14. Juli 2002

Handarbeiten von Katharina Müller in Nürnberg ausgestellt

Eine Ausstellung mit selbst gemachten Handarbeiten zeigte Katharina Müller anlässlich der „Aussiedlerkulturtage der Stadt Nürnberg“ am 8. Juni im Gemeinschaftshaus Langwasser. Was da zu bewundern war, ist nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die fleißige Frau in einem arbeitsreichen Leben parallel zur Haus-, Garten- und Gemeinschaftsarbeit geleistet hat.
Ein bekanntes siebenbürgisches Dörfer ist Schaas in der Nähe von Schäßburg. Es gibt sehr viele Anekdoten über Schaas und seine Bewohner, die nicht nur andere veräppelten, sondern auch gut über sich selber lachen konnten. Und das alles ging mit einer tiefen Gläubigkeit einher. In Schaas steht auf den meisten Häusern ein Spruch. Einer davon lautet:

Wenn die Herrn im Rathaus sitzen,
die Handwerksleut bei der Arbeit schwitzen,
die Bauern auf das Feld ausgehn,
dann muss das Land in Segen stehn!


In Schaas kam 1923 Katharina, geborene Platz, zur Welt. Sie verbrachte dort den größten Teil ihres Lebens als Bäuerin. Dort heiratete sie Franz Müller, zog zwei Töchter und zwei Söhne groß und ist mittlerweile stolze Großmutter von fünf Enkelkindern.

Katharina Müller mit einer von ihr gearbeiteten Zierdecke. Foto: Doris Hutter
Katharina Müller mit einer von ihr gearbeiteten Zierdecke. Foto: Doris Hutter
Im Alter von sieben Jahren entstand ihr erstes selbst gesticktes Deckchen im Stilstich auf von der Mutter gewebtem und mit Mustern beschriebenem Material. Neunjährig stickte sie eine Schürze, und im Alter von elf Jahren machte Katharina schon Hardanger-Arbeit. Zur Konfirmation, 15-jährig, netzte die junge Maid sich die Trachtenschürze und den Einsatz in das Trachtenhemd und im Alter von 19 Jahren eine Haube für das Baby der Nachbarin. Nach der Heirat 1944 war kriegsbedingt viel Improvisationsgeschick notwendig, um zu überleben. Katharina Müller füllte eine Marktlücke, indem sie als Ersatz für die knappen und kaum erschwinglichen Seidenstrümpfe genetzte Strümpfe und Handschuhe anfertigte.

In den zurückliegenden Jahren netzte, strickte, stickte, häkelte, webte, frivolierte Frau Müller unermüdlich, und es entstanden unzählige und sehr unterschiedliche Tischdecken, die genetzt, umhäkelt, gestickt oder mit Einsätzen versehen wurden. Auch Teppiche hat Frau Müller gewirkt und weit über 50 Gardinen genetzt. Vieles wurde den Kindern geschenkt oder verkauft. Aber die schönsten Exemplare hat die weitsichtige Künstlerin für Interessierte auf Fotos festgehalten.

1982 wanderte Katharina Müller mit der Familie nach Deutschland aus und ließ sich in Nürnberg nieder. Es bedurfte einiger kleiner Anpassungen, doch kurz danach ging’s im gleichen Tempo mit dem Handarbeiten weiter. Einiges lässt sich am besten bei gutem Licht auf der Terrasse machen, das andere wird in der Küche griffbereit aufbewahrt, vieles geht beim Fernsehen und das meiste beim Plausch mit den Gästen.

Was man dabei von dieser vielseitig interessierten Frau, Mutter, Großmutter, Gattin, Gärtnerin, Chorsängerin zu hören bekommt, sind nicht nur wertvolle Ratschläge zum Handarbeiten jeglicher Art, zur Ernährung, Gartenpflege und Nachbarschaftshilfe, sondern man erlebt in kurzweiliger Form siebenbürgische Dorfgeschichte pur: Katharina Müller weiß, welches das härteste Holz und wo es zu finden ist, dass man in Notzeiten Lava in die Farbe mischen sollte, um sie haltbar zu machen, dass man beim Ausfahren des Mistes nicht nur die Tiere anführen, sondern zugleich gekaufte Socken auftrennen und zu Knäueln wickeln kann, auch wie die Dorfpfarrer gelebt, welche Lieder wann gesungen und welche Sprüche an den Häusern ihres Heimatdorfes Schaas standen bzw. noch stehen. Beispielsweise dieser:

Der Anfang ward mit Gott gemacht,
dazu das End mit Dank vollbracht.


Wir danken Katharina Müller für ihre Ein- und Ausstellung, denn soviel Handfertigkeit, Fleiß und Heimatverbundenheit stimmen zuversichtlich. Deshalb schließen wir mit einem Spruch, der auf einer ganz bestimmten Schaaser Hauswand steht: Hoffnung ist der Wanderstab / Von der Wiege bis zum Grab.

Doris Hutter


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2002, Seite 6)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.