Zukunft und Perspektiven der Deutschen Minderheit in Rumänien

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BennyJozsa
schrieb am 23.11.2009, 18:21 Uhr
@ Schreiber

Sie können ganz fest davon ausgehen, dass ich im Vorfeld Überlegungen angestellt habe, bevor ich der Verlockung dieser Frage erlegen bin.
Es geht mir im wesentlichen um die Meinung derer, die sich (vielleicht) diese Frage stellen, da ich sicher bin, dass sich neue Aspekte auftun, die uns hier möglicherweise gar nicht bewusst sind.
Und daraus resultiert dann das, was Sie am Ende ansprechen: Bevor plakativ - lieber nachfragen.
getkiss
schrieb am 23.11.2009, 18:36 Uhr (am 23.11.2009, 22:15 Uhr geändert).
@ifpeppi:
"Bei der älteren Generation war das marode Gesundheitssystem eines der wichtigstens Gründe, wieso man vor einer Rückwanderung zurückschreckte, denn man sah sich aufgeschmissen im Falle von Krankheit und Pflege. Allein die Kenntnisse über Land und Leute, deren Mentalität und das Beherrschen der Sprache reichten nicht aus, um eine Rückwanderung in Betracht zu ziehen."

Aufgeschmissen im Falle von Krankheit und Pflege ist man immer noch. Siehe auch hier schon erwähnte Fälle aus Krankenhaus in Hermannstadt.
Meine Kusine in Reschitz hatte einen komplizierten Armbruch.
Der eingesetzte Stift brach. Als man nachoperierte kam heraus, der Stift war gar nicht neu.
Wer nur kann, fährt zu einer Operation aus Temeswar nach Szeged, obwohl ich aus erster Szegeder Quelle weiss, dass die von den Temescher Ärzten zusammengestellte Dokumente dafür, guter Qualität sind.

Nicht zu sprechen über die nach wie vor abschreckenden Rechtsverhältnisse, vom Anwalt bis zum Richter...
Knobler
schrieb am 23.11.2009, 21:27 Uhr
pavel_chinezul schrieb am 23.11.2009 11:24
Ich glaube jedoch, dass vielen die Androhung der deutschen Rentenversicherung, bei einem Auslandswohnsitz die Rente zu kürzen, diese Träume und Wünsche platzen lässt.

Diese Aussage gilt zum Teil für außereuropäische Länder

Das Europäische Gemeinschaftsrecht stimmt die verschiedenen nationalen Rentensysteme der Mitgliedstaaten aufeinander ab. Es ist innerhalb der Europäischen Union unmittelbar geltendes Recht, das Vorrang vor dem deutschen Recht genießt und entgegenstehende deutsche Vorschriften außer Kraft setzt. Dabei dürfen schon bestehende Ansprüche nach deutschem Recht aber nicht entzogen oder gemindert werden.

Die Auszahlung der Rente nach Rumänien wäre also kein Hinderungsgrund den Lebensabend in Siebenbürgen zu verbringen. Schlecht steht es allerdings, wie schon von Anderen geschrieben, um die medizinische Versorgung.
pavel_chinezul
schrieb am 24.11.2009, 07:19 Uhr (am 24.11.2009, 07:54 Uhr geändert).
Sehr geehrter User Knobler bitte beachten sie folgenden Beitrag:

Pressemitteilungen der Senatsverwaltung für Justiz

http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/sg/presse/archiv/20060117.26125.html

"Deutsche Rentnerin verliert durch Umzug nach Belgien mehr als 200 EUR pro Monat Sozialgericht schaltet Europäischen Gerichtshof ein
Pressemitteilung
Berlin, den 17.01.2006

Verstößt deutsche Sonderregelung zu „Reichsgebiets-Beitragszeiten“
gegen das Recht der EU-Bürger auf Freizügigkeit?

Das Berliner Sozialgericht hat in zwei Verfahren den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet. Das höchste europäische Gericht soll überprüfen, ob es mit dem EG-Vertrag vereinbar ist, dass die Rente von zwei deutschen Rentnerinnen gekürzt wird, weil sie zu ihren Kindern nach Belgien bzw. Großbritannien gezogen sind. Diese Rentenkürzung ist im deutschen Sozialgesetzbuch (Sechstes Buch) vorgeschrieben. Das Berliner Sozialgericht ist der Auffassung, dass dadurch das Recht der EU-Bürger auf Freizügigkeit verletzt wird.
Der Europäische Gerichtshof hat den Verfahren folgende Aktenzeichen zugewiesen: C-396/05 und C-419/05.
Der Wortlaut der Beschlüsse des Berliner Sozialgerichts ist im Internet veröffentlicht unter S 9 RA 2189/02

Beiträge im „Reichsgebiet“ gezahlt
Die Klägerin im Fall 1 besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie wurde 1923 in der damaligen Tschechoslowakei (Sudetenland) geboren. Im Jahr 1938 wurde das Sudetenland durch das Deutsche Reich völkerrechtswidrig annektiert. Ab 1939 wurden dort die Regeln der deutschen Sozialversicherung angewandt. Die Klägerin arbeitete von 1939 bis April 1945 im Sudetenland und bezahlte von ihrem Lohn Beiträge zur deutschen Rentenversicherung (damals: Reichsversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin).
Nach ihrer Ausweisung aus der Tschechoslowakei lebte die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland. Ab 1988 erhielt die Klägerin eine Altersrente, wobei auch die Beitragszeiten aus dem Sudetenland berücksichtigt wurden. Als die Klägerin jedoch im Jahr 2001 zu ihrer Tochter nach Belgien zog, kürzte der Rentenversicherungsträger die Rente um 223 EUR.

Renten-„Export“ von Vertriebenen und Spät-Aussiedlern sollte verhindert werden

Die Behörde berief sich auf eine entsprechende Vorschrift im deutschen Sozialgesetzbuch (§ 272 des Sechsten Buches). Danach kann die Rente bei einem Umzug ins Ausland regelmäßig nur noch aus Versicherungszeiten, die für eine Beschäftigung im heutigen Bundesgebiet geleistet wurden, gezahlt werden. Aus Beiträgen, die seinerzeit in den Teilen des „Reichsgebiets“ gezahlt wurden, die heute nicht zum Bundesgebiet zählen (so genannte „Reichsgebiets-Beitragszeiten“), kann bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland keine Rente mehr gezahlt werden. Das gilt beispielsweise für das damalige Sudetenland (wie im vorliegenden Fall) oder auch für Pommern (wie in dem vom Sozialgericht entschiedenen Parallel-Fall). Diese Gesetzesverschärfung trat 1990 in Kraft und war Teil eines Gesetzespakets, mit dem vor allem verhindert werden sollte, dass die Renten von Vertriebenen und Spät-Aussiedlern ins Ausland „exportiert“ werden. Die Bundesrepublik berief sich in diesem Zusammenhang auf eine Ausnahmeregelung in der Renten-Verordnung der Europäischen Union, die diese Gesetzesverschärfung zuließ.
Nach Auffassung des Berliner Sozialgerichts verstoßen das deutsche Gesetz und diese Ausnahmeregelung gegen das höherrangige Recht der EU-Bürger auf Freizügigkeit, das in Artikel 42 des EG-Vertrags garantiert sei. Eine ähnliche Auffassung wie das Berliner Sozialgericht hatte im Jahr 2002 auch das Bundessozialgericht vertreten und ebenfalls den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet. Das dortige Verfahren konnte jedoch nicht abgeschlossen werden, weil die dortige Klägerin verstarb, bevor sich der Europäische Gerichtshof mit dem Fall befasst hatte und Erben das Verfahren nicht weiterführten."

Ist meiner Kenntnis nach, noch kein Urteil gefallen.

Auch wenn es sich hier speziell um Reichsgebiet handelt, sind die Rentenkassen sehr schnell dabei auch anderen Aussiedlern zu drohen (sehen sie bitte fette Überschrift), Kürzungen vorzunehmen. Vergessen sie nicht die 40% Rentenkürzung für Aussiedler die auch als Reaktion auf die großen Wanderungswellen seit 1990 eingeführt wurde. Wenn die Rentenkasse auch nur 1Euro irgendwo einsparen kann, wird sie es tun.

PS: Fällt mir gerade auf, dass die Frau im Fall 1 in die Reichsversicherung eingezahlt hatte und die Bundesdeutsche Rentenversicherung will ihr diese Rente kürzen (wenn sie Gleichbehandlung treiben würde, müsste sie eigentlich auch den bundesdeutschen Rentnern die auf Mallorca leben und noch vor dem Kriege Beiträge gezahlt hatten-auch in die Reichsversicherung-diesen Teil kürzen). Was glauben sie denn, wie schnell die Rentenversicherung die FRG-Zeiten kürzen würden. Beim Geben wie die Schnecke, beim Nehmen wie der Blitz.
Rechert
schrieb am 24.11.2009, 09:31 Uhr
Der europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 18.12.2007 die Verfahren 419/05, 396/05 und 450/05 entschieden.

Das Gericht stellt fest, dass die so genannte Wohnortklausel der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates der Europäischen Union vom 14.06.1971 eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union darstellt. Dieser Eingriff in das Freizügigkeitsrecht durch Kürzung der Rentenansprüche bei Wohnsitzwechsel innerhalb der Europäischen Union sei jedoch nicht zu rechtfertigen.
pavel_chinezul
schrieb am 24.11.2009, 09:39 Uhr (am 24.11.2009, 10:28 Uhr geändert).
Vielen Dank User@Rechert für die Information. Was wurde bezüglich des Sozialgesetzbuches unternommen? Welche Information haben sie dazu?

User@Knobler: Sie hatten Recht.

Zusatz: 10:23 Uhr

Aus der Infobroschüre der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken zum deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommen entnehme ich folgendes Zitat:

"Meine rumänischen Zeiten wurden bereits nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannt, weil ich Spätaussiedler / Vertriebener bin. Welche Auswirkungen hat das Abkommen,wenn ich nach Rumänien verziehe?

Das Abkommen wirkt sich auf Ihre nach dem
FRG anerkannten Zeiten nicht aus. In ihrer
deutschen Rente werden diese Zeiten also weiterhin
berücksichtigt. Der Teil der Rente, der auf
FRG-Zeiten beruht, kann allerdings nicht nach
Rumänien oder ins sonstige Ausland gezahlt
werden - auch nicht aufgrund des Abkommens.
Eine Ausnahme gilt nur für Personen, die vor
dem 19. Mai 1950 geboren sind und vor dem
19. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im
Ausland genommen haben. Hier können nach
dem Fremdrentengesetz anerkannte Beitragszeiten
noch in gewissem Umfang in der nach
Rumänien oder ins sonstige Ausland gezahlten
Rente enthalten sein."

Daraus entnehme ich, dass die Rente doch gekürzt werden kann, oder seh ich das falsch? Wer weis näheres dazu?
Winfried Ziegler
schrieb am 24.11.2009, 15:07 Uhr
Noch eine kurze Information:
Heute um 18 Uhr Ortszeit, also 17 Uhr deutsche Zeit, wird das auf der Tagung am 14. November vorgestellte Thesenpapier Thema der Hermannstädter Gespräche welche monatlich im Forumsgebäude in Hermannstadt abgehalten werden.
Das Gespräch wird wieder als livestream zu verfolgen sein unter: http://www.ustream.tv/channel/transylvania
hms
schrieb am 24.11.2009, 15:25 Uhr (am 25.11.2009, 14:56 Uhr geändert).
Das habe ich mir fast gedacht, dass der von mir aufgezeigte Aspekt, zunächst mit Stillschweigen beantwortet werden würde. Über die Ursachen will ich jetzt nicht spekulieren. Ich möchte den Aspekt aber etwas näher erläutern.

Das Selbstbild ist für die Existenz eines Menschen oder einer Volksgruppe schon ein entscheidender Faktor. Ob die eigene Identität mehr von ihm oder den Fremdzuschreibungen bestimmt wird, entscheidet auch darüber, inwieweit man Subjekt oder Objekt der Politik und der Geschichte ist.

Es geht in meinen Erörterungen ja nicht um Arithmetik oder darum, dass in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet, sondern um Qualitätsfragen um Inhaltliches.

Den totalitären Regimes in der Moderne ging es sehr wohl immer um die Massen, um Arithmetik. Um an die Macht zu gelangen beriefen sie sich auf die Massen, sie stellten sich als Vertreter, als „Sprecher“ der Mehrheit dar. Um davon abzulenken, dass sie in Wirklichkeit nicht deren Interessen vertraten, suchten sie sich eine Minderheit aus, und stellten diese als „Feinde“ der Mehrheit dar. Das konnten dann die „Kapitalisten“ sein, die Juden, oder andere Minderheiten. In Bezug auf Rumänien war das nicht anders.

Im neuen Nationalstaat Rumänien sind die verschiedenen deutschen Volksgruppen, die bis dahin keine Gemeinsamkeiten hatten, zur „Rumäniendeutschen“ Minderheit geworden. Die neue Identität als „Rumäniendeutsche“ war deshalb keine organisch gewachsene, sie kam ja zustande als Folge des verlorenen Krieges und der politischen und staatlichen Neuordnung Rumäniens. Der Aufnahmewunsch zum neuen Staat war stark von dem Glauben an die garantierten Minderheitenrechte bestimmt, die sich dann aber als Illusion erwiesen haben. Das Vertrauen allein auf diesen gesetzlich geschützten Status, der politisch nicht durchgesetzt werden konnte, hat dann zu Enttäuschungen und in den 1930-er mit zur Radikalisierung geführt.

Ein „Rumäniendeutschland“ hat es ja nie gegeben, obwohl die Radikalen Nazis vielleicht davon geträumt haben mögen, so etwas zu errichten. Es kommt - wie oben angedeutet – also nicht von ungefähr, dass sich die radikale DVR nicht in Siebenbürgen konstituieren konnte, wo das eigenständige Bewusstsein zu stark war, sondern dass sie sich 1935 im Banat gründete und hier und in der Bukowina ihre Mehrheiten holte. Darum ging es ihr, innerhalb der (staatlichen) Rumäniendeutschen Minderheit eine Mehrheit zu bekommen, um innerhalb der Minderheit an die Macht zu gelangen.

Die regionalen gewachsenen Gemeinschaften wurden zerschlagen und kamen in Folge als rumäniendeutsche Minderheit zwischen die Mühlsteine von den größeren nationalistischen Mehrheiten, wo sie zerrieben wurde.

Für die Zukunft und für die Entwicklung von Perspektiven für eine Deutsche Gemeinschaft in Rumänien ist dieser geschichtliche Aspekt nicht unwichtig, wie ich finde.

Ich habe im ersten Beitrag die Chancen angedeutet, die sich im Rahmen der Europäischen Union bieten. Das „Europa der Regionen“ ist auf EU-Ebene durchaus eine politische Perspektive. Und so wie sich in der eh. DDR wieder die historischen Länder gegründet haben, ist auch in Rumänien durchaus ein Trend zu alten Strukturen zu sehen.

An diese und an die lange Geschichte z.B. der Siebenbürger Sachsen kann die Neukonstituierung einer deutschen Gemeinschaft anknüpfen.
Mit meinen Überlegungen knüpfe ich wiederum an die Ausführungen von Dr. Paul Philippi und Dr. Hans Klein auf der Tagung an.

Im Eröffnungsvortrag spricht Dr. Paul Philippi davon, dass sich die Siebenbürger Sachsen auf dem Sachsentag vom 08.01.1919 in Mediasch, wo es um die Votierung für den Rumänischen Staat ging, noch als „Sächsisches Volk“ verstanden haben. Sie wollten dadurch dokumentieren, dass sie sich in der Kontinuität der bisherigen Siebenbürgisch-Sächsischen Geschichte sehen, und auch weiterhin die Subjekte ihrer Geschichte bleiben wollten. Des Weiteren spricht Herr Philippi in einem Schlussstatement davon, die Deutschen in Rumänien sollten sich als „Salz“ verstehen.

Das meint eine Qualität, und er führt dann aus, wenn es nur um Quantität ginge, dann wären die Deutschen in Rumänien als 0.02 % der Deutschen insgesamt, eine zu vernachlässigende Größe, die trotz national und international gesetzlich geschützter ethnischer Minderheitenrechten, nicht überlebensfähig sei.

Ähnliches im Abschlussstatement von Dr. Hans Klein. Er erinnert an eine andere Rückkehr, an einen anderen Umbruch und Neubeginn, und zwar an den Neubeginn der Juden in Palästina, die nach der Verschleppung nach Babylon, gelang.
Dieser Neubeginn gelang auch deshalb, weil einer qualifizierten Gruppe (damals die jüdische Oberschicht) durch Kyros erlaubt wurde, in die alte Heimat zurückzukehren. Sie bereiteten den Nachzug und die Fortführung der jüdischen Geschichte vor.

Jeder Neubeginn wird von einer Vorhut, von Pionieren, einer Avantgarde, einer Elite, oder wie immer man engagierte, qualifizierte Menschen nennen will, getragen. Sie ist zwar zahlenmäßig gering, würde sich aber selbst nie als „Minderheit“ bezeichnen.

Eine lebensfähige Gemeinschaft von Deutschsprachigen in Rumänien kann sich, will sie politisches Subjekt sein, nicht zuerst über die Kopfzahl der Menschen, also als Minderheit definieren, sondern durch ihre Funktion, durch ihr Vorangehen; und in Rumänien gibt es sehr Vieles, was zum „Funktionieren“ gebracht werden müsste...

Für die, welche sich für diesen Aspekt interessieren, und die erwähnten Vorträge nach-hören möchten, hier noch mal die URL: http://www.ustream.tv/channel/transylvania
bankban
schrieb am 24.11.2009, 15:45 Uhr (am 24.11.2009, 15:56 Uhr geändert).
@ hms: Ich fand ihre beiden Beiträge sehr interessant und mindestens genauso desillusionierend. Sie wenden sich beide Male gegen den Begriff "Minderheit", den Sie wohl ablehnen. In Ihrem ersten Beitrag schreiben Sie gar: "In Rumänien wird es für Deutsche nur dann eine Zukunft geben, wenn sie als aktive politische Subjekte handeln können, und nicht als geduldete Bittsteller mit Minderheitenstatus."
Das Problem ist: die rumänische Verfassung definiert Rumänien als einheitlichen Nationalstaat des rumänischen Ethnikums. Nach der Meinung vieler Erforscher des Nationalstaates, des Nationalismus und der Nation sind vermeintliche Nationalstaaten aber letztlich per se gezwungen, die auf ihrem Gebiet lebenden und nicht zur Staatsnation gehörenden Ethnien (also Minderheiten) zu eliminieren: sei es durch Assimilation, durch Vertreibung oder durch Völkermord. Hieraus kann abgeleitet werden, dass solange die rumänische Verfassung Rumänien als Nationalstaat auffasst, in den Augen der meisten rumänischen Politiker alle anderen Ethnien eben nur "geduldete Bittsteller mit Minderheitenstatus" sind und sein können. Denn sie gehen eben von der Verfassung aus. Die ungarische Minderheit hat, soweit ich weiß, genau aus diesem Grund mehrere Anläufe unternommen, den erwähnten Satz aus der Verfassung entfernen zu lassen. Umsonst.
Die Frage, die sich nun meines Erachtens stellt, ist: Haben Sie Recht, wenn Sie behaupten, die Deutschen (und damit alle anderen Minderheiten) haben langfristig keine Zukunftsperspektive, solange sie sich als Minderheit verstehen und auch so von den anderen verstanden werden?
Da in absehbarer Zeit die Verfassung wohl nicht modifiziert wird: welche anderen Möglichkeiten gibt es denn, wenn die Mehrheitsethnie dieses Status der Minderheiten freiwillig nicht bereit ist anders zu deklarieren? Meinen Sie irgendeine kulturelle oder politische Autonomie? Kollektivrechte?
Ergänzung um 15:54: als was sollen sich die Minderheiten denn auffassen um ein positives/positiveres Selbstbild zu haben? Als eigene Nation? Als Teil der deutschen/ungarischen etc. Nation? Verstehe ich Sie recht, dass für Sie bereits der Begriff "Minderheit" negativ besetzt ist, weil er etwas Minderes (Minderwertiges gar?) suggeriert?
P.s. All meine Fragen sind ernst gemeint.
Soax1972
schrieb am 24.11.2009, 21:14 Uhr
@Benny und Winfried
Ich finde es gut, dass ihr (und andere) versucht, die Zukunft unseres Volkes in Siebenbürgen aktiv zu gestalten. Ich hoffe, es gelingt euch!

Zum Thema Rückkehr: ich denke, neben den bereits genannten Gründen, die die Leute von einer Rückkehr abhalten, kommt ein weiterer hinzu: die sozialen Bindungen. Selbst wenn man die materiellen Einbußen in Rumänien in Kauf nimmt, möchte man ungern seine Familie/Freunde hier zurücklassen. Die Auswanderung aus R nach D hat schon viele Familien und Freundschaften auseinander gehen lassen. Nun hat man sich die letzten 20 Jahre hier "eingerichtet" und möchte nicht wieder alles hinter sich lassen.
Fabritius (Moderator)
schrieb am 24.11.2009, 21:36 Uhr
@ pavel-chinezul:

Ihre Informationen zu einer Reduzierung der Rentenleistung um FRG-Anteile bei Wohnsitzverlegung nach Rumänien sind veraltert. Auf Grund des Beitritts Rumäniens zur EU (1.1.2007) wird bei einem Umzug dorthin auch die gesamte Rente (einschließlich FRG-Anteile) nach Rumänien gezahlt. Die Rentenbehörden beachten die Rechtsprechung des EuGH dazu. Wer ganz sicher gehen will, richtet vor der Wohnsitzverlegung eine schriftliche Anfrage an "seine" Rentenbehörde und wird dann auch schriftlich die volle Weiterzahlung bestätigt bekommen. Ich habe das bereits in einigen Fällen umgesetzt und ohne Probleme die verbindliche Zusage der ungekürzten Zahlung bekommen.

Dieser Komplex wurde mehrfach auch in der Siebenbürgischen Zeitung, der Hermannstädter Zeitung und meines Wissens auch in der ADZ kommuniziert. Er ermöglicht es z.B. Landsleuten im Rentenalter den Wohnsitz auch nach Siebenbürgen zu verlegen und dort zu unterstützen - und so ganz nebenbei auch eine neue Aufgabe zu finden. Nicht nur im deutschsprachigen Schulwesen sind Lehrer sondern auch in anderen Berufsfeldern andere Helfer meist gerne gesehen.

Wenn die Tätigkeit nicht ehrenamtlich erfolgt, müssen Hinzuverdienstgrenzen bei der deutschen Rente beachtet werden. Diese dürfen durch Vergütungen in Rumänien nicht überschritten werden.

Interessenten sollten sich vorher gut und umfassend informieren.

Herzlichst
Fabritius
hms
schrieb am 25.11.2009, 14:30 Uhr (am 25.11.2009, 14:37 Uhr geändert).
@bankban: Vielen Dank für ihre Stellungnahme, bankban.

Dass die Deutschen Einwohner Rumäniens im Verhältnis zu den Rumänischen eine sehr kleine Minderheit sind, ist ja ein statistisches Faktum. Das negativ, bzw. positiv zu bewerten im Sinne, dass ich es bedauere, oder gut finde, ist nicht meine Absicht.

Meine Frage ist vielmehr: Wie steht die Deutsche Gemeinschaft heute zu dieser Tatsache, dass sie eine Minderheit ist, was macht sie daraus?

Worum es mir geht, beleuchte ich am besten an einem Beispiel. Mit elf Jahren kam ich aufs Internat zuerst nach Reps, dann nach Kronstadt. Für Jugendliche in diesem Alter ist die gleichaltrige Gruppe, sei es im Internat, in der Klasse, oder im Fussballklub für das soziale Lernen eminent wichtig. In so einer Gruppe bilden sich Rangordnungen heraus,und der Größte und Stärkste hat zunächst das größte Ansehen und den meisten Respekt.

Was mir jedoch damals schon und auch später immer wieder auffiel war, dass oft die Kleinsten ein besonders starkes Selbstbewußtsein entwickelten, indem sie entweder ganz frech, ganz flink, ganz intelligent, ganz mutig wurden, und durch diese Eigenschaft sich in der Gruppe trotz, oder wegen ihrer körperlichen „Kleinheit“ großes Ansehen und Respekt verschaffen konnten.

Die körperlich Kleinen wären in der Gruppe immer nur die „Kleinen“ geblieben, wenn sie sich nicht durch andere Eigenschaften profiliert hätten. In der Gruppe sind sie dann eben die Klugen, Frechen, usw. geworden.

So ist es auch im Zusammenleben von Gemeinschaften und Völkern. Es kann sich nur behaupten, wer anerkannt und respektiert wird. Wer nur als „Der Kleine“, nur als die „Minderheit“ wahrgenommen wird, wird übergangen oder beiseite geschoben.

Wenn die Frage nach einer Zukunft in Rumänien gestellt wird, so muss die Deutsche Gemeinschaft sich diese Frage beantworten: Habe ich den Willen und den Wunsch und die Kraft, mich hier als Gemeinschaft zu behaupten?

Ein positives Beispiel ist Hermannstadt. Das reicht aber nicht, um hoffnungsvoll in die Zukunft blicken zu können. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer.

Das zeigt mir ein Ereignis vom 19. Oktober 2009, also vor gut einem Monat. Da stand ein Bericht in der ADZ und der Siebenbürgischen Zeitung, dass das Honterusdenkmal in Kronstadt erneut geschändet worden ist. (Das erste Mal vor genau 10 Jahren).
Diese Meldung, aber vor allem die Reaktion, bzw. Nichtreaktion auf diese Tat hat mich sehr erschüttert und wirft für mich die Frage auf, ob die Siebenbürger Sachsen sich als Gemeinschaft schon aufgegeben haben.

Honterus als Reformator ist ja ein Kernelement der Siebenbürgisch-Sächsischen Identität. Und Denkmale sind Symbole, wo man sich dieser Identität immer wieder bewusst wird.
Wenn nun diese Symbole geschändet werden, ist das ein Angriff auf diese Identität. Ich habe bisher keinen Aufschrei der Empörung und keine Öffentliche Brandmarkung und Aufforderung der Wiedergutmachung gehört. Wenn ich dieses Thema in diesem Sinne mit Landsleuten erörtern wollte, habe ich eher Gleichgültigkeit, ein müdes Abwinken, wenn nicht gar Resignation erlebt. In manchen Fällen sogar „Mitgefühl“ mit den Tätern: „Naja die brauchen halt Geld und dazu können sie Altmetall gut verwenden.“

Das grenzt für mich an Masochismus – im Sinne von: „… geschieht uns ganz recht.“ Wenn das keine Aufgabe der Identität ist, dann weiß ich nicht, was noch Schlimmeres passieren sollte.

Man stelle sich mal vor, diese Schändung wäre an einem Denkmal passiert, das gar nicht so weit vom Honterusdenkmal entfernt ist, nämlich der Ersten Rumänischen Schule im Kronstädter Schei-Viertel. Am dortigen Museum sind auch allerhand Plaketten angebracht, die mehr Metall enthalten, wenn es tatsächlich nur darum gehen sollte. Ich glaube nicht, dass so ein Ereignis - an diesem für Rumänen nicht minder wichtigen symbolischen Denkmal - mit soviel Gleichgültigkeit und Desinteresse behandelt worden wäre, wie die Sächsische Gemeinschaft das so hinnimmt.

Man muss die Realitäten sehen wollen, nur dann kann man sich entscheiden: Nehme ich das so hin, oder verteidige ich meine Identität.

Wie sich trotz dieser Realität in Zukunft eine Gemeinschaft in Rumänien erneuern oder neu konstituieren kann, das ist gerade die Fragestellung der Thesen und auch des Forums hier. Ich will mich gerne auch ganz konkret daran beteiligen. Mein bisheriger Beitrag war sozusagen, mich erstmal einzuführen.
seberg
schrieb am 25.11.2009, 15:25 Uhr (am 25.11.2009, 15:34 Uhr geändert).
@hms: Die Landsleute, mit denen Sie die sogenannte „Schändung“ des Honterusdenkmals erörtert haben, kann ich nur für ihren Realitätssinn beglückwünschen und dafür, dass sie sich nicht von Ihnen haben „hysterisch“ machen lassen. Sie, @hms, gehen selbstverständlich davon aus, es sei ein gegen die Siebenbürger Sachsen gerichteter feindseliger Akt gewesen. Woher wissen Sie das? Kennen Sie den oder die Täter? Kennen sie deren Motivation für die Tat? Kann es sein, das Sie mehr auf Ihren verletzten Stolz und Ihr Kränkungsgefühl achten, als auf die wirklichen Tatsachen in Zusammenhang mit dem Ereignis?

„Man muss die Realitäten sehen wollen“ schreiben Sie. Das ist richtig und das fängt bei der realistischen und den Tatsachen entsprechenden Beurteilung solcher Ereignisse wie in Kronstadt an.
Sächsin
schrieb am 25.11.2009, 15:37 Uhr (am 25.11.2009, 15:39 Uhr geändert).
@seberg

und alle diese beurteilungen und sichtweisen sind SUBJEKTIV und obliegen damit der eigenverantwortlichkeit und nicht ihres völlig überflüssigen wie deplazierten kommentars, weil auch hier nur wieder zurechtweisend und überheblich! und damit angreifend.

lassen sie und ihre leute doch endlich einmal die user ihre meinungen und überlegungen aussprechen, ohne dass sie sogleich be-wertet werden und dies zumeist negativ!
ihr seid nicht das a vorm o, nicht der weizen, die anderen nicht die spreu!
jeder ist er selbst und einer unter vielen, keiner ist besser. und keiner sollte sich als besserwisser hier aufspielen, das kann er vorm spiegel!
seberg
schrieb am 25.11.2009, 16:14 Uhr (am 25.11.2009, 16:16 Uhr geändert).
Mit Verlaub, @hms, aber ich muss Sie gleich noch einmal kritisieren: Ihre Theorie von den Kleinen die ganz groß rauskommen, Entschuldigung, aber das ist Küchenpsychologie, das ist sozusagen inverser Sozialdarwinismus, die dummen Muskulösen gehen unter und die kleinen Schlauen setzen sich durch, im Laufe der Evolution mag vieles durch Kompensation entstanden sein, auf ethnische Minderheiten und überhaupt auf soziale Realitäten projiziert ist das jedoch unhaltbar. Meine Meinung.

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