Verrückte Welt

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Kurt Binder
schrieb am 17.09.2020, 22:44 Uhr
Vom Frühling verrückt
Abenteuer Bäckerei

Für ein gutes Brot bin ich käuflich, und das „täglich Brot" ist für mich sogar mehrmals täglich! Bedenken von Seiten mancher Gesundheitsfanatiker, bezüglich der Kohlehydrate als Dickmacher, oder anderen das leibliche Wohlbefinden schmälern wollenden Schreckgespenstern schlage ich grundsätzlich in den Wind – und gehe einmal in der Woche in die Bäckerei.
Heidi Frohsinn ist die netteste, aufgeschlossenste, lustigste, herzigste, jüngste, gutausehenste, gesprächigste, schlagfertigste (hier höre ich auf, sonst wird diese Story zu lang) Brotverkäuferin, der ich je in einem Brotladen begegnet bin. Trotz meines Alters muss ich ihr doch zumindest in einigen Punkten ebenso vorkommen, denn wenn ich nur im Türrahmen erscheine, ruft sie schon über alle Köpfe aller Kunden hinweg:
"Hallo, junger Mann!" Zuhause überzeuge ich mich dann jedesmal, dass sie tatsächlich mich gemeint hat! Wir flachsen meist miteinander, woran sie sichtlich Gefallen findet, und sie versteht jeden Spaß. Des Altersunterschiedes bewusst werde ich aber nie anzüglich, um mich nicht lächerlich zu machen - und so sehe ich sie wie eine Enkelin.
So auch heute. Keine Kunden, bloß eine ältere Dame steht im Laden. Frau Frohsinn umarmt sie gerade und sagt:
"Tschüss Mama, bis morgen dann!". Die ältere Dame streift mich mit einem flüchtigen Blick und verläßt den Laden.
Von der jungen Frühlingsluft beseelt, entfahren mir die frivolen Worte:
“Mich umarmen Sie nie, Frau Frohsinn!“ Sie dreht sich um und kommt auf mich zu.
“Wollen Sie das?“, fragt sie mich mit einem sehr bezeichnenden Blick. Ich erstarre. Noch vor meiner Antwort fasst Heidi mich an der Hand und zieht mich in einen dunklen Nebenraum. Dann tritt sie verdammt nahe an mich heran und sieht mir tief in die Augen. Ich stottere nur:
"Machen Sie das mit allen Kunden?"
"Nein, nur mit Dir!", haucht sie und reibt sich unmissverständlich an meiner rechten Seite. Ich habe kaum Zeit, meinen Torschlüssel in die linke Tasche zu stecken. Noch während ich sie entgeistert anstarre, legt sie ihre weichen Arme um meinen Hals. Ihr warmer Atem duftet nach frischem Roggenmischbrot, und ihre Lippen schmecken wie knusprige Laugenbrezeln mit Nutella (und etwas Thymian). Ich glaube, den Verstand zu verlieren. Doch dann, dem Weckruf einiger längst entschlafenden Hormone folgend, wende ich mich ihr voll zu, drücke sie bestialisch an mich und küsse wild drauf los.
Plötzlich klickt etwas dicht neben mir. Heidi löst sich brüsk aus der Umarmung und tritt zwei Schritte zurück. Aus dem Lagerraum tritt ein junger Mann herein. Heidi fragt ihn:
“Gelungen?" Er wedelt mit einem Foto in der Luft herum, schaut drauf und meint zufrieden:
“Ausgezeichnet!" Verblüfft ob dieser Wende frage ich die Beiden:
“Würden Sie mir bitte erklären, was das soll?“ Er sieht mich maßlos erstaunt an.
“Wie bitte? Vielleicht erklären Sie mir, wieso Sie mit meiner Frau knutschen?“ Ich bin perplex.
“Jetzt hören Sie mir gut zu!", fährt er fort. "Entweder Sie überweisen in spätesten drei Tagen 10.000 Euro auf mein Konto, oder dies Foto erscheint im Lokalblättchen!“ Mir wird schwindlig, und ich taumle haltsuchend.
“Ist Ihnen nicht wohl, Herr Binder?“, höre ich Frau Frohsinns Stimme wie aus weiter Ferne. Die ältere Dame streift mich mit einem flüchtigen Blick und verläßt den Laden.
Verwirrt kaufe ich wie immer zwei Bauernbrote, bezahle, verabschiede mich und gehe.
“Tschüss, junger Mann!", hallt mir Frau Frohsinns Stimme wie immer vertraut und freundlich nach.


Lybelle
schrieb am 18.09.2020, 17:00 Uhr
😄😄😄Also Tag Träume sind was ganz spezielles und schönes. Kommt ganz darauf an wie man sie zu Ende hin bekommt 😇😇😇.
Die Nacht träume muss man halt sooooo hinnehmen😆. Dachte zuerst Du hättest ein Mittagsschläfchen gehalten😀😀😀. Tja das frisch gebackene Brot, hat es in und an sich😃😃😃.
Kurt Binder
schrieb am 01.10.2020, 16:35 Uhr
Bertramsuppe
Denkmal für einen kulinarischen Klassiker

Die Bertramsuppe ist im Sachsenland
auch mal als „Ciorbă de tarhon“ bekannt,
und zweifelsfrei gehört die Rezeptur
in die gehobene Literatur!
Man nehme - so beginnt üblicherweise
jedes Rezept für eine gute Speise,
und um die alte Regel einzuhalten,
will ich den Usus hier nicht umgestalten!

Zunächst geh man zum Metzger hin und heisch
vom Schwein ein Pfündchen fettes Nackenfleisch,
und schneide es mit einem Küchenmesser -
je schärfer dieses ist, wär umso besser,
in kleine Würfel - dieses sei betont -,
wie man’s vom Gulasch allzeit ist gewohnt.
Nun nehm man einen Zwiefel, einen dicken,
und schnippsel ihn in herzig kleine Stücken,
der auch als ‚Allium cepa’ ist bekannt,
und röste ihn, bis er fast angebrannt.
Dann klitsche man die Nackenwürfel munter
auf die gebräunten Zwiefelchen hinunter,
und wenn sie ebenfalls leicht angebraten,
dann kann ich dir wie folgt nur dringend raten:
Gieß schleunigst siedend heißes Wasser drüber,
sonst ist die Supp’ im Ansatz schon hinüber,
und köchle sie mit Salz 'ne knappe Stunde -
dann schreit mit Löwenmut zur nächsten Runde.

Bevor die leck’re Brühe gänzlich trübe,
hol aus der Speis ’ne dicke Gelbe Rübe,
schneid sie in mitteldünne Scheibchen fein,
schmeiß sie mit Andacht in den Sud hinein
und lass sie friedlich brodelnd köcheln, bis
sie dann erreichen - stimmt! - den richt’gen Biss!
Der Höhepunkt – das zieht dir aus die Sockerl -
sind zweifellos die wohlgestalten Nockerl!
Nun, dafür schlägst du flott, ganz ungehemmt,
zwei frische Eier – jedes Stück 3 Cent -
in eine Schüssel, und rührst diese dann
mit Mehl und Salz zu einem Teigerl an.
Den formst du mit 'nem sauber’n Löffelein
zu Nockerln möglichst gleicher Größe ein,
und läßt sie in gesalz'nen, siedend' Fluten
in einem Kochtopf whirln etwa acht Minuten.
Dann seihst du diese durch ein feines Sieb,
mit Vorsicht und Geduld - das wäre lieb!

Wenn dann ein jedes Gargut gar gesotten -
das Fleisch, die Nockerl und auch die Karotten,
wirds in die Suppenschüssel interniert,
beziehungsweise fertig komponiert.
Denn itzund folgt – ich sags in aller Kürze -
der Suppe Seel' - die namengebend' Würze,
die sie zu dem macht, was sie gerne ist -
die sie zu dem macht, was man gerne isst,
denn ohne Essig-Bertram* ist die Suppe
wohl jedem Sox egal - sprich: ziemlich schnuppe!

Zuletzt, da kann man sie noch mehr beglücken,
und sie mit Eingeklopftem leicht verdicken.
So bleibt sie klar aus aller Speisen Gruppen
der kulinar’sche Hymnus unsrer Suppen!

*Bertram: französischer Estragon,
lat. Artemisia dracunculus var, sativa

Ihr habt sicher Lust, hier weitere Rezepte in Versform vorzustellen.
Dann empfehle ich als Einstieg erstmal eine Beutelsuppe von Knorr :-)) !
Und wenn wir beim fünfköpfigen Menü angekommen sind, heben wir Bocuse, Louis de Funés, Hennsler und Rosin kategorisch aus den Angeln!
Lybelle
schrieb am 01.10.2020, 19:43 Uhr
Applaus Applaus, die Suppe schmeckt,
auch wenn sie nicht ist eingedickt
Mit roten Zwiebeln fein geschnitten
Und mit dem Essig inmitten
Noch eine scharfe Peperoni
Und fertig isst der Liebe Toni.
Schwitzt stärker noch als beim
Holzhacken, und tags darauf
auch noch beim k...en.
Die ciorbă hats ihm angetahn
Auch wenn in ihr schwimmt
Gar kein Hahn.
Mit gut geräuchertem ciolan
Auch die fusaică lachen kann.
Zwar ist sie Tags darauf noch lauter
und auch der Duft arg konzentrierter
Doch gibt es einen guten Grund
“ Wenn's Arscherl brummt, is Herzerl gsund"
Kurt Binder
schrieb am 03.10.2020, 09:57 Uhr
Ce-i drept, e drept,
si eu sint adept:
fasole cu ciolan
e baban!
Si daca curuletul in extasa,
foarte convins prin arome atesteaza,
ca- i prieste, ce gurita a halit -
mai frate, ce mai ramane de dorit??

Oaijeh, Sepp, wie Recht Du hast! Schon in der Lutherbibel (1912), Psalm 121:8 heißt es:
"Der Herr behüte Deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit"!
Kurt Binder
schrieb am 10.10.2020, 22:34 Uhr
Bis etwas Besseres kommt:

Echt verrückt

Nachdem er nachdem einfach weggehen will, meint sie schmollend:
"Aber - du hast mir doch versprochen, mich zu heiraten!“
Er, bedauernd: „Oh - da hab ich mich sicher versprochen!“
Kurt Binder
schrieb am 18.10.2020, 23:26 Uhr
Der befragte Mensch

Wenn ein Mensch ’nen Menschen fragt,
der schon ziemlich leicht betagt,
wie's ihm so im Alter geht,
ob noch alles läuft und steht,
und der Mensch, so zwangsgeplagt
notgedrungen „Geht so“ sagt,
sieht man daraus leider nicht,
was wo geht und wann was nicht!

Tja, was soll in solchen Lagen
man auf blöde Fragen sagen?
Fragen, die ja generell
jeder kennt, um kurz und schnell
seine Neugier bloß zu stillen
gegen jenes andern Willen,
und mit diesen, wie gesagt,
seine alten Ohren plagt.

Hier drängt uns der klare Fall
kategorisch zur Moral:
Plagt dich mal im Kopf die Gicht,
stell so dumme Fragen nicht!
Lybelle
schrieb am 19.10.2020, 10:39 Uhr
Wow Kurt, das ist wieder mal zum schießen lustig. Ich will garnicht daran denken was einem im leicht betagterem Dasein noch so Alles widerfahren könnte 🤔. Drum bin ich auch nicht so neugierig wie sonst🤣🤣🤣, und lass es mit der Fragerei lieber😂😂😂.
Kurt Binder
schrieb am 26.10.2020, 16:40 Uhr
Wo ist die Welt wohl verrückter als im Zoo? Deshalb:

Vorsicht!

Der Löwe, der hat Löwenmut,
und brüllt sich gern in Rage und Wut.
Drum täte jeder daran gut,
zu sein vorm Löwen auf der Hut!

Und will der Löwe sich erquicken
mit einer Dünnen oder Dicken,
dann lass dich nicht von ihm erblicken,
sonst kannst das Taxi heimwärts schicken.

Doch muss man fairerweis erwähnen:
Krault man dem Löwen sanft die Mähnen,
dann fängt er sofort an zu gähnen;
ich glaub, das liegt an seinen Genen.

Und wenn dich doch der Hafer sticht,
so sieh das auch aus seiner Sicht,
und stell dich bitte nicht zu dicht
vor eines Löwen Angesicht,
denn so ein Bursche zögert nicht
sehr lang vor einem Fleischgericht,
besonders wenns im Abendlicht
ihm lecker in die Nase sticht.

Und hier der Rat von Salomo -
statt der Moral nur ein Bonmot:
Bist du kein Fan vom Risiko,
betracht den Löwen nur im Zoo!

Kurt Binder
schrieb am 03.11.2020, 08:25 Uhr (am 03.11.2020, 08:26 Uhr geändert).
Weil es im Zoo soo schöön verrückt zugeht, setzen wir noch eins drauf! Und – ihr ward doch sicher auch schon mal im Zoo, odder ?

Alles über das Krokodil

Man weiß, dass so ein Krokodil
nur das tut, was und wann es will.
Drum ist es gut, wenn ihr es wisst,
dass dieses Tierchen gerne frisst.

Ein Krokodil ist auch sehr kühn,
weils meistens länger ist als grün,
und weiß zwar immer nur am Bauch,
doch lang, nach altem Kroko-Brauch,

ist es das ganze Jahr hindurch,
und somit größer als ein Lurch.
Hinzu kommt, dass es vorne och
genau so hinten ist wie hoch.

Und wirkt es schläfrig oder schlapp,
schließts langsam zu die große Klapp’,
dann halte Abstand, nicht zu knapp,
denn‘s gilt: Je träger, desto - schnapp!

Auch wenns mit Schönheit dich besticht -
ein Kuscheltierchen ist es nicht!
So sorge jeder, der nicht auch
als Gulasch enden will im Bauch

der urzeitlichen Fressmaschine,
und der nur so als Häppchen diene,
dass er genügend Abstand halt,
weils Kroko flinker ist als alt!


Kurt Binder
schrieb am 10.11.2020, 22:13 Uhr
Ein biologisch besonders nachhaltiges Rezept:

Miss-Verständnis

Es klagte ein Patient, er hätte
ganz kalte Füße nachts im Bette,
und könne nicht behaglich ruhn;
was solle er dagegen tun?

Der Arzt versuchte zu erklären,
dass kalte Füß' kein Leiden wären.
Das Mittelchen, wofür er schwärme,
sei einfach nur die Körperwärme.

So steck er seine zu dem Zwecke
zu seiner Frau unter die Decke.
„Okay“, sagte der Mann erfreut,
„wann hätte Ihre Frau denn Zeit?“

Kurt Binder
schrieb am 16.11.2020, 09:11 Uhr
Wenn schon verrückt, dann aber total ...

Ein Hauch von Frankenstein

Da nach mehreren Diagnosen meine Blinddarmentzündung eine beschlossene Sache war, marschierte ich mit meiner Reisetasche ins Krankenhaus. Trotz meiner 70 Jahre hatte ich bisher noch keinen einschneidenden Eingriff in meine physische Integrität erleiden müssen. Nun aber war es soweit, und ich saß in neugieriger Erwartung im Foyer der Chirurgie, um mich zur Anmeldung aufrufen zu lassen.
Am selben Tischchen mir gegenüber saß eine Frau, über deren mutmaßliches Alter ich mich nicht festlegen will. Das Leben hatte mich oft genug gelehrt, solche Risiken tunlichst zu vermeiden. Das erblondete, gelockte Haar umrahmte ein reizendes Gesicht, in welchem sensuelle Lippen und klassische Schlafzimmeraugen geheimste Sehnsüchte verrieten. Sie schien mir merkwürdig bekannt, als hätte ich sie schon einmal in einem nicht alltäglichen Zusammenhang gesehen – in einem Film vielleicht? Im bizarren Gegensatz zu ihren engelhaft anmutenden Gesichtszügen stand allerdings ihr ziemlich plumper Körperbau.
Sie blätterte scheinbar sehr interessiert im Playboy, wobei sie von Zeit zu Zeit einen Blick aus ihren gemakeupten Augen herüberwarf. Ich spürte es beinahe körperlich, dass sie förmlich darauf brannte, mich bezüglich meines Leidens zu befragen, und mir eventuell auch das ihrige zu unterbreiten. Also überlegte ich, ob ich ihr über diese Hemmschwelle hinweghelfen sollte, indem ich die erste Frage stellte.
„Wäre es indiskret, mich nach dem Grund Ihrer Anwesenheit in der Chirurgie zu erkundigen?“, fragte ich also höflich und sehr gewählt. Sie warf sofort die Zeitschrift auf den Tisch, setzte sich in Positur und sah nun offen zu mir herüber.
„Oh nein nein nein - keineswegs!“ Ihr Ton verriet, dass sie es mir nie verziehen hätte, wenn ich sie nicht angesprochen hätte. „Meine Galle muss entfernt werden.“
„Oh!“, sagte ich - kurz. Damit antwortet man gewöhnlich auf eine Information, die einem genau so gleichgültig wie uninteressant ist - oder umgekehrt. Ich musste aber doch etwas zu viel ehrlichen Bedauerns in mein „Oh“ gelegt, haben, denn gleich darauf tröstete sie mich:„Machen Sie sich aber meinetwegen keine Sorgen - es ist nur ein leichter endoskopischer Eingriff!“ Ich versicherte ihr, dass ich nicht vorhätte, mir Sorgen zu machen. Sichtlich beruhigt nickte sie.
„Und - was erwartet Sie?“, fragte sie mich.
„Die Ektomie des Blinddarms.“ Sie nickte nachdenklich, so als erinnere sie sich an ein Ereignis aus längst vergangenen Tagen.
„Ja ja, der Appendix! Ich war gerade erst 10 Jahre alt, als er entfernt werden musste. Ich sag Ihnen, das waren Schmerzen; wollen Sie die Narbe sehen?“ Leider musste ich dies verlockende Angebot höflich ablehnen, da mir das Ambiente für den sicher überwältigenden Augenschmaus nicht besonders geeignet schien.
„Oh nein, danke, vielleicht später. Außerdem kann ich ja in den nächsten Tagen meine eigene bewundern, ha ha ha!“ Sie lehnte sich pikiert zurück, doch aus ihren Augen quoll das Bedürfnis, mich über ihre weiteren körperlichen Kalamitäten aufzuklären. Und so beugte sie sich unter dem Zwang von Evas sicher ureigenstem Trieb ruckhaft vor.
„Der Blinddarm war aber nur ein Fanal“, flüsterte sie, „denn wenig später kamen diese schrecklichen Magenbeschwerden. Es begann mit saurem Aufstoßen, Sodbrennen, Gastritis, und bald darauf diagnostizierten die Ärzte eindeutig ein Magengeschwür! Na, was sagen Sie dazu?“ Ich sagte nichts dazu. Also fuhr sie mit der plastischen Schilderung ihres körperlichen Abbaus fort.
„Stellen Sie sich vor, man musste mir beinahe zwei Drittel meines Magens herausschneiden. Das Schlimmste daran ist jedoch diese Diät, die ich seit damals einhalten muss!“ Das war allerdings hart. Als überzeugter Karnivore konnte ich es gut nachempfinden, wenn ein Mensch bloß Karotten und Salatblätter knabbern durfte, und ich empfand plötzlich den Wunsch, ihr mein Mitgefühl auszudrücken.
„Es tut mir wirklich Leid, was Sie so alles zu ertragen haben. Drei Eingriffe, das kann einem sicher ...“
„Sieben!“
„Wie bitte? Das waren bis jetzt doch nur drei!“
„Richtig - bis jetzt!“ Sie massierte sich die Herzgegend und lächelte mich herausfordernd an.
„Jetzt erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie auch einen Herzschrittmacher tragen!“
„Das war einmal. Seit vier Jahren trage ich ein vollständiges Kunststoffherz! Jetzt staunen sie, gell?“ Allerdings staunte ich, sogar ehrlich. Was konnte ich denn angesichts dieser leidgeprüften Frau auch anders tun?
„Also“, sagte ich tief ergriffen, „das ging mir nun wirklich an die Nieren.“
„Mir auch - vor drei Jahren. Die linke Niere musste wegen totalen Versagens entfernt werden, die andere ...“
„Sagen Sie“, rief ich, nun wirklich geschockt, „gibt es denn überhaupt etwas, was Sie noch nicht hatten?“ Dabei warf ich, ohne es zu wollen, einen Blick auf ihren Busen.
„Silikon“, erklärte sie sofort. „Vor vier Jahren.“ Langsam wurde mir in der Gesellschaft dieses wandelnden Ersatzteilwesens unheimlich. Ich versuchte in einer Zeitschrift zu blättern, doch sie gab mir keine Chance zum Kneifen.
„Na ja, ich wollte meine Oberweite auch etwas vergrößern lassen. Leider bin ich das Opfer eines Pfuschers geworden. Sehen Sie nur - die rechte Brust ist viel größer als die linke! Am liebsten möchte ich diesen Scharlatan verklagen!“ Dabei schüttelte sie vor lauter Wut ihren rechten Arm so heftig, dass dieser sich knirschend löste und auf den Tisch polterte.
„Eine Prothese“, sagte sie, „vor etwa 8 Jahren, Autounfall mit Fahrerflucht.“ Dann drückte sie den Mittelfinger nieder, der ziemlich unanständig nach oben zeigte.
„Er hat inzwischen so etwas wie ein Eigenleben entwickelt“ meinte sie verlegen. Dummerweise riskierte ich einen Blick auf ihren Hals. Eine breite, feuerrote Narbe wand sich um ihn herum. Sie war mir schon kurz nach unserer Bekanntschaft aufgefallen, doch hatte ich ihr keine Bedeutung beigemessen. Ich deutete entsetzt darauf.
„Wenn Sie jetzt noch behaupten, dass auch Ihr Kopf ...“
„Genau!“, nickte sie heiter. „Früher war ich Leonid Breschnew, aber wegen ständig zunehmender Geistesschwäche musste eine Kopftransplantation vorgenommen werden.“ Und leise singend hauchte sie in den Raum:
„Happy birthday, Mister President, happy birthday to youuu …“
Ihr Gesicht war mir ja gleich so bekannt vorgekommen, nur die klobigen Körperbewegungen konnte ich nicht auf Anhieb zuordnen.
Und so beschloss ich, die Frau mir gegenüber trotz ihrer erwartungsvollen Blicken doch nicht anzusprechen.

Maikind
schrieb am 21.11.2020, 07:09 Uhr (am 21.11.2020, 07:10 Uhr geändert).
was die Fantasie so anrichten kann! hat nur gut gefallen dein Text
und der Schluss erst! 👏👏
Kurt Binder
schrieb am 23.11.2020, 08:30 Uhr
Kleine Verrücktheiten

Nachdem Frau Gudrun Ordnung hat gemacht,
das ganze Haus auf Vordermann gebracht,
genehmigt sie sich ein gebrat'nes Huhn,
denn - nach getaner Arbeit isst Gudrun!

Wäre das nicht eine Idee, bekannten Sprichwörtern durch kleine Textänderungen eine komische Aussage zu verleihen?
Kurt Binder
schrieb am 27.11.2020, 08:54 Uhr
Für lustige Missverständnisse können auch Wörter mit mehreren Bedeutungen (Homonyme) sorgen:

Fragt Jochen seine russische Freundin Natascha eifersüchtig:
"Wie konntest du bloß einen so anziehenden Mann zur Untermiete bei dir einziehen lassen`" Meint Natascha beruhigend:
"Nicht Sorgen machen – wird bald ausziehen!"

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