Quergereimt - Quatsch mit Würze

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Michael5
schrieb am 24.03.2021, 10:18 Uhr
Da das Herr Pütz viel netter fand,
flog er auch gleich noch außer Land,
zog schnell die Badehose an,
setzt sich zur Tussi nebenan,
genoss die Sonne an Palmas Strand.

Nachdem mit Pussis er sie gespickt
und sich im Wasser mit ihr erquickt,
fragte Herr Pütz - er war ja recht schüchtern -
nach 3 Sangrias auch nicht mehr ganz nüchtern:
Verzeihung - hab` ich Sie nun gezwickt ?
Kurt Binder
schrieb am 24.03.2021, 15:36 Uhr
Genial, Michael, der Pützick, oder Dipütz. ein Hybrid aus einem Lustmolch und einem Wetterästheten – zum Kugeln!
Was hältst Du von diesem Motto für unsren künftigen Quatsch:

„ ... denn ein Leben ohne Quatsch,
ist wie 'n Regen ohne Matsch!"

Leider sind mir hierzu keine Anfangsverse eingefallen ;-(( !
Kurt Binder
schrieb am 30.03.2021, 09:59 Uhr
Die Definition des Quatsches liegt im Auge des Betrachters

Abenteuer Discounter


Am Wochenende stand ich wie gewöhnlich im Discounter mit vollbeladenem Einkaufswagen an der Kasse an. Hinter mir stand eine junge Frau, in deren Wagen bloß eine Petersilie lag. Ich überlegte kurz – dann blickte ich voll in ihr hübsches, ungeschminktes Gesicht. Sie war etwa 50 Jahre jung, ihr Outfit bemühte sich uptodate zu sein, wirkte aber recht ärmlich, um nicht zu sagen – zerschlissen.

Sie lächelte mich verlegen an – und das wars. Als notorischer Kavalier der alten Schule bot ich ihr an, vor mich zu kommen. Sie nickte mir zu, und hauchte ein kaum wahrnehmbares „Dankeschön, sehr freundlich". Dann trat sie vor mich, zahlte und ging hinaus, ohne mich noch einmal anzusehen. Zu meiner Überraschung wartete sie aber draußen auf mich.
“Sie haben sich zu mir wie ein Edelmann verhalten!“, erklärte sie mir, nun gar nicht mehr verlegen. „Sind Sie ein Adliger?“ Ich verneinte bedauernd, keiner zu sein.
“Nun, dann halten Sie sich fest: Ich bin nämlich - eine Prinzessin!“ Sie genoss sichtlich meine Verblüffung, denn sie sah überhaupt nicht wie eine solche aus, und trug weder ein Krönchen noch ein Diadem. Dann erzählte sie mir eine unglaubliche Geschichte.

In den Nachkriegsjahren der Besatzung Deutschlands habe ein entfernter Verwandter von Prinz Charles, der Sergeant Murphy bei einer alten Dame in einem Vorort von Münster in Quartier gewohnt. Mit Hilfe von Schokolade, gepaart mit seinem Charme war es ihm gelungen, diskreten Zutritt zu deren naiven Hausmädchen Thusnelda bewirken zu können. Nach einem besonders gelungenen Zutritt teilte ihm Thussi zu seiner Überraschung die frohe Botschaft mit, dass sie nun bald zu dritt sein werden. Die Freude überwältigte Murphy derart, dass er einen Jubelruf ausstieß, hinauslief – und sich leider verirrte, denn er fand nicht mehr zurück.
Die alte Dame meldete diesen sicher einmaligen Vorfall beim Obersten Gerichtshof. Um den Ruf des Königshauses nicht anzukratzen, wurde das Baby in spe intuitiv auf den königlichen Namen Victoria getauft, und ihm schon vor der Geburt ein Obdachlosen-Stipendium ausgehändigt. Und das habe ihr seither unter den Brücken der Nord-West-Zone immer die besten Plätze garantiert.
Ich staunte Brückenpfeiler, und das heiße Mitleid überwältigte mich. Da ich seit mehreren Jahren Witwer war, und allein in einem großen Haus logierte, bot ich Victoria an, zu mir zu ziehen, zwecks einer Art WG, was sie mit sichtlicher Freude annahm.
Der Einzug in die Gemächer meines Hauses erfolgte mit der Würde ihrer diagonal-transzedentalen Rösselsprung-Verwandschaft mit dem Königshaus. Es lief prächtig. Kochen konnte sie kaum, speiste aber dafür täglich Ham and Eggs oder Fish and Chips, und trank dazu Sherry mit Olive. Da ich keine Schokolade im Haus hatte, war schon der bloße Gedanke an eine Erweiterung unsrer WG bedingten Beziehung hirnrissig, obwohl Vicky mich in letzter Zeit des Öfteren verführerisch anlächelte.
Nun, da ja zwischen 50 und 88 Jahre nicht nur ein mathematischer Unterschied lag, und ich grundsätzlich a priori jedes Fiasko vermied, war auch diesmal ... auch dies ... mal ...
Ich lag bereits im Bett und löste Sudoku – da stand sie plötzlich in einem durchscheinenden Nachthemd im Türrahmen und lächelte verlegen. Ich glaubte es selbst nicht, aber im selben Augeblick fühlte ich mich wie ein 18jähriger – in jeder Hinsicht. Ich lächelte zurück, und schlug die Decke einladend zur Seite. Sofort strahlte Vicky wie der Abendstern, drehte sich um und lief zur Eingangstür. Zwei Minuten später stellte sie mir ein Individuum als einen alten Brücken-Freund vor, mit der Bitte ...

Sie lächelte mich also verlegen an – und das wars. Die Reihe war an mir, und ich rückte zur Kasse auf. Unglaublich, welche Spinnereien mir beim Anblick dieser hübschen Frau im ärmlichen Outfit durch den Kopf gegangen waren. Und hier mein dringender Rat:
Steht im Discounter bei der Kasse hinter dir eine hübsche, etwa 50jährige junge Frau, in deren Einkaufswagen bloß eine Petersilie liegt, lass sie um Himmels Willen nicht vortreten, denn es könnte eine obdachlose Prinzessin sein!
Kurt Binder
schrieb am 08.04.2021, 16:07 Uhr
Sehr vernünftig

Allabendlich bestellte stur
der Konrad einen Whisky pur,
und goss hernach das eiseskühle
Getränk verächtlich in die Spüle.

Der Barmann fragte ihn, wieso
er denn nicht süffle comme il faut
den guten Whisky on the Rocks,
wie‘s üblich sei sonst beim Gesocks?

Der Konni grinst ihm ins Gesicht.
„He, Mann, so dämlich bin ich nicht,
und lass mich auch von dir nicht linken!
Soll ich den Fusel etwa - trinken?“

Kurt Binder
schrieb am 17.04.2021, 09:02 Uhr
Das Gnu

Gelassen bummelte, so gegen zehn,
auf der Agora mitten in Athen,
zwar schnaubend, doch ansonsten lose,
ein junges Gnu - in einer Lederhose.

Die Leute all umringten es im Nu
und riefen bass erstaunt: „Nanu, nanu!“,
denn ein Exot, so fern von dem Zuhause,
der ist ganz sicher kein Kulturbanause.

Und mehr Passanten eilten schnell herzu,
begafften neugierig das kesse Gnu,
und unter den verschwitzten, bunten Hemden
wich bald die Scheu vorm mysteriösen Fremden.

Zuerst bat schüchtern es ein Bräutigam
für die Verlobte um ein Autogramm,
und eine blonde Schöne drängt’ partout
zum baldigen diskreten Rendezvous.

Drauf wollte von dem baff erstaunten Gnu
ein Journalist ein lives Interview,
mit einem Foto für die Titelseite,
denn seine Zeitung stünde vor der Pleite.

Und ein Geschäftsmann, der bot ihm sogar
ein wahrhaft astronom’sches Honorar,
wenn es mit ihm sofort nach München flöge -
natürlich nur, sofern es Weißwurst möge!

Vom Metzgermeister wolln wir gar nicht sprechen,
um Tierliebhabern nicht das Herz zu brechen;
dann folgten noch verschied'ne Angebote,
ein jegliches mit sehr charmanter Note.

Das Gnu hört’ ruhig auf jedes Argument,
und brummelte mit serengetischem Akzent:
„He, Leute, habt ihr wirklich in Athen
noch niemals eine Lederhos gesehn?“

Ja, was sagt man denn dazu?
Kurt Binder
schrieb am 25.04.2021, 08:43 Uhr
Heu-Schrecken

Ein Esel schleicht durch Hitze und durch Dürre,
und ist vor heißem Hunger schon halb irre.
Da hält er plötzlich an und schnuppert lüstern,
denn frischer Heuduft dringt in seine Nüstern.

Obwohl de facto müde und erschlafft,
treibt ihn das letzte Viertel Eselkraft
in jene Richtung hin, aus der die Schwaden
verführerisch zum Mittagfressen laden.

Schon sieht er sie, die hohen, grünen Raufen,
drei dampfend frische, trockne, leckere Haufen,
und torkelt hechelnd hastig auf sie los,
dann bremst er brüsk, und zwar derart virtuos,

dass hart ins Schlotterknie geht sein Gewicht,
denn ABS gibts ja für Esel nicht,
und landet nach dem letzten Stolperschritte
aufs Haar genau dazwischen - in der Mitte.

Doch jetzt, in dieser fünften Schicksals-Strophe,
Vers zwei, beginnt erst jene Katastrophe,
die jeden Esels Image so verkracht
und ihn zum Sprichwort-Deppen hat gemacht.

Denn plötzlich dringen Düfte, süß und fein,
von allen Seiten lockend auf ihn ein
vom frischen Heu, erreichbar ganz bequem -
doch da ergibt sich leider ein Problem.

Da alle drei den Hochgenuss verheißen,
fällt es ihm sichtlich schwer, sich zu befleißen,
sich diesen Schober, oder lieber jenen
zuerst zum Fressgelage vorzunehmen.

Sein Kopf der pendelt ratlos hin und her,
die Hufe werden langsam bleiern schwer,
und weil er unentschlossen nur gelungert,
ist er nach einem Jahr total verhungert.


Hier meine Meinung, quasi als Moral:
Verreißt auch dich einmal die Qual der Wahl,
dann rat ich dir, willst du kein Esel sein:
Vergiss das Heu - und hau dir ‘n Steak hinein!


Nun, ob Unentschlossenheit wirklich zu "Quatsch" gehört, überlasse ich eurer Beurteilung ;-)) !
Kurt Binder
schrieb am 04.05.2021, 10:27 Uhr
Mann kommt einfach nicht zur Ruhe
Ein Tag im Leben eines gestressten Rentners

Es beginnt ja schon am frühem Morgen. Kaum bin ich gestern Abend total kaputt ins Bett gefallen, muss ich heute schon um 9 Uhr wieder aufstehen, denn – das Frühstück wartet! Noch hundemüde von dem kaum 11-stündigen Schlaf brate ich mir ein paar Rühreier mit Speck in der Pfanne, und versuche, es mit Mühe hinter mich, bzw. in mich zu bringen.
Den Kaffee schlürfe ich, während ich die TV-Zeitschrift durchblättere, und mir für heute Abend einen intelligenten Horrorfilm heraussuche. Es sollten bloß nicht mehr als 7 Liter Kunstblut pro Zombie vergossen werden; man muss ja auch mal an die Umwelt denken. Die Dusche am Morgen ist auch nur eine lästige Episode in der Reihe der täglichen Pflichtübungen.
Damit hat der Stress aber erst begonnen, denn es ist ein warmer Tag, und draußen lacht die Sonne. Und da nach zwei Regentagen mein Vitamin-D-Bedarf polizeiwidrig unter den zulässigen Mindestpegel gefallen ist, muss ich mich mindestens ein halbes Stündchen in die Sonne legen – in der Badehose! Diesen leckeren Augenschmaus lassen sich meine drei verwitweten Nachbarinnen nicht entgehen, und schon bald tauchen hinter den jeweiligen Gartenzäunen ihre lächelnden, wohlwollend begutachtenden Gesichter wie Vollmonde auf – und aus ists mit der Ruhe.
Ein Blick auf die Uhr mahnt mich, ans Mittagessen zu denken. Da ich es mir heute einfach machen möchte, erwäge ich ein frugales Mahl: Ein mariniertes Steak mit Bratkartoffeln, Soße und Salat, dazu einen Kokeltaler Weiswein, und zum Dessert eine Hunklich. Ich nicke zufrieden - ja, das sollte reichen! Dann greife ich mir eine Konserve mit indonesischer Bihun-Suppe vom Regal, wärme sie im Mikrowellenherd, und lasse mir sowohl die Suppe, als auch das Bewusstsein meiner dadurch errungenen Zeit- und Arbeitsersparnis auf der Zunge zergehen. Darauf soll eigentlich eine geruhsame Mittagspause folgen, doch da fällt mir etwas Bedrückendes ein:
Der Mensch sollte sich gelegentlich auch ein wenig Kultur zu Gemüte führen. Dazu wähle ich heute die 9. Sinfonie „Aus der neuen Welt“ von Antonin Dvořák, das letzte sinfonische Werk des tschechischen Komponisten - ein weiterer Aufwand, der den Wunsch nach Ruhe in weite Ferne scheucht.
Doch nun ist es Zeit, den nach Ausbruch drängenden Phantasien ein Ventil zu öffnen. Dies ist wohl die einzige Tätigkeit, die mir spürbare Ruhe beschert, statt zu rauben. Ich starte also den PC, schreibe nach kurzer Überlegung den Titel: „Mann kommt nicht zur Ruhe“ – und lasse die nur allzu willigen Finger über die Tasten tanzen. So vergeht auch der Nachmittag.
Zu den Abendnachrichten fürchte ich nichts mehr als mein pausenloses, kraftraubendes Kopfschütteln über manche Themen, und die Art und Weise, wie diese kommentiert werden. Sowas raubt mir die letzte Ruhe! Nach den gerafften, sensationsgierigen Berichten über Naturkatastrophen, Terroranschläge, Protestdemos u. a. folgen verzweifelte Rufe nach mehr Transparenz zum Umgang mit Steuergeldern, Parteiengerangel im Parlament und ellenlange Personalfragen. Doch dann, quasi zum Gutmachen, endlich ein Lichtblick, welcher das Gestammel des täglich grüßenden Murmeltiers in Vergessenheit geraten läßt - ein Thema, nach dem gewiss Millionen Bundesbürger allabendlich lechzen:
Die Fußball-Bundesliga! Heute - das wohl wichtigste Ereignis des Jahres: Der Trainerwechsel von Schwulke 007 zu FC-Wadenkrampf – Ablösesumme: lasche 10 Millionen Euro. Von der Bedeutsamkeit dieses lebenswichtigen Ereignisses für die Nation, auf der Werteskala von 1 bis 10 - mit 15 eingestuft! Adieu, letzte Hoffnung auf Ruhe, und ich schalte angewidert ab.
Das Abendbrot verläuft ähnlich wie das Mittagessen. Der einzige Unterschied zwischen Vorhaben und Ausführung ist der, dass ich diesmal anstatt ... und ... und ... einer Milchreis-Konserve den Garaus mache. Doch nun dräut der Abendfilm, und seine Wahl eröffnet neue Strapazen. Ich bin jedoch hochzufrieden. Nachdem die Zombies die ganze Menschheit leergesaugt hatten, starben sie aus, weil sie nichts mehr zu fressen hatten. Zombies können zwar nicht sterben, weil sie schon tot, bzw. untot sind, aber das wurde im Skript locker ignoriert. Doch ist der Menschheit eine Chance geblieben – sonst könntet ihr diesen Quatsch jetzt nicht lesen.
Einem Pärchen ist es nämlich auf wundersame Weise dann doch gelungen, sich nach den 99 üblichen gefährlichen Zwischenfällen zu retten! Um das Publikum nicht lange auf die Folter zu spannen, vergeudeten die Beiden keine Zeit und – ab hier raffe ich das bekannte, streng Happy-End-orientierte Geschehen:
Blick, blick – funk, funk – knister, knister - näher kommen, näher kommen – knutsch, knutsch – und dann, ja dann ..., dann im Großformat ..., dann den Bildschirm füllende Detaills, natürlich nur um keine Zweifel ob der Virilität Adams, bzw. der Willig-tät Evas offen zu lassen, die humanoide Lebensform zum Leidwesen der Natur wieder aufforsten zu können! Und das farbensprühende Szenario ersäuft in einer die Sinne benebelnden süßen Musik, die das akkustische Finale aller bisherigen Liebesfilme zum Gassenhauer abwertet!. Somit wäre unsre heutige Existenz begründet und rechtfertigt – Halleluja!
Ach, du meine Güte, es ist 22 Uhr - schon wieder Zeit zum Schlafengehen! Da seht ihrs also - wie ich eingangs schon sagte: Mann kommt einfach nicht zur Ruhe!
Kurt Binder
schrieb am 12.05.2021, 08:43 Uhr
Diese Geschichte ist etwas lang geraten, aber nicht länger, als der Quatsch, der darin Orgien feiert ;-)) !


Frankenstein lebt

Da nach mehreren eindeutigen Diagnosen meine Blinddarmentzündung eine beschlossene Sache war, marschierte ich mit meiner Reisetasche ins Krankenhaus, um hier mein Debüt unter dem Skalpell zu geben. Trotz meiner beinahe 70 Jahre hatte ich nämlich bisher noch keinen einschneidenden Eingriff in meine jungfräuliche Integrität erleiden müssen. Nun aber war es so weit, und ich saß in neugieriger Erwartung im Foyer der Chirurgie, um mich zur Anmeldung aufrufen zu lassen.
Am selben Tisch mir gegenüber saß eine Frau, über deren mutmaßliches Alter ich mich hier nicht äußern will. Das Leben hatte mich oft genug gelehrt, solche Risiken tunlichst zu vermeiden. Ihr hübsches Gesicht schien mir merkwürdig bekannt, so als hätte ich es schon einmal in einem nicht alltäglichen Zusammenhang gesehen. Dazu stand es in einem bizarren Gegensatz zu ihren etwas plumpen Körperbewegungen.
Sie blätterte scheinbar sehr interessiert in einer Zeitschrift, wobei sie von Zeit zu Zeit einen Blick aus ihren sorgfältig gemakeupten Augen herüberwarf. Ich spürte es beinahe körperlich, dass sie förmlich darauf brannte, mich bezüglich meines Leidens zu befragen, und mir eventuell auch das ihrige zu unterbreiten. Also überlegte ich, ob ich ihr über diese Hemmschwelle hinweghelfen sollte, indem ich die erste Frage stellte.
„Wäre es indiskret, mich nach dem Grund Ihrer Anwesenheit in der Chirurgie zu erkundigen?“, fragte ich also höflich. Als hätte sie darauf gewartet, warf sie die Zeitschrift auf den Tisch, setzte sich in Positur und sah nun offen zu mir herüber.
„Oh nein, nein nein, keineswegs!“ Ihr Ton verriet, dass sie es mir nie verziehen hätte, wenn ich sie nicht gefragt hätte. „Meine Galle muss entfernt werden.“
„Oh!“ sagte ich - kurz. Damit antwortet man gewöhnlich auf eine Information, die einem genau so gleichgültig wie uninteressant ist. Ich musste aber doch etwas zu viel ehrlichen Bedauerns in mein „Oh“ gelegt haben, denn gleich darauf tröstete sie mich:
„Machen Sie sich aber meinetwegen keine Sorgen - es ist nur ein leichter, endoskopischer Eingriff!“ Ich versicherte ihr, dass ich eigentlich nicht vorhätte, mir Sorgen zu machen. Sichtlich beruhigt nickte sie mit dem Kopf.
„Und - was erwartet Sie?“, fragte sie mich.
„Die Ektomie des Blinddarms.“ Sie nickte nachdenklich, so als erinnere sie sich an ein Ereignis aus längst vergangenen Tagen.
„Ja ja, der Appendix! Ich war gerade erst 10 Jahre alt, als er entfernt werden musste. Ich sag Ihnen, das waren Schmerzen; wollen Sie die Narbe sehen?“ Leider musste ich dies verlockende Angebot höflich ablehnen, da mir das Ambiente für den sicher überwältigenden Augenschmaus nicht besonders geeignet schien.
„Oh nein, danke, vielleicht später. Außerdem kann ich ja in den nächsten Tagen meine eigene bewundern, ha ha ha !“ Sie lehnte sich pikiert zurück, doch aus ihren Augen quoll das Bedürfnis, mich über ihre weiteren körperlichen Kalamitäten aufzuklären. Und sie beugte sich unter dem Zwang von Evas sicher ureigenstem Trieb ruckhaft vor.
„Der Blinddarm war aber nur ein Fanal“, flüsterte sie, „denn wenig später kamen diese schrecklichen Magenbeschwerden. Es begann mit saurem Aufstoßen, Sodbrennen, Gastritis, und bald darauf diagnostizierten die Ärzte eindeutig ein Magengeschwür! Na, was sagen Sie dazu?“ Ich sagte nichts dazu. Also fuhr sie mit der plastischen Schilderung ihres körperlichen Abbaus fort.
„Stellen Sie sich vor, man musste mir beinahe zwei Drittel meines Magens herausschneiden. Das Schlimmste daran ist jedoch diese Diät, die ich seit damals einhalten muss!“ Das war allerdings hart. Als überzeugter Karnivore konnte ich es gut nachempfinden, wenn ein Mensch bloß Karotten und Salatblätter knabbern durfte, und ich empfand plötzlich den Wunsch, ihr mein Mitgefühl auszudrücken.
„Es tut mir wirklich Leid, was Sie so alles zu ertragen haben. Drei Eingriffe, das kann einem sicher ...“
„Sieben!“
„Wie bitte? Das waren bis jetzt doch nur drei!“
„Richtig - bis jetzt!“ Sie massierte sich die Herzgegend und lächelte mich herausfordernd an. Oh nein, nicht doch ...
„Jetzt erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie auch einen Herzschrittmacher tragen!“
„Das war einmal. Seit vier Jahren trage ich ein vollständiges Kunststoff-Herz! Jetzt staunen Sie, gell?“ Allerdings staunte ich, sogar ehrlich. Was konnte ich denn angesichts dieser leidgeprüften Frau auch anders tun?
„Also“, sagte ich tief ergriffen, „das ging mir nun wirklich an die Nieren.“
„Mir auch - vor drei Jahren. Die linke Niere musste wegen totalen Versagens entfernt werden, die andere ...“
„Sagen Sie“, rief ich, nun wirklich geschockt, „gibt es denn überhaupt etwas, was Sie noch nicht hatten?“ Dabei warf ich, ohne es zu wollen, einen Blick auf ihren Busen.
„Silikon“, erklärte sie sofort. „Vor vier Jahren.“ Langsam wurde mir in der Gesellschaft dieses wandelnden Ersatzteilwesens unheimlich. Ich versuchte, in einer Zeitschrift zu blättern, doch sie gab mir keine Chance zum Kneifen.
„Na ja, ich wollte meine Oberweite auch etwas vergrößern lassen. Leider bin ich das Opfer eines Pfuschers geworden. Sehen Sie nur - die rechte Brust ist viel größer als die linke! Am liebsten möchte ich diesen Scharlatan verklagen!“ Dabei schüttelte sie vor lauter Wut ihren rechten Arm so heftig, dass dieser abfiel und auf den Tisch polterte.
„Eine Prothese“, sagte sie, „vor etwa 8 Jahren, Autounfall mit Fahrerflucht.“ Dann drückte sie den Mittelfinger nieder, der ziemlich unanständig nach oben zeigte.
„Er hat inzwischen so etwas wie ein Eigenleben entwickelt“ meinte sie verlegen. Dummerweise riskierte ich einen Blick auf ihren Hals. Eine breite, feuerrote Narbe wand sich um ihn herum. Sie war mir schon kurz nach unsrer Bekanntschaft aufgefallen. Ich deutete entsetzt darauf.
„Wenn Sie jetzt noch behaupten, dass auch Ihr Kopf ...“
„Genau!“, nickte sie heiter. „Früher war ich Leonid Breschnew, aber wegen ständig zunehmender Geistesschwäche musste eine Kopftransplantation vorgenommen werden.“ Und leise singend hauchte sie in den Raum:
„Happy birthday, Mister President, happy birthday to you!“
Ihr Gesicht war mir ja gleich so bekannt vorgekommen, nur die plumpen Körperbewegungen konnte ich nicht auf Anhieb zuordnen. Und so beschloss ich, die Frau mir gegenüber trotz ihrer erwartungsvollen Blicke - doch nicht anzusprechen!
Maikind
schrieb am 16.05.2021, 19:56 Uhr
Liebe Alle, Reimfreudige

In einem Schreibforum habe ich mal bei folgendem Reimspiel mitgemacht.

Es werden Stropfen eingestellt,
der Nächste reimt weiter mit einer neuen Strophe in der
der erste Vers identisch mit dem letzten Vers des Vorgängers ist.

Hier eine mögliche Variante

Der Regen will verliebt das Land begrünen
verträumt fällt Tropf für Tropfen auf die Erde
und tanzend spriesst ein Spross auf Frühlingsbühnen
ein Vogel klatscht im Nest, dass es mehr werde.

Kurt Binder
schrieb am 17.05.2021, 12:32 Uhr (am 17.05.2021, 12:47 Uhr geändert).
"Humor ist, wenn man trotzdem klatscht!"

Ein prima Vorschlag(hammer), liebe Ute - mal sehen, ob ich ihn richtig verstanden habe:

Ein Vogel klatscht im Nest, dass es mehr werde,
und klatscht solang, bis dass die Federn fliegen.
Erstaunt von dieser komischen Gebärde
ein Weibchen denkt: "Woran mag das wohl liegen?“
Michael5
schrieb am 19.05.2021, 09:46 Uhr
Ein Weibchen denkt: "Woran mag das wohl liegen ?
Bin ich das Ziel, bin ich gemeint ?
Dann soll es einfach nur herüberfliegen.
Wir wären dann im eignen Nest vereint."
Michael5
schrieb am 20.05.2021, 09:16 Uhr
„Wir wären dann im eignen Nest vereint."
So seufzt das Weibchen in des Baumes Krone.
Glückselig es manch Träne weint:
" `Ne Vogelhochzeit wäre auch nicht ohne."
Kurt Binder
schrieb am 25.05.2021, 15:36 Uhr (am 25.05.2021, 15:37 Uhr geändert).
" Ne Vogelhochzeit wäre auch nicht ohne -
fidiralala, fidiralalalala!“
So träumt die Drossel von ’nem frechen Sohne,
die Amsel fühlt sich kurz drauf als Mama!
Michael5
schrieb am 26.05.2021, 08:22 Uhr
Die Amsel fühlt sich kurz drauf als Mama.
Als Paten dienen Fink und Star.
Es öffnet sich ein neues Panorama
mitsamt der ganzen Vogelschar.
Kurt Binder
schrieb am 26.05.2021, 09:20 Uhr
Ein „Na sdarowje" auf unser Duell, lieber Michael, das sich hoffentlich bald zu einem Tri-ell oder gar Poli-ell ausweitet!

Mitsamt der ganzen Vogelschar
im Blickfeld folgt ein Adler ruhig dem Treiben,
und denkt bei sich: „Fress ich das Hochzeitspaar,
die Paten – oder lass ichs diesmal bleiben?"

Zu überlegen wäre, ob der abschließende Vers nicht so gestaltet sein sollte, dass der nächste Poet überhaubt eine reale Chance hat, daran anzuknüpfen?

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