17. Juni 2002

Mattis-Teutsch in Hollywood

Zur Neuwertung eines siebenbürgischen Künstlers / In der renommierten Kunstgalerie "Louis Stern Fine Arts", Los Angeles/West Hollywood (Kalifornien/USA), ist - in Zusammenarbeit mit der "Mission Art Galéria", Budapest und Miskolc und der "Tamás Kieselbach Galéria", Budapest - vom 20. April zum 20. Juli eine Ausstellung zu sehen, die seit ihrer Eröffnung für weites internationales Interesse sorgt.
Unter dem Titel "Mattis-Teutsch und die ungarische Avantgarde, 1910-1935" werden rund 79 Arbeiten (Skulpturen, Gemälde, Grafiken und Zeichnungen) von fünfzehn repräsentativen Künstlern gezeigt.
Nach den beiden großen Retrospektiven, "Hans Mattis-Teutsch und der 'Blaue Reiter'" (2001) in Budapest und München wird das Werk des vielseitigen siebenbürgischen Malers, Graphikers, Dichters, Bildhauers, Kunsttheoretikers und -pädagogen nun zum ersten Mal in den USA vorgestellt - er ist mit 46 Arbeiten vertreten -, wobei diesmal seine prägenden Beziehungen zur ungarischen Avantgarde - am Beispiel von vierzehn Künstlern mit insgesamt 33 Arbeiten - illustriert und kommentiert werden.
Hans Mattis-Teutsch: Komposition (Linolschnitt)
Hans Mattis-Teutsch: Komposition (Linolschnitt)

Zur "Veranschaulichung einer Epoche" werden Aquarelle, Grafiken und Zeichnungen von unterschiedlichen, doch sehr bekannten Künstlern - László Moholy-Nagy, Lajos Kassák, Béla Uitz, Sándor Bortnyik, Csaba V. Perlrott, János Schadl, Hugó Scheiber, Béla Kádár, Lajos Tihanyi u.a. - gezeigt, "die heute zu den größten Namen der modernen Kunst gehören", so der Veranstalter und Galerist Louis Stern, und "von deren Wirken einst, 1910-1935, wichtige kreative Impulse ausgegangen sind." Im drucktechnisch exzellent gestalteten Katalog in englischer Sprache (128 Seiten, 95 Abbildungen) wird die Vielfalt der Einflüsse und Wechselbeziehungen in den ausführlichen Aufsätzen der beiden Kunsthistorikerinnen Éva Forgács (Los Angeles), derzeit Professor am "Art Center College of Design" in Pasadena (Kalifornien), und Dr. Éva Bajkay, Kurator der Ungarischen Nationalgalerie (Budapest), dokumentiert und erläutert. Am Anfang der Epoche steht, wie Éva Forgács aufzeigt, eine Generation junger Künstler, die weitgehend von Paul Cézannes Gestaltungsweise beeinflusst war, dessen Ausdrucksformen wesentliche Aufbauelemente des Kubismus und der abstrakten Malerei enthalten. Namen wie Béla Czóbel, Károly Kernstock, Róbert Berény u.a. gehören zu den Vorläufern jener Avantgarde, die sich dann um die Künstlerbewegung und die gleichnamige Zeitschrift "MA" gruppierte und später von Herwart Waldens "Sturm"-Kreis gefördert wurde. So war z.B. die 99. Ausstellung, Juli-August 1921, in der Berliner "Sturm"-Galerie, Potsdamer Straße 134 a, Paul Klee und Hans Mattis-Teutsch gewidmet. Das Plakat dieser denkwürdigen Gemeinschaftsschau ist ebenfalls im Katalog reproduziert.

Und so stellt sich hier wieder einmal die Frage - und die trifft auch auf einige andere bedeutende siebenbürgische Künstler zu: Wie hätte sich Mattis-Teutsch' Weg gestaltet, wenn er, nach seiner letzten Ausstellung im Ausland 1929, zusammen mit Gyula Hincz und László Mészáros in der Tamás-Galéria, Budapest, im westlichen Europa geblieben und nicht nach Kronstadt zurückgekehrt wäre? Gute Frage. In Kronstadt haben ihn später die Nationalsozialisten verfemt und als "Kulturbolschewisten" beschimpft, wie man in der damaligen Presse nachlesen kann; dasselbe wäre ihm aber auch in Deutschland widerfahren. Doch hier hätte sein Name weiterhin in der Reihe jener Künstler gestanden, mit denen er durch den "Blauen Reiter" verbunden war - auch wenn sie zeitweilig als "entartet" totgeschwiegen wurden.

Hans Mattis-Teutsch verstarb am 17. März 1960 vereinsamt und vergessen in Kronstadt. Wegen einer öffentlichen Konfrontation mit einem Parteifunktionär, 1957, hatte er nicht mehr ausstellen dürfen und seine Werke waren aus allen öffentlichen Museen und Sammlungen entfernt worden. Sein Abgang von dieser Welt wurde damals von der kommunistisch gelenkten Presse nicht beachtet. Hier in München, wo man einen so bedeutenden öffentlichen Kritiker des "Sozialistischen Realismus" wenigstens zur Kenntnis hätte nehmen müssen, geschah, aus welchem Grund auch immer, das Gleiche. "Das Urteil der Behörden und Kritiker scheint zwischen Grenzen und Zeiten endgültig zu sein", meinte 1965 die Witwe Marie Mattis-Teutsch, indem sie auf einen der ewiggestrigen Widersacher des Künstlers anspielte. Doch, wie man sieht, wurde auch dieses "Urteil" schließlich, wenn auch mit Verzögerung, aufgehoben.

Claus Stephani


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 15. Juni 2002, Seite 13)

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