erde wälzte
wie ein von Bienen überfallnes Tier;
Schauspieler, aufgetürmte Übertreiber,
rasende Pferde, die zusammenbrachen,
den Blick wegwerfend, bläkend das Gebiss,
als schälte sich der Schädel aus dem Maule.

Nun aber weißt du, wie sich das vergisst:
denn vor dir steht die volle Rosenschale,
die unvergesslich ist und angefüllt
mit jenem Äußersten von Sein und Neigen,
Hinhalten, Niemals-Gebenkönnen, Dastehn,
das unser sein mag: Äußerstes auch uns.

Lautloses Leben, Aufgehn ohne Ende,
Raum-brauchen ohne Raum von jenem Raum
zu nehmen, den die Dinge rings verringern,
fast nicht Umrissen-sein wie Ausgespartes
und lauter Inneres, viel seltsam Zartes
und Sich-bescheinendes - bis an den Rand:
ist irgend etwas uns bekannt wie dies?

Und dann wie dies: dass ein Gefühl entsteht,
weil Blütenblätter Blütenblätter rühren?
Und dies: dass eins sich aufschlägt wie ein Lid,
und drunter liegen lauter Augenlider,
geschlossene, als ob sie, zehnfach schlafend,
zu dämpfen hätten eines Innern Sehkraft.
Und dies vor allem: dass durch diese Blätter
das Licht hindurch muss. Aus den tausend Himmeln
filtern sie langsam jenen Tropfen Dunkel,
in dessen Feuerschein das wirre Bündel
der Staubgefäße sich erregt und aufbäumt.

Und die Bewegung in den Rosen, sieh:
Gebärden von so kleinem Ausschlagswinkel,
dass sie unsichtbar blieben, liefen ihre
Strahlen nicht auseinander in das Weltall.

Sieh jene weiße, die sich selig aufschlug
und dasteht in den großen offnen Blättern
wie eine Venus aufrecht in der Muschel;
und die errötende, die wie verwirrt
nach einer kühlen sich hinüberwendet,
und wie die kühle fühllos sich zurückzieht,
und wie die kalte steht, in sich gehüllt,
unter den offenen, die alles abtun.
Und was sie abtun, wie das leicht und schwer,
wie es ein Mantel, eine Last, ein Flügel
und eine Maske sein kann, je nachdem,
und wie sie's abtun: wie vor dem Geliebten.

Was können sie nicht sein: war jene gelbe,
die hohl und offen daliegt, nicht die Schale
von einer Frucht, darin dasselbe Gelb,
gesammelter, orangeröter Saft war?
Und wars für diese schon zu viel, das Aufgehn,
weil an der Luft ihr namenloses Rosa
den bittern Nachgeschmack des Lila annahm?
Und die batistene, ist sie kein Kleid,
in dem noch zart und atemwarm das Hemd steckt,
mit dem zugleich es abgeworfen wurde
im Morgenschatten an dem alten Waldbad?
Und diese hier, opalnes Porzellan,
zerbrechlich, eine flache Chinatasse
und angefüllt mit kleinen hellen Faltern, -
und jene da, die nichts enthält als sich.

Und sind nicht alle so, nur sich enthaltend,
wenn Sich-enthalten heißt: die Welt da draußen
und Wind und Regen und Geduld des Frühlings
und Schuld und Unruh und vermummtes Schicksal
und Dunkelheit der abendlichen Erde
bis auf der Wolken Wandel, Flucht und Anflug,
bis auf den vagen Einfluss ferner Sterne
in eine Hand voll Innres zu verwandeln.
und wie sie's abtun: wie vor dem Geliebten.

Nun liegt es sorglos in den offnen Rosen.



Rainer Maria Rilke

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