25. September 2003

Sachsentreffen im Geiste Brukenthals

Das 13. Sachsentreffen in Birthälm ging am 20. September glücklich und zufriedenstellend für viele über die Bühne. Der Gottesdienst zur Eröffnung der Veranstaltung in der Marienkirche mit nahezu 2 000 Gästen von nah und fern stand ganz im Geiste des Barons Samuel von Brukenthal. Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland war durch ihren Bundesvorsitzenden Volker E. Dürr vertreten.
Er hat aus dem Internet vom Sachsentreffen im einstigen Bischofssitz erfahren: Josef Liebhardt (77), einst erfolgreicher Spirituosenhändler und Gaststätteninhaber in Sydney (Australien), ist erklärtermaßen ein eifriger Leser der Siebenbürgischen Zeitung Online". Und seine Töchter Ingrid und Vanessa drängten: "Wir fahren hin". So kam die Familie zunächst per Flug über Wien und Bukarest und danach mit einem Mietwagen auf Umwegen durch die alte Heimat termingerecht zum Heimattag. Und? "Was wir bisher erlebt haben, war ausgezeichnet."

Doch mehr stand auf dem Veranstaltungsprogramm auch nicht. Es war kurz nach 16 Uhr, und nach dem gemeinsamen Anstimmen des "Siebenbürgen-Lieds" in Begleitung der Burzenländer Bläser am Dorfanger hatten sich die meisten Teilnehmer schon vom Fest verabschiedet und die Heimreise angetreten. Nur noch vereinzelt tanzten die Jugendgruppen in sächsischer Tracht vor dem Bürgermeisteramt, unter dem großen Zelt zwischen dem zweiten und dritten Burgring stimmten die Probstdorfer Bläser die letzten Akkorde an. In der Dorfschule packten sodann die Vertreterinnen der Frauenkreise ihre Handarbeiten und die Brukenthalschüler ihre aufschlussreichen Schautafeln über Leben und Wirken des Barons in die Koffer. Die zahlreich anwesenden Verlage und Buchhändler verstauten ihre Prospekte, Bildbände, Postkarten u.a.m. in die Kleinwagen. Birthälm ade - bis zum nächsten Jahr.

Sachsentreffen in Birthälm: Tanz vor historischer Kulisse, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Kirchenburg. Foto: Fred Nuss
Sachsentreffen in Birthälm: Tanz vor historischer Kulisse, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Kirchenburg. Foto: Fred Nuss

Viele atmeten erleichtert auf: Die vermeintliche Unglückszahl 13 hatte sich schließlich nicht als solche erweisen hier, im einstigen Bischofssitz. Das 13. Sachsentreffen ging glücklich und zufriedenstellend für viele über die Bühne. Selbst Brukenthal hätte mitunter daran nichts auszusetzen gehabt, zumal schon der Gottesdienst zur Eröffnung der Veranstaltung in der Marienkirche mit nahezu 2 000 Gästen von nah und fern ganz im Geiste des Barons Samuel von Brukenthal stand, dessen anlässlich seines 200. Todestages gedacht wurde. Bischof D. Dr. Christoph Klein erklärte in seinem Grußwort: "Der Wahlspruch Brukenthals ‚Fidem genusque servabo', der sinnigerweise als Motto des heutigen Treffens gewählt wurde, kann als Devise der Zusammengehörigkeit von Glaube und Volk verstanden werden, weil das Volk der Sachsen sich - bis auf Ausnahmen - geschlossen zu dem einen, dem evangelischen Glauben bekannte und umgekehrt: Weil die Kirche voll und ganz dem Volk der Siebenbürger Sachsen diente."

Diese Zusammengehörigkeit wurde denn auch in den übrigen 13 Grußworten der Forums-, Regierungs- und landsmannschaftlichen Vertreter, des Parlamentsabgeordneten und der Gesandten ausländischer Gesandtschaften ebenso wie in der Festpredigt von Christian Plajer, Stadtpfarrer von Kronstadt, und in der Festrede von Prof. Paul Philippi heraufbeschworen, das Festhalten an Gemeinsamkeit der Sachsen von überall folgerichtig in Birthälm 2003 erlebt und gelebt.

Bundesvorsitzender Volker Dürr während seines Grußwortes in Birthälm. Foto: Fred Nuss
Bundesvorsitzender Volker Dürr während seines Grußwortes in Birthälm. Foto: Fred Nuss

Auch wenn sich viele traditionelle Lebensformen unserer Gemeinschaft mittlerweile verändert haben, wie Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, der Vorsitzende der Föderation der Siebenbürger Sachsen und der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland in seinem Grußwort hervorhob, so sollten wir trotzdem "in unserer heutigen Situation nicht einen Verlust, nicht das Ende unserer Identität, sondern eine Chance, eine Herausforderung sehen, mit unserem Gemeinschaftsleben, mit unserem Brauchtum, mit unserer reichen und wertvollen siebenbürgisch-sächsischen Kultur auch in den größeren Dimensionen der Gegenwart und der Zukunft zu leben und zu wirken - in Europa, in Kanada, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo immer wir leben."

Vorgelebt hat dies allemal die Landsmannschaft in Deutschland, denn: "In einer Entschließung des Deutschen Bundestags im Jahre 1997 hatte unser Parlament die Landsmannschaften u.a. gebeten, sich in die Ausgestaltung der Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarstaaten in einem Europa des Friedens, der Zusammenarbeit und der Verständigung einzubringen. Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen hat sich schon seit vielen Jahren daran gehalten, die südosteuropäische Brückenfunktion zwischen unseren Ländern mit auszufüllen. Davon zeugen die vielen Unterstützungsaktionen, die sie in den vergangenen Jahren von Deutschland aus organisiert und geleistet hat. Dafür möchte ich Ihnen, Herr Dürr, an dieser Stelle ganz herzlich danken." Das sagte der Mann, der in dieser seiner Funktion nun schon seit bald 13 Jahren die Sachsen hüben wie drüben vielseitig begleitet: Dr. Frank Reuter, BMI-Ministerialdirektor und Leiter des Rumänienreferats im bundesdeutschen Innenministerium, kam zwar schon oft nach Siebenbürgen, heuer jedoch erstmals zum Birthälmer Treffen.

Allein, die von Dr. Reuter angesprochen Brückenfunktion schlug so auch sinngemäß eine Brücke zu dem Geehrten, trug doch der gebürtige Leschkircher und durchaus vielseitiger Brückenbauer im heutigen Sinne ursprünglich den bürgerlichen Namen Brekner, von "de Brek wie sächsisch die Brücke. Also Brekner: der Brückner, der Brückenwächter", erläuterte Prof. Paul Philippi eingangs in seiner Festrede. Danach spannte der Ehrenvorsitzende des Landesforums in der Aula der Schule einen großen Bogen über den Zeitraum, als Brukenthal 1721 in Leschkirch geboren wurde - "wo heute kein einziger Sachse mehr wohnt" (Philippi) - und bis hin in die Gegenwart wie Zukunft. Dem Festredner ging es wie vielen Teilnehmern darum, zu erfahren, "ob er, der große Mann von damals, uns für heute, für morgen etwas zu sagen hat." Sein Fazit: "Das in Zukunft hinein weiter zu entwickeln, an das in der Gegenwart wieder Hand anzulegen, was er in Ansätzen für dieses Land zu verwirklichen unternommen hat - der Zeit des 21. Jahrhunderts angemessen, aber auch in veränderter Gestalt zur Bewährung der Substanz."

Das alles und vieles mehr, in der Birthälmer Kirchenburg und Schule gesagt, hat die Zuhörerschaft nachdenklich gestimmt. Auch Josef Liebhardt zeigte sich davon angetan und überlegte sogar kurzfristig, ob er nicht doch den vom DFDR-Abgeordneten Wolfgang Wittstock in seinem Grußwort angesprochenen Rückgabeforderungen in eigener Sache nachgehen sollte. In Marktschelken nämlich, wo er aufgewachsen war und 1964 seine in Australien geborenen Töchter während eines Kurzbesuchs in der alten Heimat taufen ließ, gehörten einst zum Familienbesitz Liebhardt die Dorfmühle und zwei Häuser. "Aber was soll's. Wir haben genug in Australien, können dies von dort aus sowieso nicht verwalten." Trotzdem fuhren sie tags darauf nach Marktschelken. "Wollen wenigsten die Mühle und Häuser aufsuchen, sollten sie noch stehen. Auf alle Fälle aber werden wir in die Kirche gehen. Denn an die Taufe kann sich eine meiner Töchter noch blass erinnern." Ingrid nickte: "Yes". Deutsch spricht sie nicht mehr, versteht aber nur zu gut die Sprache ihres Vaters, der sich von uns zuletzt mit einem "la revedere" verabschiedete.

Manfred Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgischer Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2003, Leitartikel)

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