Verrückte Welt

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Kurt Binder
schrieb am 11.01.2021, 08:55 Uhr
Inspiration

Ein armer, ausgelaugter Dichterling
wie’n nasser Lappen in dem Sessel hing,
und stiert’ seit Stunden auf die graue, matte,
nach außen leicht gewölbte Bildschirmplatte.

Sein müder Kopf war leer, die Seele hohl,
sein Genius verkümmerte, wiewohl
er krampfhaft sich in guter Hoffnung suhlte,
und gierig um den Kuss der Muse buhlte.

Doch hatte diese, satt vom ew’gen Küssen,
den feuchten Schlabber-Job längst hingeschmissen,
nebst dreißig Pfunde, die gar sehr im Wege,
und wankt erdürrt jetzt über Model-Stege.

Die Zeit verrann, es fiel ihm gar nichts ein;
die starren, arbeitslosen Fingerlein,
die trommelten, statt Verse in die Tasten,
den Walzer vom verliebten Gymnasiasten.

Rundum garniert mit Stoppeln wie ein Igel,
warf er rein zufällig den Blick zum Spiegel,
und als er sein virtuelles Abbild sah,
war plötzlich das ersehnte Thema da.

Zwar war sein Ausdruck nicht sehr fotogen,
doch ließ er ihn in Verse übergehn,
die ganze Kümmernis aus dem Gesicht,
und schrieb zutiefst erleichtert - dies Gedicht.

Selbst erlebt - 2003

Fazit: Ihr müsst nur öfters in den Spiegel gucken ;-)) !
Lybelle
schrieb am 11.01.2021, 11:35 Uhr
Uuuups, so was kenn ich auch🤔🙃😁, nur kann ichs leider nicht so toll im Vers verpacken. Aber hab mich köstlich amüsiert 😀😀😀, danke Kurt.
Maikind
schrieb am 16.01.2021, 06:33 Uhr
Lieber Kurt
welcher Dichterling kennt nicht solche museverlassenen Zeiten!
die Leichtigkeit mit dem humorvollen Schwung hat mir sehr gut gefallen in deinem Gedicht!
Danke!
Kurt Binder
schrieb am 16.01.2021, 10:59 Uhr
Danke, liebe Ute, lieber Sepp,

ich will nicht unbescheiden sein, aber seit einigen Tagen brennt mir das folgende Gedicht unter den Nägeln, dessen Daseinsberechtigung schon fast vorbei ist:


Der genötigte Winter

Die Nächte werden langsam kürzer,
die Morgenluft ist schon gewürzter;
die Tage werden folglich länger -
bloß hat der Winter einen Hänger!
Er zögert, das zu tun,was klar
sein Job ist: schneien – Jahr für Jahr!

Doch hier, in Herrenbergs Gefikde,
zeigt sich der Winter ziemlich milde.
Zwar flockte es ganz leicht von oben,
doch dafür kann man ihn nicht loben;
um "Schnee“ zu heißen fehlte schon
dazu – die dritte Dimension!

Doch siehe – kaum hab ichs geschrieben,
fühlt er sich in die Eng’ getrieben,
weil ich ihm, quasi ob der späten
Einsicht auf den Schlips getreten.
Denn als ichs dann ins Forum g’setzt,
da schneit' es plötzlich wie gehetzt,
als wolle er, was er bis jetzt
versäumt hat, nachholn,was zuletzt
die traditionsgewohnte Welt
in puncto Schnee zufriedenstellt:
Die großen und die kleinen Rodler,
und auch die flotten Pisten-Jodler!

Und was lernen wir daraus`

Der Winter, der kommt ganz gewiss,
und wenn es erst im Frühling is!

Kurt Binder
schrieb am 16.01.2021, 17:13 Uhr
Ein peinlicher Tippfehler, für den ich mich entschuldige!!

In der zweiten Strophe oben müsste es natürlich heißen:

... in Herrenbergs Gefilde
Michael5
schrieb am 16.01.2021, 21:23 Uhr
Kurt, solche Fehler sind nicht zu entschuldigen. Was sollen die Herrenberger von dir denken ? Ich habe gehört, dass morgen trotz Demonstrationsverbot etwa 200 Herrenberger/-innen (und Frauenberger/-innen) sich zu einem Protestmarsch sammeln werden, um lautstark gegen diese Sprachverhunzung zu protestieren.
Ich werde dem aber zuvorkommen und mich zu deinem Richter emporschwingen. Denn Strafe muss sein: 3 Minuten Schreibverbot ! Im Namen des Volkes !
Und das alles, weil man sich nicht selbst entschuldigen kann.
Deshalb tue ich es. Und andere Leser stimmen mir sicherlich zu.
Amen !
Kurt Binder
schrieb am 16.01.2021, 22:08 Uhr
Schluchz, ächz, stöhn, jammer, heul usw. Ein hartes Strafmaß, oh Du mein Judge, Erbarmen! Können wir es nicht auf die Hälfte herunterhandeln? Ich glaube nämlich, dass die Frauenbergerinnen nichts gegen diesen Schreibfehler haben werden ;-)) !
Okay, ich gehe reuig in mich - heute Nacht zwischen 2:00 und 2:03 Uhr werde ich nicht schreiben, versprochen!
Kurt Binder
schrieb am 21.01.2021, 17:52 Uhr
Hallo, lieber Michael, die 3 Minuten Schreibverbot hab ich doch jetzt zähneknirschend brav abgesessen - odder?


Da ist der Wurm drin

Ein Regenwurm, zwar dünn, doch lang,
bemühte sich unter dem Zwang
der Fortbewegung ganz besessen,
sich durch die Schollen durchzufressen.

Der Umstand, dass er nie ein Licht
beim Wühlen hatte, störte nicht,
denn optisch nahm er eh nichts wahr,
weils unten zappenduster war.

Nun frage man mich nicht, warum
der ekle Wurm, mal lang, mal krumm,
sich täglich durch die Erd malocht,
bis er sie kreuz und quer gelocht.

Man gebe schlicht, scheints auch skurril,
sein Amen zu dem Lebensstil,
und lasse ihn unter der Erden
seiner Fasson nach selig werden.

Denn was der Wurm da unverwandt
von hinten rausdrückt, ist bekannt
als edler Humus, schwarz und fein,
in dem Radieschen gut gedeihn.

Hieraus ersieht man wieder mal,
dass Kreaturen, dünn und kahl
wie Regenwürmer, wenn auch blind,
nicht unbedingt - Blindgänger sind!
Kurt Binder
schrieb am 28.01.2021, 08:22 Uhr (am 28.01.2021, 08:24 Uhr geändert).
Darf ich mit noch etwas Verrücktem stören?

Der (ver)gestörte Stör

Ein Stör, ansonsten sehr eFischzipiert,
als Raubfisch auch erfahren und versiert,
schwamm trübe und mit lautlosem Gebrumm
im klaren Wasser immer ringsherum.

Ein Fisch-Psychiater, welcher dieses sah,
der ahnte gleich, was mit dem Stör geschah
und rief: „Mein Gott, das ist ja unerhört,
der arme Stör ist ja total gestört!“

Ein andrer Fischologe, der’s vernahm
und auf der Stell' zum Psychologen kam,
der korrigierte: „Wenn es Sie nicht stört,
so meine ich, der Stör ist nur - verstört!“

Doch diesem ging es offensichtlich dreckig,
denn plötzlich schwamm der arme Bursche eckig,
im Dreieck erst, sodann auch im Quadrat -
die Zwei entsetzt: „Jetzt hab’n wir den Salat!“

Und beide haben dann, wie’s sich gehört,
den armen Stör ganz fachgerecht entstört:
Geköpft, gebraten und sich selbst zum Lohne
ihn dann verspeist mit Knoblauch und Zitrone.

Kurt Binder
schrieb am 04.02.2021, 07:09 Uhr

Frühstück


Im Jahre 80 p.K.n. (post Kurtum natum*) beschloss ich, endlich etwas gegen meine unaufhaltsam zunehmnede Leibesfülle zu tun. Ich war zwar noch weit davon entfernt, mich ins Guinness-Buch der Rekorde einzuseiten, doch hatte ich es satt, bei jedem dritten Schritt bauchlastig nach vorne zu kippen.
Nun gibt es ja eine Menge Ratschläge. von Ernährungswissenschaftlern, Gesundheitsphilosophen, Schlankheitsfanatikern, grünen Ayurvedischen Gurus, Gandhi-Aposteln, Fünf-Sterne-Köchen - oder einfach nur von Klugschreibern wie du und ich, was man so tun könnte, um sein Erscheinungsbild zumindest optisch innerhalb zumutbarer Grenzen zu halten. Nach langem Studieren der Fürs und der Widers hatte ich mich letztendlich dafür entschieden, morgens wie ein Kaiser zu speisen, mittags wie ein König, und abends wie ein Bettler. Dies schien mir plausibel, doch - was speist ein Kaiser am Morgen?
Da es mir sehr dringend war, belegte ich in der Volkshochschule einen dreimonatigen Sprachkurs für Japanisch. Als ich diese interessante Sprache, und nach einem weiteren Kurs auch samuraisch völlig akzentfrei lesen und schreiben konnte, rief ich den japanischen Kaiser an;
"Guten Morgen, Herr Kaiser, was frühstücken Sie denn heute so?“ Zu meinem Erstaunen antwortete er auf Deutsch:
“Sushi!“ Ich dankte ihm auf Japanisch:
“Arigato, Tenno San!“, eilte also informiert glücklich in die Küche - und brutzelte mir in der Pfanne eine Portion Ham and Eggs, denn roher Fisch am Morgen war für mich nicht gerade das Gelbe vom Ei. Außerdem wäre es bloß ein geheucheltes Gaumen-Bekenntnis zum Ehrencodex der Samurai gewesen! Dass ich allerdings nun bald bei jedem Schritt nach vorne kippte und auf die Nase fiel, nahm ich gerne in Kauf!
Am nächsten Morgen rief der Kaiser zurück und teilte mir mit, er habe von meinem Frühstück gehört, und wolle daraufhin heute Harakiri zu machen.
“Cool", dachte ich, "wenn die auch so gut schmecken wie Spaghetti, kann ich es ja auch mal probieren!"

*) lat: nach Kurts Geburt
Kurt Binder
schrieb am 13.02.2021, 08:51 Uhr
Ganz schön verrückt, soll aber schon vorgekommen sein ...

Identitätskrise einer Flasche

Die Flasche, als Behältnis stets geachtet,
empfand auf einmal sich zutiefst missachtet,
weil so ein Holzkopf, wie‘s heut viele gibt,
ihr Image mit ‘nem Doppelsinn gekippt.

Denn ohne Grund ward jeder träge Lasche
respektlos tituliert: „Du leere Flasche!“,
besonders wenn ein Rasen-Akrobat
ein weiteres Tor zum Sieg verschustert hat.

Zwar war sie, stand sie leer vor roter Nase,
so wertlos wie ein blinder Osterhase,
doch sollte man sich schon soweit bequemen,
auch leere Flaschen manchmal - voll zu nehmen.

Nun lag sie da, geleert und ohne Stopfen,
und aus dem Halse rann ein Rotweintropfen.
Total frustriert fühlt’ sie sich immer schlaffer
durch dieses Alter Ego als Metapher,

stürzt’ sich zuletzt, zunehmend schizophrener,
koppheister in den nächsten Glas-Container,
und hinterließ den schwer enttäuschten Erben
nichts weiter als recyclebare Scherben.
Kurt Binder
schrieb am 22.02.2021, 10:15 Uhr
Dies ist so verrückt, dass es glatt eine Parabel sein könnte ...


Der undankbare Wecker


Beim Herrn, der höchsten Prominenz,
erscheint ein Wecker zur Audienz
und rasselt zornig: „Mit Respekt -
mir langts; ich hab genug geweckt!
Zwar hast du clever mich gebaut,
doch mir ein mieses Amt vertraut!“

Entrüstet blickt der Herr und spricht:
Den Tadel, Blechmann, zoll mir nicht,
denn was ich einmal konstruiert,
wird akzeptiert, nicht kritisiert!
Du musst im Ebenmaß der Zeit
den Menschen mahnen mit Geläut,
dass pünktlich er zur Arbeit eile!“

„Da rost ich ja vor Langeweile,
wenn ich den lächerlichen Stuss
alltäglich wiederholen muss!“

„Bei Mir, hör auf mit dem Gemecker;
du gehst mir richtig auf den Wecker.
Was stört dich denn daran, du Schlingel,
bloß einmal täglich mit der Klingel
zu bimmeln, keine zehn Sekunden?
Der Mensch ist dir zu Dank verbunden!“

Der Wecker schnarrt: „Herr, lass das Kirren,
in diesem Punkt musst du dich irren,
denn um den Dank werd ich betrogen,
statt dessen täglich - aufgezogen!

Na - was hab ich gesagt?
Kurt Binder
schrieb am 02.03.2021, 08:16 Uhr
Zum Kinderkriegen verrückt!

Babylonisches

Ein Zwillingspärchen, kaum entschlüpft,
von seinem Ursprung abgeknüpft,
lag frisch gebadet mit Behagen
in dufte Pampers eingeschlagen.

Er schnupperte interessiert,
und fragte sie dann ungeniert:
„He, Sugar-Baby, hör mich an:
Wie wärs mit uns als Frau und Mann?“

Man sieht sofort, dass diesem Fant
der Inzest war noch unbekannt.
Sie nahm jedoch die Sach' nicht krumm,
denn Männer sind hierin halt dumm.

So lächelt’ sie ihn zahnlos an
und fragte leicht geschmeichelt dann:
„Da wird sich ein Problem ergeben:
Wovon, Boy, sollen wir denn leben?“

Er reckte seine Männerbrust,
und meinte darauf selbstbewusst,
gewandt und weltmännisch erfahren:
„Ich schreibe halt meine Memoiren!“
Kurt Binder
schrieb am 11.03.2021, 17:34 Uhr
Sachen gibts, die gibt es wirklich

Ein Hauch von Mystery

Eines Morgens weckte Erika mich durch heftiges Rütteln an meinem linken großen Zeh, und deutete durch das Fenster des Wohnmobils auf den Strand hinaus.
„Sieh mal, du hast Konkurrenz bekommen!“
Es war eine ruhige Nacht. Wir waren am späten Abend südlich des Pangäon-Gebirges in einer Bucht des Thrakischen Meeres angekommen, und hatten trotz der einsetzenden Dunkelheit einen guten Standplatz an dem viele Kilometer langen Sandstrand gefunden. Nach einem frugalen Abendbrot, bestehend aus Weißbrot, fettem Schafkäse, schwarzen Oliven und einigen Gläschen griechischen Rotwein waren wir dann todmüde schlafen gegangen.
So war ich ziemlich verärgert, als ich derart jäh aus meinem aufregenden Morgentraum gerissen wurde. Ich schwebte auf der glitzernden Schaumkrone einer sanften Woge dem fernen Horizont zu und picknickte mit einer Meerjungfrau Weißbrot, Schafkäse und schwarze Oliven, und gerade als ich mittels eines griechischen Rotweins mit ihr Brüderschaft schlürfen wollte, sollte ich diese Köstlichkeiten gegen einen fragwürdigen Konkurrenten austauschen.
„Wieso Konkurrenz?“, fragte ich Erika so mürrisch ich konnte. „Wer könnte mir schon, und in was gefährlich werden?"
„Sieh nur selbst - es wird dich interessieren!“ Ich erhob mich langsam aus der Horizontalen, warf durch das Fenster einen Blick zum Strand hinunter und - mein Mund blieb sperrangelweit offen. Da stand doch tatsächlich so ‘n Heini dicht am Ufer und warf runde, flache Steine über das Wasser, und zwar so gekonnt, dass diese viele Male zischend über die ruhige Oberfläche schlitterten, bevor sie mit einem unhörbaren Seufzer auf den Grund des Meeres sanken. Erika hatte Recht. Bisher hatte mich kaum jemand in dieser olympiaverdächtigen Sportdiziplin überbieten können. Auch die flachen Kopfsprüngen in knietiefes Wasser waren eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Und nun präsentierte mir das Schicksal frech und schamlos einen Daneben-Buhler! Eifersüchtig verfolgte ich die Bahnen der schnell auf und ab tänzelnden Scheiben, und bewunderte die Eleganz von Heinis Bewegungen, die mir merkwürdig bekannt vorkamen. Nach einem besonders gelungenen Wurf wandte sich der Mann zu uns herüber und lachte zufrieden. Erika rieb sich verblüfft die Augen.
„Du Schatz, der sieht aber genau wie du aus!“ Trotz der Entfernung konnte ich eine gewisse Ähnlichkeit nicht abstreiten. Seine flotten, jugendlichen Bewegungen, das scharfe, männliche Profil, der athletische Körper und das schöne, volle Haar ...
„Jetzt übertreibst du aber wieder einmal!“, unterbrach Erika lächelnd meine Betrachtungen. Also strich ich aus Bescheidenheit das „volle Haar“.
„Der trägt ja sogar die gleiche Badehose wie du!“, stellte Erika weiterhin fest. Stimmt - jetzt bemerkte ich es auch. Einen knallgelben Tanga mit lilafarbenen Fledermäusen drauf, und vorne ein signalrotes Herz. Wir stierten beide wie gebannt auf mein zweites Ich, das sich nun, genau wie ich es oft tat, mit einer für mich typischen Handbewegung die vollen ... die Haare aus der Stirn strich.
„Sag mal, hast du dich klonen lassen?“ Erikas bange Frage war durchaus berechtigt, denn der Typ dort am Strand war zweifellos eine perfekte Kopie von mir. Sogar der linke obere Weisheitszahn fehlte! Wir starrten uns ratlos an. Und als der Typ freundlich zu uns herüberwinkte, dicht ans Ufer trat und mit einem eleganten Kopfsprung in einem sehr spitzen Winkel in das kaum knietiefe Wasser federte, wurde mir unheimlich zumute. Erika wollte hinlaufen, doch ich hielt sie zurück. Die ganze Sache war mir nicht geheuer. Doch dann geschah etwas, was uns förmlich zum Handeln zwang.
Gerade als ich den dritten Kopfsprung zelebrierte, wobei es wie immer kaum aufspritzte und meine gestreckten Zehen hinter mir lautlos ins Wasser tauchten, kam von links eine junge Frau auf dem Rücken herangeschwommen. Jetzt wurde Erika richtig blass. Die Frau kam ans Ufer, richtete sich aus dem seichten Wasser auf und ...
„Schatz“, stammelte ich, „es tut mir Leid, aber ... aber ... die beiden dort ... “
„Auch ... auch mir tut es Leid“, stammelte Erika stammelnd zurück, „aber - ich kann und will es nicht glauben, aber das ... das sind wir!“
Die Frau stieg aus dem Wasser - und sie trug den gleichen Badeanzug wie Erika. Sie griff sich an den Hinterkopf, drückte das Wasser aus dem Pferdeschwanz, winkte mir, also ihm zu, und begann den Sandstrand entlang zu laufen. Erika, also die Frau, hatte die gleiche leicht mollige Figur wie Erika, also wie sie, und auch die gleichen fließenden Bewegungen beim Laufen. Zu allem Überfluss machte ich, das heißt er, im Wasser nun auch noch einen Handstand, und als wir nun seine ... meine ... unsere Beine sahen, waren die letzten Zweifel ausgeräumt: So etwas von behaarten Säbelbeinen konnte es einfach zweifach nicht geben!
Wir beobachteten uns noch eine Weile und überlegten, was wir tun sollten. Erika, also die Frau am Strand, hatte kehrtgemacht und lief mit jenem herzigen Lachen, in das ich mich, also er sich schon bei unsrer ersten Begegnung verliebt hatte, auf mich, also auf ihn zu. Er, also ich, das heißt wir breiteten die Arme aus, und Erika lief direkt in diese hinein und schmiegte sich fest an mich, also an ihn ... das heißt ...
Da packten wir unseren ganzen Mut zusammen. Ich fasste Erika an den Händen und wir liefen zu dem Paar am Strand hinunter. Die beiden lachten und winkten uns fröhlich entgegen, und siehe da - wir waren es tatsächlich!

Kurt Binder
schrieb am 19.03.2021, 09:13 Uhr

Die Wahrheit über die Poeten


Nachdem der Herr dem frisch geschöpften Poeten den göttlichen Funken eingehaucht und ihn auf die Menschheit losgelassen hatte, schlenderte dieser ratlos, seiner Zweckbestimmung noch ziemlich unbewusst durch die irdischen Gefilde. Zwar war mit ihm eine weitere Marktlücke gefüllt, und er spürte deutlich die kreative Brunst in sich brodeln, doch hatte er keinen blassen Schimmer, was er damit anfangen solle. So wandelte er in Gedanken versunken fürbass, und immer fürbasser ... bis er sich eines Tages ernsthaft fragte - doch genau in diesem fragträchtigen Augenblick begegnete ihm plötzlich eine junge Maid von strahlender Schönheit. Der Glanz ihrer himmelblauen Augen ließ die Sonne erblassen, ihre langen, mit 6-Kräuter-Shampoo gespülten Haare wehten ihm kitzelnd ins Gesicht, und ihre Maße hießen ‚Germany’s Next Topmodel by Heidi Klum - for ever’. Geblendet stammelte der Poet:
„Wer bist du, schönes Kind?“
„Ich heiße Erato!“, antwortete sie leise, und der Klang ihrer ätherischen Stimme weissagte die ‚Ode an die Freude’.
„Und wer sind deine Eltern, oh sage!“, bat er und wollte ihre BIO-Milch-weiße Hand erfassen. Doch verschämt entzog sie ihm vorerst diese Gunst der körperlichen Berührung.
„Mnemosyne und Zeus haben mich gezeust - äh ... gezeugt.“ Der Poet schüttelte ratlos den Kopf. Diese Namen hatte er noch nie gehört.
„Sagt mir nichts. Hast du auch Geschwister?“ Die schöne Maid nickte eifrig.
„Oh ja, die Musen sind meine Schwestern: Klio, Kalliope, Terpsichore, Euterpe, Polyhymnia, Kleptomania, Nymphomania ...“
„Schon gut, schon gut – ich kann sie mir sowieso nicht alle merken.“ Er sank vor ihr auf die Knie, und ließ seinen intuitiven Blick während des Sinkens sanft über ihre Rundungen abwärts gleiten.
„Willst du mein treues Weib werden?“, fragte er liebestrunken. „Ich werde dich auf Händen durchs Leben tragen!“ Sie errötete und senkte züchtig die mit goldenem Lidschatten überschatteten Lider gen Boden. Dann aber warf sie einen skeptischen Blick auf seinen schlaffen Bizeps und schüttelte die bis in die Wurzeln gekräftigten Haare.
„Sory, das darf ich leider nicht, denn meine Bestimmung ist es, mich all jenen Menschen zu widmen, die mich brauchen - wenn du verstehst, was ich meine.“ Nein - verstand er nicht, aber sein von Testosteron gesteuerter Männerinstinkt flüsterte ihm höhnisch feixend, was sie damit meinte.
„Pfui, pfui, und nochmals pfui!“, rief der enttäuschte Poet, von jähem Schmerz durchbohrt. „Muss Schönheit immer bloß der Ausdruck der Verderbtheit sein? Da mach ich gleich einen Strich darüber, denn der Strich geht mir gewaltig gegen den Strich!“
„Verzeih mir, aber das ist mein Lebenszweck“, hauchte Erato. „Dein Weib kann ich nicht sein, aber - ein Pussi darf ich dir geben.“ Sie schwebte in ihrem porentief rein gewaschenen, durchscheinendem Organdy-Batist-Schleier an ihn heran und legte erwartungsfolternd langsam ihre lauwarmen, nockerlweichen Arme um seinen steifen Nacken. Ihr Atem duftete appetitanregend nach Nektar, mit einer Prise Liebstöckel. Und dann verabfolgte sie ihm wie versprochen ein Pussi – na ja, jedenfalls gelang es ihm nach einer halben Stunde, sich aus dem Tsunami ihrer keuschen Zurückhaltung zu befreien, bevor sie ihn gänzlich verschlang.
Berauscht von dieser erotischen Ersterfahrung lehnte sich der bis dato jungfräuliche Poet an einen Baum, der rein zufällig genau hinter ihm stand, und dichtete „Das Lied von der Locke“ - in voller Länge und bekannter Güte.

Ein paar Gedanken dazu:

Märchenhaft schön, diese Legenden, aber ich glaube kaum, dass ein noch so sehr nach Nektar, Maggikraut oder Knoblauch schmeckendes Pussi einer noch so modeligen Muse dem Poeten sein künftiges Werk fix und fertig suggeriern kann. Auch darf man annehmen, dass kaum einer der großen Dichter uns seine Arbeiten bereits nach dem ersten Guss zugemutet hat!
Meine Meinung: Geniessen wir die Pussis der Musen, wann immer sie uns damit (zum Schreiben) reizen. Jedoch eine 'Werkstattarbeit' zwischen der Inspiration und dem druckreifen Produkt bleibt wahrscheinlich keinem erspart.

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