10. März 2004

Künftiger Bundespräsident Horst Köhler stammt aus Bessarabien

Horst Köhler, geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, wurde am 4. März von den Unionsparteien und der FDP offiziell für die Wahl zum höchsten Staatsamt aufgestellt. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung hat Köhler beste Aussichten, am 23. Mai zum neunten Bundespräsidenten gewählt zu werden. Der von SPD und Grünen aufgestellten Universitätsprofessorin Gesine Schwan werden nur geringe Chancen eingeräumt. Beide Eltern Horst Köhlers stammen aus Bessarabien und nicht, wie rumänische und einige bundesdeutsche Medien irrtümlicherweise berichten, aus Siebenbürgen.
In seiner Biografie spiegele sich ziemlich "viel deutsche Geschichte wider", erklärte Horst Köhler in einem Spiegel-Interview. Seine Eltern waren Volksdeutsche aus Bessarabien, die in Ryschkanowka bei Glückstal, 180 Kilometer nördlich von Kischinau (heute Republik Moldau) lebten. Viele Bessarabiendeutschen wurden Anfang der vierziger Jahre von Nazi-Deutschland „heim ins Reich“ geholt und im ehemaligen Warthegau oder Ostpolen angesiedelt. Aus diesen Gebieten waren die polnischen Bauern vertrieben worden. Horst Köhler wurde als siebentes von acht Geschwistern am 22. Februar 1943 in Skierbieszow im besetzten Polen geboren. Vor der anrückenden Sowjetarmee floh seine Mutter mit fünf der acht Kinder im Januar 1945 bis nach Markkleeberg im Leipziger Land. Dort lebte die Familie – die Eltern waren Bauern - bis Ostern 1953. Dann flohen die Köhlers weiter über West-Berlin nach Baden-Württemberg, wo sie in Flüchtlingslagern in Weinsberg, Backnang und Ludwigsburg unterkamen. Hier verfestigte sich der Lebenslauf der Köhlers. In Ludwigsburg erhielten sie eine Wohnung und ebendort ging Horst Köhler aufs Gymnasium.

Auch heute bekenne sich Horst Köhler zu seiner Familiengeschichte, die von Flucht und Armut in den Nachkriegsjahren geprägt gewesen sei. Dies erklärte Dr. h.c. Edwin Kelm, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen, gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung. Kelm hatte ein ähnliches Schicksal wie Familie Köhler, die er bestens kennt. Der 75-Jährige war als mittelständischer Bauunternehmer im Kreis Ludwigsburg tätig und organisiert das 36. Bundestreffen der Bessarabiendeutschen am 6. Juni 2004 in Ludwigsburg.

Horst Köhler hat bundesdeutschen Medien zufolge beste Voraussetzungen, zu einem Bundespräsidenten aller Deutschen quer über die Parteigrenzen hinweg zu werden. „Überzeugungskraft über Parteigrenzen, aber auch über fachliche und internationale Gräben hinweg scheint ein roter Faden in der Karriere Köhlers zu sein.“ Er studierte Volkswirtschaft in Tübingen und begann seine politische Laufbahn 1976 in der Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums. Von 1981 gehörte der promovierte Volkswirt der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei unter Gerhard Stoltenberg an, der ihn nach dem Wahlsieg Kohls 1982 mit nach Bonn ins Bundesfinanzministerium nahm. 1990 war Köhler maßgeblich an den Verhandlungen über die deutsch-deutsche Währungsunion und die europäische Währungsunion beteiligt. Kanzler Helmut Kohl (CDU) verließ sich bei allen wichtigen Finanzentscheidungen auf ihn. 1993 wechselte Köhler zum Sparkassen- und Giroverband, 1998 wurde er auf Vorschlag Theo Waigels zum Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London ernannt. Und auch SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder ließ es sich nicht nehmen, Köhler Mitte 2000 auf den IWF-Chefsessel und damit einen der prestigeträchtigsten und schwierigsten Posten der internationalen Finanzwelt zu hieven.

Das Hamburger Abendblatt schreibt: „Deutschland importiert mit Köhler internationale Erfahrung. Der von Natur ungeduldige und kritische Mann tritt im höchsten Staatsamt einem Volk gegenüber, das mit kluger Hand wieder auf die Höhe seiner Leistungskraft gebracht werden muss. Für manche Deutsche mag das neu sein, nicht für ihn. Aber Köhler ist kein kalter ‚Macher‘. Bei aller Ruhelosigkeit orientiert sich sein Leben an der Familie, die in Meckenheim bei Bonn blieb, während er als Sanierer durch die Welt reiste.“

Der auf dem politischen Parkett national und international versierte 61-Jährige bringt also beste Voraussetzungen, ein Staatsoberhaupt aller Deutscher zu sein. Sein Schicksal macht ihn offen auch für die Anliegen der Aussiedler.

Siegbert Bruss

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