28. Juli 2002

Schätze der Siebenbürgischen Bibliothek: Sammlungen über Persönlichkeiten

Im Siebenbürgen-Institut Gundelsheim mit Bibliothek und Archiv werden neben Büchern, Landkarten, Plakaten und Medien aller Art auch einige „laufende Sammlungen“ geführt. So sammelt die Bibliothek die Werke aller mehr oder weniger bedeutenden oder prominenten Landsleute sowie alles, was über sie geschrieben wurde.
Freilich wird nicht über jede dieser Persönlichkeiten ein ganzes Buch geschrieben, und nicht alle sind Buchautoren. Meist sind sie durch andere Leistungen öffentlich bekannt geworden, die in Zeitungsausschnitten, Programmheften, Lebensläufen, Lexika, Preisverleihungen, Nachrufen, Rezensionen u. Ä. überliefert sind.

Mitarbeiter und Freunde der Bibliothek werten bestimmte Zeitungen und Zeitschriften im Hinblick auf Siebenbürgisches aus und stellen diese Materialien mit Quellenangabe der Bibliothek zur Verfügung. Auf diese Art und Weise werden die Siebenbürgische Zeitung, die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, die Hermannstädter Zeitung und die Karpatenrundschau sowie Heimatortsblätter, kirchliche Periodika, Vereinsnachrichten usw. ausgewertet, aber auch die überregionale Presse und Fachveröffentlichungen. Von der FAZ bis zum Neuen Deutschland wird über Siebenbürger geschrieben, und natürlich auch in der internationalen Presse von der New York Times über die Neue Zürcher Zeitung bis zur Prawda. Es gibt siebenbürgische Lehrer, Biologen, Mediziner, Informatiker, Ingenieure, Komponisten, Künstler, Juristen, Politiker, Abgeordnete, Puppenspieler, Blaskapellendirigenten, Opernsänger, Suffragetten usw. usf. Wer weiß, wo es keine Siebenbürger Sachen gibt? Wer kennt schon all die Siebenbürger Sachsen, die z. B. unter Stalin stellvertretende Wirtschaftsminister der Sowjetunion waren und an der Kremlmauer beerdigt sind, die sächsischen Leibärzte indischer Maharadschas, die sächsischen Kindermädchen deutscher Bundeskanzler oder Porträtisten deutscher Außenminister, die Raumfahrtpioniere, Erfinder des Scheibenwischers und Konstrukteure von Magnetschwebebahnen, die wahnsinnigen Komponisten, Vollender der Bachschen Kunst der Fuge und deutschen Rockidole, die amerikanischen Westernhelden, die bekannten Tennistrainer und die weiteren unzähligen Entdecker, Forscher und Weltenbummler. Eigentlich ist es verwunderlich, dass noch kein Sachse einen Nobelpreis erhalten, noch keiner bei den olympischen Spielen gewonnen hat. Oder doch? Das Kandidatenreservoir ist in allen Disziplinen vorhanden.

Es ist wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel - die Siebenbürger sind überall. Und eigentlich gibt es nur bedeutende und prominente Landsleute - zumindest im Selbstverständnis. Davon zeugt auch die gern erzählte Anekdote, bei der Überfahrt des Kolumbus nach Amerika sei auch ein Siebenbürger dabei gewesen. Beim Landgang der Besatzung habe sich dieser Matrose verspätet und sei von Kolumbus verärgert gefragt worden, was er denn zu seiner Entschuldigung vorzubringen habe. Der Sachse antwortete, er sei von einem Landsmann, den er zufällig getroffen habe, durch ein längeres Gespräch aufgehalten worden. Wer beruflich als Journalist oder Bibliothekar mit Siebenbürgen zu tun hat, hat schon geschärfte Sinne, überall Siebenbürger zu sehen, und lässt sich auch durch die kuriosesten Funde nicht mehr beeindrucken.

Die „laufenden Sammlungen“ enthalten sowohl Systematisches als auch Zufallsfunde. So ist im Laufe der Zeit ein umfassendes Archiv von Persönlichkeiten entstanden, das ebenso wie die Bibliothek von der Sammelleidenschaft und der Aufmerksamkeit vieler Landsleute lebt. Private Sammler legen beispielsweise eigene Zeitungsarchive an. Manche dieser privaten Archive gelangen dann nach Gundelsheim, so dass die gesammelte Datenmenge stetig anwächst.

Und ist einer kein Siebenbürger, so hat er vielleicht doch gerade in Siebenbürgen eine bedeutsame Entdeckung gemacht - beispielsweise die der Homöopathie - oder Lehr- und Wanderjahre dort verbracht, mit berühmten siebenbürgischen Persönlichkeiten korrespondiert oder sie zum Vorbild gehabt. Auf diese Art und Weise gibt es siebenbürgische Bezüge bei Philipp Melanchthon, Andreas Gryphius, Samuel Hahnemann, Wladimir Iljitsch Lenin, Napoleon, Jacob und Wilhelm Grimm, Hermann Hesse, Thomas Mann, Günther Grass, Paracelsus oder Mozart, um nur einige zu nennen. (Leider nicht bei Goethe und Max Weber! Oder doch?)

Der an einer bestimmten Person interessierte Student, Doktorand, Biograf, Journalist oder Hobbyforscher kann so - falls Unterlagen existieren - relativ schnell zu einem Gerüst an Daten kommen und Verweise auf Stellen finden, wo es sich lohnt weiterzuforschen. Dieser Berg an Informationen kann als ergiebiger Steinbruch für alle möglichen Fragestellungen dienen. Wer Muße hat, kann sich diese Sammlungen ansehen und darin stöbern. Wer selber ein exotisches Sammelgebiet hat und dort siebenbürgische Bezüge entdeckt, ist aufgefordert, dieses Material der Siebenbürgischen Bibliothek zukommen zu lassen.

Gustav Binder


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2002, Seite 7)

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