Altes Haus - Brücken in die Vergangenheit

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Kurt Binder
schrieb am 25.10.2020, 12:23 Uhr
Das erste Fiasko

Es war in der Zeit, als unsre Hormone anfingen uns spüren zu lassen, dass es im Leben köstlichere Dinge geben muss als bloß Aufgaben zu machen, sein Zimmer in Ordnung zu halten und andere lästige Tätigkeiten verrichten zu müssen, für die ein Quartaner alles andre als ehrliches Interesse aufbringen konnte!
In der Schule lernten wir zwar allerlei interessante Dinge, doch wenn im Frühjahr die Sonne durch die Fenster warm hereinflutete,und wir den herben Duft der aufblühenden Kastanienbäume atmeten, waren uns sowohl die Kathetensätze, der Dreißgjährige Krieg oder die asexuelle Vermehrung der Amöben durch Zellteilung völlig egal. Unsre unruhigen Seelen wurden in etwas Unfassbares hineingespült, dass von uns nicht genau eingeordnet werden konnte, uns aber in einen Zustand von anhaltender Nervosität versetzte und unsre Emotionen tanzen ließ. Vom Hörensagen und aus Filmen wussten wir natürlich, was da alles an Gutem und Bekömmlichen ablaufen kann, auch wenn die Begleitgeräusche dazu nicht immer einladend waren.
Von unsrem Religionslehrer erfuhren wir vieles, was wir nach dem Motto "Du sollst nicht ...!" eben nicht tun sollten. Das nahmen wir zur Kenntnis, forschten aber wissbegierig weiter, ob wir nicht vielleicht auch etwas tun mussten! So stießen wir unmittelbar nach dem Schöpfungsakt auf das Gebot Gottes, fruchtbar zu sein und uns zu mehren!
Halleluja, Kurti, endlich etwas Erlaubtes und - Machbares! Dachte ich, denn um Träume in die Tat umsetzen wollen ist eins - das 'Gewusst wie' etwas ganz anders!
In meiner nächsten Nachbarschaft begegnte mir des Öfteren Edith, ein sehr junges, sehr herziges, sehr 13-jähriges Mädel, das mich immer anlächelte, wenn sie ihre jungen Hüften an mir vorbeiwedeln ließ. Wie jeder wohlerzogene Bub wurde auch ich jedesmal feuerrot beim Anblick dieses mäandernden Leckerbissens, doch traute ich micht nicht, ihm ein Zeichen meines Wohlgefallens entgegenflattern zu lassen. In einem Film hatte Don Juan verlauten lassen, dass man die Frauen erst völlig ingnorieren müsse, um hernach bombigen Erfolg zu verbuchen.
Nun, dachte ich, der muss es ja wissen - und ignorierte Edith einige Tage lang. Bloß als sie mich dann auch nicht mehr beachtete, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, ging bei unsrer nächsten Begegnung direkt auf sie zu und fragte, ob sie Lust hätte, mit mir spazieren zu gehen. Ihr sofortiges, freudiges "Jaa!" hätte mich beinahe umgehaut. Als wir so fürbass wandelten , bemerkte ich, dass Edith mich mehr und in Richtung Harteneckpark abdrängte. Mir wurde zwar schummerig in der Birne, doch wollte ich sie nicht vor den hübschen Kopf stoßen, und ging herzklopfend mit.
Im Park steuerte sie zielsicher auf eine etwas verborgene Bank zu, lächelte mich himmlisch an und setzte sich. Schüchtern nahm ich neben ihr Platz, anscheinend etwas zu weit, denn sie rückte sofort dicht an mich heran. Und dann saßen wir, und saßen, uns es dämmerte, und es wurde dunkler und dunkler. Da kam mir unerwartet das Firmament zu Hilfe.
"Sieh nur, wie schön die Sterne funkeln?" Edith nickte. Und dann saßen wir wieder ...
"Und auch der Mond leuchtet so schön!", erweiterte ich meinen Monolog um eine romantische Nuance. Edith nickt wieder, etwas kürzer. Und dann stellte ich die dümmste Frage des Abends:
"Frierst du?" Es war einer der heißesten Sommerabende, und es herrschten immer noch 30 Grad im Dunkeln. Edith schüttelte den Kopf, das die Zöpfe flogen.
"Neeein!"
"Bist du sicher?", setzte ich nach.
"Ich muss jetzt gehen!" Stand auf und verschwand in der Dunkelheit.
'Na ja', dachte ich nachsichtig, 'sie ist halt noch viel zu jung. Eigentlich hätte sie doch merken müssen, dass ich sie küssen wollte!'
Kurt Binder
schrieb am 01.11.2020, 09:29 Uhr
Kulinarisches (1972)

Schmeichelnd wehn um meine Nüstern
aus dem Teller Düfte her,
mit dem Löffel kost ich lüstern,
was heut wohl zu mampfen wär.
„Schatz“, so sage ich bombastisch
meiner lieben Ehefrau,
„diese Suppe ist phantastisch;
ich erschmeck das ganz genau!“
Stolz ob dieses Lobgesanges
wühlt sie in dem Suppentopf;
der Erfolg des ersten Ganges
rötet ihren hübschen Kopf.

Dienstag dampft in der Terrine -
ich trau meinen Augen kaum -
resch paniert in Margarine
Aal, schön knusprig anzuschaun.
„Sapperlot, ich muss schon sagen“,
flachse ich in heiterm Ton,
„dies ist Balsam für den Magen -
bitte noch eine Portion!“
Nach dem Essen kehrt sie singend
auf die Gräten unterm Tisch,
und fragt mich beinahe zwingend:
„Schatz, wann wünscht du wieder Fisch?“

Mittwochs lockt zu meiner Freude
Kaiserschmarrn, mein Leibgericht,
und wir futtern alle beide
bis der Fraß im Halse sticht.

Und am Donnerstag, o Wonne,
einen Nudelauflauf gar;
ihr Gesicht strahlt wie die Sonne,
lobend streichle ich ihr Haar.

Freitag glänzen Pfannekuchen
wie sie in dem Buche stehn.
Danach muss ich sie ersuchen
mir beim Aufstehn beizustehn.

Samstag ist es, Wochenende;
schnuppernd trete ich herein -
Donner - als besondre Spende:
Lämmchenfleisch mit Apfelwein.
Und ich denke unterdessen:
„War es wochentags so fein,
wird gewiss das Sonntagsessen
selbst Lukullus würdig sein.“

In dem Zimmer sieben Düfte -
Meine Frau, erwartungsvoll,
stemmt die Fäustchen in die Hüfte,
fragt, ob sie servieren soll?
In der Schüssel sieben Nuancen
drohen in gesottner Ruh,
dampfen, schimmern ölig, tanzen -
Frauchen sieht sehr wartend zu.

Und so tauche ich den langen
Löffel in die Brühe ein,
doch ich merk mit leisem Bangen:
Riecht die nicht nach Apfelwein?
Trotzdem wühl ich in Spiralen
in dem rätselhaften Brei;
halt - schwamm da nicht Fleisch von Aalen
unter meinem Blick vorbei?
Hier, auch Nudeln, wirbelnd, kreisend,
zeugen von vergangner Pracht.
Oh, wie hat, den Auflauf speisend,
einst mein Mund dazu gelacht.
Kaiserschmarrn und Lämmchenbraten
in vertrauter Harmonie -
danach nur noch Rätselraten,
ob der bunten Szenerie.

Und bevor ich mich bediene
sag ich mit gekapptem Mut:
„Dies Gericht in der Terrine
schmeckt gewiß ganz sündhaft gut.“
„Freilich“, strahlt die Allerbeste,
„weil es dir so gut geschmeckt,
hab ich täglich alle Reste
aufbewahrt und zugedeckt.
Heut am Sonntag hab ich diese
in den großen Topf gestürzt,
und hernach mit einer Prise
Dill, Muskat und Zimt gewürzt.“

Sieben Tränen lass ich fließen,
siebenmal küss ich ma chèrie,
und empfehl mein Leben diesem
Wochenrückschaupotpourri.














Lybelle
schrieb am 01.11.2020, 10:43 Uhr
Kurt, das ist wieder mal gigantisch, wie Du dass so nur hinkriegst. Donnerwetter, alle Hochachtung. 👍
Michael5
schrieb am 01.11.2020, 10:45 Uhr
Köstlich, Kurt! Nicht nur das Essen. Ich musste es zweimal lesen, um die ganze Würze herauszuschmecken. Für heute hilft es mir wenig, da ich keine Reste aufbewahrt habe, aber nächsten Sonntag, da gibt es eine Überraschung für meine Frau...
Lybelle
schrieb am 03.11.2020, 15:12 Uhr
Wenn ich noch einmal 18 wär

Wenn ich noch einmal 18 wär
So jung und frisch, dem ganzen Flair
Ganz ungezwungen und ganz frei
Der Liebe sich zu öffnen wie im Mai

Ich Würd mein Herz wieder verschenken
Und ewig an die Eine denken
So unbeschwert und unbekümmert
Dem Leben ich entgegen stürmet

Weit weg auch noch das Militär
Wenn ich noch einmal 18 wär.
Doch rasend schnell ging Alles dann
Und ehe ich mich besann

Gemustert und gelistet
Ging's gottseidank befristet
Ans andre End der Welt
Mann wurde plötzlich einbestellt

Und ohne viel zu fragen
Ward all dass zu ertragen
Was man von früher wusste
Es Alltag werden musste.

Die Zeiten sind nun längst vorbei
Erinnerungen blieben 1, 2, drei.
Es blieb von Allem nur der Flair
Ach, wenn ich nochmals 18 wär.



Kurt Binder
schrieb am 05.11.2020, 08:26 Uhr
Wenn die Erinnerungen schweifen, lieber Sepp, wie Du das locker und cool offenbarst, dann stößt man auf viele verflossene Lebenslagen, auf die man teils mit Sehnsucht, teils mit Unbehagen zurückblickt. Doch genau diese Alternanz von ständig wechselnden Szenen mit sehr verschiedenen Vorzeichen stärken uns, und bewirken, dass unser Leben niemals langweilig ist!
Ich wünschte, im Forum künftig mehr solcher Rückblicke lesen zu können, enthalten sie doch oft Schnittmengen mit unsrem eigenen Leben!
Kurt Binder
schrieb am 10.11.2020, 16:16 Uhr
Oh, diese Kollegen! (1)

Es war die Zeit, als ich nach einer zweijährigen Umschulung vom Realschullehrer zum Maschinenbau-Konstrukteur ausgebildet wurde. Das Glück wollte es, dass ich nach diesem im reifen Alter von 50 Jahren ausgeführten Kraftakt einen Job in meinem Wohnort bekam.
Der Chef empfing mich und geleitete mich in das Konstuktionsbüro. Beim Eintritt starrten mir die üblichen, von mehr oder weniger Interesse an dem Neuen geprägt entgegen. Ich stellte nach einem schnellen Rundblick mit Behagen fest, dass die Physiognomien der beachtlichen Damenwelt des Technischen Büros mir etwas mehr Neugier und Wärme entgegenwehten, als die künftigen männlichen Kollegen.
Nachdem ich nach der persönlichen Vorstellung jedes einzelnen alle 25 teils gemurmelten, teils gezwitscherten Namen vergessen hatte, wies mir der Chef meinen Arbeitsplatz zu. Ich richtete mich auch gleich ein. Von Zeit zu Zeit guckte der eine oder die andere hinter ihren Zeichenbrettern neugierig zu dem alten Neuen herüber - ich war nämlich der Älteste hier! Nach und nach entwickelte sich zwischen meinen Kollegen und mir ein durchaus verträgliches, überwiegend freundschaftliches Verhältnis.
Nun, dies war der Rahmen für mehrere komische bis schräge Begebenheiten aus meiner 14-jährigen beruflichen Tätigkeit in dieser Firma. Sie rechtfertigen alle den auf der Welle eines mühsam unterdrückten, kopfschüttelnden Stoßseufzers getragenen Titel!

Kollege Dietrich Möss schwang den Bleistift dicht neben mir. Als er von unsrer Deutschlandwanderung von Norden nach Süden auf dem Europäischen Fernwanderweg E1 hörte, den ich ich mit meiner Frau Erika in unsren Urlauben bewanderte, fragte er verwundert:
"Mensch Kurt, warum fahrt ihr nicht mit dem Fahrrad? Das geht doch viel schneller!" Noch nie in meinem Leben hatte ich die Maxime "Der Weg ist das Ziel" emotionaler in meine Antwort eingesetzt, wie in diesem Fall.
Kollege Sattler hörte sehr interessiert zu, als ich auf Wunsch einiger Kollegen von unsren Reisen durch Skandinavien mit dem Wohnmobil erzählte. Wir hatten da mehrere Gebirgswanderungen gemacht, und waren schließlich nach drei Wochen auf dem Nordkap angekommen. Sattler erkundigte sich nach der gesamten Weglänge von hier bis zum Nordkap. Dann rechnete er etwas auf seinem Taschenrechner - und nickte zufrieden. Wenige Tage später kam er nicht ins Büro. Wir erfuhren, dass er zwei Wochen Urlaub genommen hätte.
Als er wieder im TB erschien, strahlte er uns schon von der Eingangstür entgegen - und kam stracks auf mich zu. Natürlich bestürmten wir ihn neugierig, was er im Urlaub so erlebt hätte. Und dann erfuhren wir das Unglaubliche:
Fridolin Sattler war auf dem Nordkap! War doch der Kerl tatsächlich die Strecke von über 3300 km in 10 Tagen beinahe nonstop über die E4 durch die herrlichen, nordischen Landschaften Schwedens und Finnlands nach Norwegen direkt zum Kap und wieder zurückgedüst - dazwischen nichts, nur gefahren! Nun, unser Fridolin hatte mit diesem Bravourstück dem Weg als Ziel eine etwas verwirrende Bedeutung verliehen.
Kurt Binder
schrieb am 17.11.2020, 08:39 Uhr
Oh, diese Kollegen! (2)
Rache tropfenweise

In unsrer Firma gab es auch eine Kantine, in der uns Frau Henne mit einer Küchenhilfe mehrere Menüs anbieten konnte. Einmal bestellte ich eine Bohnensuppe mit Würstchen. Bevor ich zu essen begann, ging ich kurz hinaus. Als ich zurückkam, bemerkte ich, dass sich meine Tischnachbarn ziemlich merkwürdig verhielten. Es war eine Mischung aus gespannter Erwartung, spütbarer Verlegenheit, unterdrückter Heiterkeit und peinlichem Dabeiseinmüssen, das sich in ihren verkrampften Gesichtern vergeblich bemühte, unentdeckt zu bleiben.
“Was solls", dachte ich, setzte mich und begann meine Suppe zu schlürfen. Doch schon nach den ersten zwei Löffeln war das Rätsel gelöst, und nur mit größter Mühe gelang es mir, mich nicht als Kandidat für den Talentwettbewerb: 'Die Firma sucht den Superstar im Grimassenschneiden' qualifizieren zu müssen. Mein sympathischer Kollege Hermann Zatty hatte mir nämlich einen Esslöffel voll Chili in die Suppe versenkt, natürlich in der freundschaftlichen Absicht, diese etwas aus der Banalität des üblichen Kantinenfraßes herauszuheben – was ihm auch voll gelungen war.
Mein erster Gedanke war: „Verdammt nochmal, verdammt nochmal ...“. Doch ich ließ mir nichts anmerken, tauchte Löfel um Löffel in die Lava, und bemühte mich gekonnt, bei jedem Schluck nicht um Hilfe zu schreien, während in meinem Nacken der Angstschweiß eines zu Tode Gefolterten ins Hemd stürzte. Für einen Fakir hätte dieser Höllensud sicher nur als Dessert gereicht. Die Visagen meiner Kollegen hatten mehr und mehr aus ihrer vorherigen, sehr diffenzierten Mimik eine einheitliche Prägung angenommen: Sie glotzten mich mit maßlosem Erstaunen ungläubig an, und als ich scheinheilig fragte: „Ist alles in Ordnung?“, da nickten sie verlegen im Chor, und aßen weiter, wobei sie hie und da zu mir herüberschielten.
Nach dem Essen hatte ich dann meine Innereien eimerweise mit Wasser geflutet - und Hermann grausame Rache geschworen. Er war nämlich Alkoholiker, und ich wusste rein zufällig, in welcher Schublade sein Flachmann auf den nächsten Kuss wartete! Doch die Neigier ließ ihm keine Ruhe. Zwei Tage später kam er zu mir und fragte:
“Du Kurt, sag mal – ist dir an der Suppe wirklich nichts aufgefallen?“ Ich mimte ein angestrengtes Nachdenken.
“Nee – sollte es?" Feuerrot gestand er mir seine Schandtat.
"Ach, daas? Hab ich nicht bemerkt! Weißt du, in Rumänien haben wir die roten Peperoni als Zahnstocher benutzt, und uns damit in der Nase gebohrt!“ Hermann lächelte verlegen - und ging stracks zu der besagten Schublade. Den 40%igen Cognac in seinen Flachmann hatte ich gestern nach Feierabend vorsorglich mit der dreifachen Menge schnellstwirkender Abführ-Tropfen verdünnt. Ursprünglich hatte ich etwas schmackhafteres vor, aber da hat meine gut bürgerliche Erziehung im entscheidenden Augenblick kategorisch ihr „Veto“ eingelegt!
Maikind
schrieb am 21.11.2020, 06:40 Uhr
Altes Haus!!
kein Wunder, dass sich die Leserzahlen steil nach oben bewegen!!

Liebe Lybelle, lieber Kurt
danke dass wir eure Texte lesen dürfen!
Maikind
schrieb am 21.11.2020, 07:38 Uhr
Spontan erinnere ich mich an die Impfmaßnahmen in der Schule.
Das war ein Greuel und Stressmoment ohne Gleichen fürdie meisten Mitschüler.

Drei Impfungen im Kleinkindalter als die Impfschwester ins Haus kam und ich erstmal unwillig auf dem Bett herumsprang bis ich endlich eingefangen und geimpft werden konnte (jedenfalls ist das in meinem kindlichen Gedächtnis so hängen geblieben 😀) haben vielleicht diese Angstzustände zusätzlich ausgelöst. Jedenfalls war ich nicht allein mit meiner Pein.

Das Klirren der Impfinstrumente auf dem Katheder des Klassenzimmers mit geschlossener Tür, hat schon den Angstschweiss ausgelöst, die anschließende Geruchsausbreitung des Spiritus hat das Blut vom Kopf in die Füße gedrückt und manche sogar zur Ohnmacht oder Tränenausbruch verleitet.

Die Scham trotz des zarten Alters hat keinen interessiert, und so manchen, der in der Hektik und Stresssituation die Hose ganz runtergestreift hat wurde zum Klassenclown befördert.

Mann-oh-Mann Gottseidank gut überstanden!! 😊
Kurt Binder
schrieb am 25.11.2020, 08:39 Uhr
Oh ja, zum Glück haben wir alle diese Massen-Pickserei gut überstanden - ein Glück auch für unsre Leser, sonst könnten sie sich unsre Köstlichkeiten im Forum beim Kaffee an Stelle der Morgenzeitung nicht zu Gemüte führen ;-) ;-) ;-) !

War immer recht unangenehm, dieser Gang zum Schafott, besonders wenn durch die Lobby dieser gesundheitserhaltenden Maßnahmen die an sich recht harmlose Exekutive in Ton und Erscheinungsform bedrohlicher angekündigt wurde, als sie es eigentlich war!

Hoffen wir, dass es im Falle des Falles nicht in die Hose geht!!
Lybelle
schrieb am 25.11.2020, 18:27 Uhr
Tja, nun weiß ich auch woher der kalte Schweißausbruch kommt wenn ich eine Spritze sehe🙄🙄🙄. Damals wurden die Nadeln sterilisiert, und dass nicht wenige Male. Die waren so Stumpf dass der Einstich viel weher tat als die Injektion. Hab gestern den letzten Weisheitszahn raus bekommen, ausser ein kleiner Schweiß Ausbruch war Alles harmlos😁😁😁. Sogar die Spritzen waren schmerzlos😆😆😆. Aber als Kinder waren wir ganz mutig, man konnte ja nicht einfach so mädchenhaft sein, wurde uns Jungs vorgegaukelt. Obwohl eine große Portion Bammel immer anwesend war😇😇😇. Aber in der heutigen Zeit darf Mann sehr wohl sagen wenn er Bammel hat. Es soll sogar sehr männlich sein Gefühle und Ängste zu haben 🤔🤔🤔.
Allerdings werde ich sicher bei keiner Massenimpferei mehr mitmachen 🤣🤣🤣🤣🤣.
Kurt Binder
schrieb am 26.11.2020, 09:30 Uhr
Oh, diese Kollegen (3)
Motten Plage

Kollege Manfred Schraishuhn kam an meinen Schteibtisch und fragte:
“Kurt, du kommst ja aus Rumänien, nicht wahr?“ Ich bejahte, gespannt, was er von mir wolle.
“Nun, ich hab vor, eine Gruppenfahrt dahin zu machen. Könntest du mir ein paar Tipps geben, was ich dort beachten sollte, oder mich über ein paar Eigenheiten der Eingeborenen unterrichten?“
“Manfred“, entgegnete ich leicht ungehalten, "wie du ja selbst gesagt hast, gehöre ich auch zu diesen ‚Eingeborenen', wie du sie nennst!" Er schien sich des Fettnäpfchens sofort bewusst zu werden.
“Entschuldige“, sagte er hastig, „wollte dich nicht beleidigen!"
"Okay, vergiss es. Nun, da wäre schon manches zu beachten, was dort völlig anders abläuft, als hier bei uns!" Er sah mich gespannt an, und ich wollte fortfahren, obwohl mir auf Anhieb kaum etwas einfiel. Ach ja ...
“Also, pass auf!”, eröffnete ich den Lehrgang ‚Wie verhalte ich mich in Rumänien’. „Da gibt es beim Einkaufen eine Regel, die man beachten sollte, wenn man nicht als Geizhals schief angesehen werden will!"
“Und welche ist das?"
"Wenn du beim Zahlen an der Kasse einen größeren Schein hingelegt hast, wird dir das Restgeld zum größten Teil zurückgezahlt! Wenn nur noch 1 Leu oder 50 Bani fehlen, ist die Kassierin meist so müde, dass sie eine Pause einlegen muss, oder sie wühlt endlos im Kleingeld der Kasse und blickt dich erwartungsvoll lächelnd an!“
“Du meinst, dann sollte ich geduldig warten, bis ich die 50 Bani bekommen hab?"
“Oh nein, dann ist es üblich, dass man mit der Hand eine wegwerfende Bewegung macht und so lässig wie möglich ‚lăsaţi' sagt."
"Und was heißt das?"
"Das heißt 'Ist schon gut – lassen Sie nur!’
“Und – darüber freut sich die Kassierin?" Kopfnicken.
“Meinst du etwa so: ‚Lasaaatz!“" Dabei fügte er der weggeworfenen Hand in eigener Regie einen koketten, ebenso weggeschmissenen Hüftschwung hinzu, was bei seiner Korpulenz gerdezu sexy herüberkam. Ich war begeistert.
“Also - mit dieser Darbietung bezirzt du garantiert jede Kassierin!"
“Und dann nehme ich die restlichen 50 Bani und gehe?“
“Nein, dann läßt du die restlichen 50 Bani liegen – und gehst!“ Manfreds Blick teilte mir offen mit, dass er nur Bahnhof vestanden hatte.
“Das ist so eine Art Trinkgeld, weißt du – das macht man halt so dort!“
“Also – beim Einkaufen die restlichen 50 Bani ignorieren!“ Er hatte kapiert, doch schien ihn noch etwas zu beschäftigen.
“Weißt du, was ‚Bist a Motte’ bedeutet?“, erkundigte er sich. „Ich hab das oft gehört, immer wenn sich zwei gestritten haben.“. Ojeh – wie sollte ich ihm das bloß übersetzen? Ich begann einfach, drauflos zu flunkern.
“Na ja, die Motte ist in alten, rumänischen Legenden sowas wie ein Friedensbote, und man will damit ausdrücken, dass alles in Ordnung ist und man dem amdern vergibt!“ Manfred nickte verstehend.
“Und das wird auch im Restaurant so gemacht!“, rundete ich sein Wissen über Gepflogenheiten in Rumänien ab.

Nach seinem Urlaub kam er stracks zu mir, ziemlich verärgert, wie mir schien.
“Da hast du mich aber schön reingelegt!“, fauchte er mich an. „Von wegen ‚Motte als Friedensbotel'“! Und er berichtete, dass er alles befolgt hat, wie ich es ihm geraten hatte. Bloß hat der Unglückswurm im Restaurant nicht die 50 Bani Restgeld von Seiten der Kellnerin mit seinem einstudierten ‚lăsaţi' ignoriert, sondern die, welche er ihr noch schuldete!
“Da haben sie mich hinausgeschmissen!“, schloss er gekränkt. „Doch hat es der Kellnerin Leid getan, denn im Weggehen hat sie doch leise die Friedensformel mit der Motte gemurmelt!“
Kurt Binder
schrieb am 03.12.2020, 10:07 Uhr
Erinnerungen eine Quartaners vom Knabengymnsium in Hermannstadt, anno 1948

Das Tierstimmenkonzert

An diesem Mittwoch geschah etwas, das uns noch lange Zeit in Erinnerung bleiben sollte. Es war kurz vor Mittag, und wir hatten nur noch eine Stunde zu überstehen. Das war an sich nicht viel, bloß handelte es sich um eine Rumänischstunde - ein Fach, das ungefähr in der Mitte unsres Interessenbereichs lag. Die Sprache an sich beherrschten wir ja alle, und die kleinen Ausflüge in die umfangreiche rumänische Literatur waren oft fesselnd und interessant. Bloß die Grammatik war etwas schwer verdaulich. Und genau um solch einen Leckerbissen ging es in dieser letzten Stunde!
Frau Professorin Ilse Malkovic betrat die Klasse und lächelte vielsagend. Sie ging zum Katheder und schlug den Katalog langsam auf. Nach der üblichen Kontrolle unserer leiblichen Präsenz war es dann so weit, und Bela Horvath wurde als erstes Opfer aufgerufen. Er erhob sich langsam und sah sich erst mal in der Klasse um, ob vielleicht ein Klassenfreund durch Augenzwinkern oder mit einer Handbewegung seine Bereitschaft zur rettenden Hilfeleistung kundtat - sprich: zu flüstern!
„Horvath“, forderte also Frau Malkovic den blonden, schlaksigen Bela auf, „nenn mir ein unregelmäßiges Verb!“ Belas Antwort kam prompt:
„A învăţa!“ „Lernen!“
„Leider falsch, Horvath; sag mir ein anderes!“
„ A fugi!“ „Laufen!“
„Wieder falsch. Denk doch erst ein bisschen nach!“ Bela errötete. Er wusste, dass er nichts wusste, und sah sich ratlos um. Doch keiner von uns schien heute auch nur die entfernteste Ahnung zu haben. Als dann auch noch zwei weitere Versuche, einen Zufallstreffer zu landen, total fehlschlugen, musste Bela Horvath heute mit einer Vier vorlieb nehmen. Laut murrend setzte er sich. Und siehe da, diese Äußerung seines Unmuts hatte eine unerwartete Signalwirkung!
Als Erster griff Felix Jurtschak Belas deutlich vernehmbares Murren auf, und ergänzte es grinsend mit einem lauten Muhen. Oswald Wächter, ansonsten ein ernster Junge, ließ sich nicht lumpen und muhte nun ebenfalls. Und damit es nicht so tierisch langweilig klänge, muhte er eine Terz höher. Erwin spitzte die Ohren, und da er sehr musikalisch war, schloss er sich sofort mit einer Quint an.
Nun, dieser Dreiklang war von solch einer vollkommenen Harmonie, dass auch die weniger musikalischen Schüler nicht zurückstehen wollten. Und weil die Rindviecher bereits dreifach vertreten waren, ließ Ernst Mühsam einen Dackel loskläffen:
„Hau hau hau ...“, während Karlusch dem kleinen Krummbeiner mit einem tiefen „Wuff wuff ... wauu ... wuff!“ den Rücken stärkte.
Frau Malkovics Lächeln war bereits verschwanden, als die ersten tierisch echten Laute erklangen. Sie ließ einen gestrengen Blick über unsre Köpfe gleiten, konnte aber nicht erkennen, wer nun der Ochse, die Kuh oder der Bernhardiner war, denn im selben Augenblick trat Totenstille ein. Doch kaum hatte sie den Kopf wieder gesenkt, um im Katalog ein weiteres Opfer zu ermitteln, schwebte eine leises, klägliches „Miauu“ durch den Raum, zu dem sich fast gleichzeitig ein bunter Gockelhahn mit einem markdurchdringenden „Kickeri-kiiie!“ gesellte. Und dann, nach dieser etwas schüchternen Ouvertüre ging es erst richtig los, und in wenigen Sekunden formierten sich unsre einzelnen, spontanen Bemühungen zur Lockerung der Pennälerstarre zu einem gewaltigen Chorus.
Ermutigt durch die Initiativen Ernsts, Karluschs und des Hornviehs wurde das Miauen der Mieze nun entschlossen von dem lyrischen „Mäh määh ... böäh!“ übernommen, das Hans unnachahmlich blökte, und an Qualität nur noch von dem Quieken eines Mutterschweins überboten wurde, dem es gelang, seinen schrillen Beitrag bis zum Falsett hin zu steigern. Fast gleichzeitig wurde von Horst der Rhythmus gekonnt eingebracht, dessen „Kod kod kodaaah!“ als akustischer Taktstock die anfangs wahl- und ziellosen Einzelbemühungen auf Anhieb in einen homogenen, wohltönenden Klangkörper verwandelte.
Die gesanglich weniger begabten Freunde, welche an der Darbietung dennoch mitwirken wollten, ließen im Überschwang der Begeisterung das schwenkbare Pult einfach auf und nieder klappen, was der Rhythmik natürlich einen weiteren stimulierenden Impuls verlieh.
Eine wahre Glanzleistung aber brachte ein Esel namens Fredi, der mit seinem schaurig dissonanten „I ah ... ie aah!“ die Teufelsquart in das Getümmel mischte, und diesem so eine herbere Nuance verlieh. Dazu passte vorzüglich mein auf- und abschwellendes Wolfsgeheul „Uuuh ... uaauuh!“, das ich mit Inbrunst in den Raum schallen ließ. Erich versuchte sich als edles Ross, doch war er leider schon im Stimmbruch, so dass sein gutgemeintes Gewieher in einem erbarmungswürdigen Krächzen und Gurgeln endete, und sein Banknachbar Edwin ihm entsetzt mit der Hand den Mund zuhielt.
Auch Ricky wollte nicht zurückstehen, doch da ihm im Moment keine Kreatur einfiel, versuchte er es mit der Basstuba. Und das war unser Verhängnis, denn seine mit vibrierenden Lippen hervorgepressten atonalen Töne klangen verblüffend lautgleich mit etwas, das man aus mehreren Gründen in keiner Schulstunde vom Stapel lassen sollte!
Frau Malkovic hatte unsere spontane Sinfonie regungslos bis zum Einsetzen von Rickys sprudelndem Brummer verfolgt. In ihrer ausdruckslosen Miene war weder Begeisterung noch Entsetzen zu erkennen. Sie verließ wortlos das Klassenzimmer, und kehrte nach zwei Minuten mit unserem Klassenlehrer zurück.
Nach einem kurzen Verhör, in dessen Verlauf Professor Steiner sich bemühte, die Schuldigen zu ermitteln, belehrte er uns an Hand mehrerer Watschen um unsere hochroten Ohren, dass zwischen einem harmlosen Schülerwitz und einer derartigen, mit Obszönitäten garnierten Unverschämtheit ein himmelhoher Unterschied sei! Dies hatten wir dann auch alle im wahrsten Sinn des Wortes - auf Anhieb kapiert!
Tarimona
schrieb am 06.12.2020, 09:58 Uhr
Ha, ha, ha Kurt, welch wundersames Tierkonzert mit dröhnendem Finale. Köstlich!

Das Haus duftet nach Weinachtsplätzchen und wie das mit Düften so ist, es werden Erinnerungen wach. Ich wünsche euch allen einen friedvollen 2. Advent.

Schlüssellochdurchblicke

Als Kind, das Alter spielt in diesem Falle nicht wirklich eine Rolle, hatten Schlüssellöcher im wahrsten Sinne des Wortes eine Schlüsselfunktion. Es war eher die Körpergröße die hier das Zünglein an der Waage spielte. Und zwar eine Augenhöhe mit dem Schlüsselloch. Ein durchschnittliches Schlüsselloch befindet sich so ca. 100 cm über dem Boden.
Hatte man endlich die richtige Größe erreicht, eröffnete sich einem eine magische Welt. Verschlossene Türen verloren ihre ausschließende Wirkung - reichte es doch ein Auge ans Schlüsselloch zu legen und.... aber davon später.
Es gab wenig abgeschlossene Türen in meiner Kindheit und dennoch existierte ein ungeschriebenes Gesetz, wann bestimmte Räume nicht betreten werden durften. Das war in den Morgenstunden vor 7:00 Uhr, mittags zwischen 13:00 und 14:30 und abends nach 21:00 Uhr.

Nicht das dies zu einem echten kindlichen Problem wurde. Nein - hier agierte man einfach nach kindlicher Logik. Ich darf nicht ins Zimmer - dann finde ich eben einen Weg, wie dieses Zimmer zu mir kommt. Und dieser Weg war das Schlüsselloch. Welch wunderbare Reise man hier antrat. Alles war still. Auf leisen Sohlen schlich ich mich an die geschlossene Zimmertüre heran, presste ein Auge vorsichtig an das Schlüsselloch, in Erwartung der wunderbarsten und der wunderlichsten Dinge, die man da zu sehen bekommen würde.

Und in der Tat, ich wurde nie enttäuscht. Da lag meine Mutter im Arm meines Vaters und lächelte im Schlaf. Ich liebte dieses Lächeln und konnte mich kaum satt sehen? Selig trottete ich schließlich von dannen.

Das nächste Zimmer zur Mittagszeit. Wieder schlich ich leise heran, presste mein Auge ans Schlüsselloch. Da saß meine Oma im Schaukelstuhl, die Augen geschlossen und mein Opa saß auf einem Fußbänkchen und las ihr Balladen von Goethe vor.

Ich stand ganz still und andächtig da und lauschte - als würden hier die Geheimnisse des Universums verraten:
" Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Land die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin!
Möcht' ich mit dir, o meine Geliebte ziehn." (diese Zeile wandelte Opa ab)

Und die Stimme meines Großvaters wehte den sanften Wind vor meine Nase und tief atmete ich den Zitronenduft ein.

In der Weihnachtszeit hatten Schlüssellöcher noch eine weit größere Bedeutung. Wir wussten alle, dass auch nur ein einziger Blick da durch, die ganze Magie zerstören würde. Immer wieder schlich ich an der geschlossenen Zimmertüre vorbei. Ich hörte meine Eltern lachen, hörte Opa auf der Gitarre klimpern, meine Oma leise trällern und manchmal fühlte ich mich so verlassen und ausgeschlossen.

Tief in mir wusste ich aber, dass dort drinnen der größte Zauber stattfand. Keine bösen Worte, keine lauten Stimmen waren zu hören und so senkte sich ganz langsam Friede in mein kindliches Herz und eine freudige Erwartung bemächtigte sich seiner.
Dann hielt ich die Nase an das Schlüsselloch, das Auge verbot ich mir, und ich wusste sofort - dort drinnen war jenes Land wo im dunklen Laub die Goldorangen glühn. Es würde noch ein kleines Weilchen dauern, aber dann durfte ich auch dorthin und würde eine pflücken.

Und so lange wollte ich gerne warten und den Klang des Zaubers vorerst durch das Schlüsselloch genießen.

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