24. August 2002

Die Diktaturen Rumäniens

Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919-1944. Herausgeber Erwin Oberländer in Zusammenarbeit mit Rolf Ahmann, Hans Lemberg und Holm Sundhausen. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn, München, Wien, Zürich 2001, 698 S., ISBN 3-506-76186-2, 51,60 Euro.
Der vorliegende voluminöse Band umfasst die Referate einer wissenschaftlichen Tagung zum Thema „Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa in den Jahren von 1919 bis 1944“. Die Tagung fand in Lamprecht/Pfalz statt und wurde von der Volkswagenstiftung gefördert. Als Autoren zeichnen 14 Wissenschaftler.
Die Ländern der genannten Region waren Ende des 19. Jahrhunderts und nach dem Ersten Weltkrieg als unabhängige Staaten aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches, Russlands und der Habsburgermonarchie entstanden. In den Zwischenkriegsjahren lösten überall - außer in der Tschechoslowakei – autoritäre Regime mehr oder weniger gut funktionierende parlamentarische Systeme ab: 1919 in Ungarn, 1926 in Polen und Litauen, 1928 in Albanien, 1929 in Jugoslawien, 1934 in Estland und Lettland, 1935 in Bulgarien, 1936 in Griechenland und 1938 in Rumänien. Die Verfasser untersuchen die erwähnten Länder gesondert und versuchen zusätzlich in übergreifenden Betrachtungen zu erklären, warum die parlamentarischen Systeme versagten und autoritäre Regime an die Macht gelangten. Es ist dabei zu unterscheiden zwischen Präsidialdiktaturen in Ostmitteleuropa und Königsdiktaturen in Südosteuropa. Wir werden unsere Aufmerksamkeit auf Südosteuropa, insonderheit auf Rumänien richten.

Das schwierigste Problem, mit dem die jungen Balkanstaaten konfrontiert wurden, waren die durch die neuen Grenzziehungen entstandenen nationalen Minderheiten und die damit verbundenen Spannungen, da die jeweiligen Staatsnationen, vom Wunschdenken eines einheitlichen Nationalstaates geleitet, die multiethnische Bevölkerung ihres Staatengebildes zu ignorieren und nivellieren versuchten. „Die Grenzen der Staaten und die Grenzen in den Köpfen konnten nicht so rasch zur Deckung gebracht werden, wie die Nationalideologen dies wünschten ...Überall gab es Widersprüche, Illoyalitäten, Identitätskrisen und Verweigerungen gegenüber der imaginierten Nation.“ (Holm Sundhausen) Die nationalgesellschaftliche Diskrepanz wurde durch unterschiedliche Entwicklungsstadien der zusammengeschlossenen Landesteile und Völkerschaften verschärft, etwa zwischen den aus Österreich-Ungarn herausgelösten Provinzen und jenen, die dem Osmanischen Reich angehört hatten. Hinzu kam, dass die Demokratie keine Basis in den ländlich geprägten Ländern Südosteuropas mit einer großen Zahl von Analphabeten besaß und die Bauernmassen von den herrschenden Eliten manipuliert wurden. Nach Sundhausen stellen Jugoslawien und Rumänien „hybride Konglomerate extrem heterogener Teile“ dar.

Mit Rumänien befassen sich zwei Beiträge: Hans-Christian Maner untersucht die Voraussetzungen der autoritären Monarchie, Florin Müller die autoritären Regime in den Jahren 1938 bis 1944.

Maner weist nach der Darstellung der legislativen Grundlagen des modernen Rumänen (wobei er bis 1866 zurückgeht, als das Land die erste demokratische Verfassung erhielt), der Parteien und deren Politik, der Rolle des Monarchen, des parlamentarischen Lebens, dem Verhalten der führenden politischen Persönlichkeiten, der Stellung der intellektuellen Eliten sowie der orthodoxen Kirche in der rumänischen Gesellschaft darauf hin, dass schon vor 1937 Merkmale eines autoritären Regimes ausgemacht werden können. Sie kamen zur Geltung in der besonderen Stellung, die die Verfassung dem Monarchen und der Exekutive einräumte. Die Regierungen bedienten sich so genannter „autoritärer Aushilfen“ – Belagerungszustand, Zensur, Staatsschutz- und Ermächtigungsgesetze – , die das palamentarisch-demokratische System, das mehr schlecht als recht funktionierte, aushöhlten. Die politische Machtelite verfolgte, so Maner, in der Zwischenkriegszeit die Konsolidierung des neu zusammengefügten Staates sowie die Aufrechterhaltung des politischen status quo, ohne die Lage meistern zu können. Politische Skandale und Regierungskrisen diskreditierten die führenden Parteien und das Parlament. Die Forderung nach einem Ordnung schaffenden Faktor fand breite Zustimmung. Als erklärte Feinde des parlamentarischen Systems und als Wegbereiter der Diktatur trat insonderheit die Legionärbewegung (Eiserne Garde) auf, die einen christlich-orthodoxen Nationalismus sowie einen extremen Antisemitismus vertrat. König Karl II., der die Macht der Parteien auszuschalten trachtete, nutzte die Krise des Parlamentarismus, die durch die Niederlage der liberalen Regierung in den Wahlen von 1937 entstanden war, und setzte durch einen Staatsstreich (10. Februar 1938) nach einer Übergangsregierung die alte Verfassung außer Kraft. Die neu eingeführte Verfassung legte die legislativen und exekutiven Gewalten in die Hände des Königs. Das Parlament wurde zwar nicht aufgelöst, verwandelte sich aber zu einem Anhang der Exekutive. Alle Parteien wurden verboten und durch die Einheitspartei „Front der Nationalen Wiedergeburt“ und 1940 durch die „Partei der Nation“ ersetzt. Diese Königspartei sollte alle sozialen Schichten umfassen und die gesamte Nation vertreten. Damit war der Wandel von einer konstitutionellen zu einer autoritären Monarchie vollzogen – in der Geschichte als Königsdiktatur bezeichnet. Der König konnte das Aufbegehren der Legionäre abwürgen, indem unter anderen ihr Führer Corneliu Zelea Codreanu „auf der Flucht“ erschossen wurde.

Das Regime Karls II. scheiterte 1940 nicht in erster Linie an einer innerstaatlichen Opposition, obwohl die Eiserne Garde zu einem gefährlichen Gegner geworden war, sondern als Folge der erzwungenen Gebietsabtretungen – Bessarabiens und der Nordbukowina an die Sowjetunion, Nordsiebenbürgens an Ungarn und der Süddobrudscha (Cadrilater) an Bulgarien – und der dadurch ausgelösten Staatskrise. Karl II. musste als Sündenbock das Land verlassen, nachdem er den Thron seinem minderjährigen Sohn Michael I. und die Regierungsgewalt an General Ion Antonescu abgetreten hatte.

Es folgte nun die Antonescu-Diktatur, die zwei Phasen kennt: vom 6. September 1940 bis 23. Januar 1941 ein national-legionäres Regime, als die Eiserne Garde unter ihrem neuen Chef Horia Sima an der Regierung beteiligt war, und danach bis zum 23. August 1944 die Alleinherrschaft und Militärdiktatur Antonescus. Die Legionäre wurden ausgeschaltet, nachdem sie durch zahlreiche Morde an politischen Gegnern und Juden das Land in Schrecken versetzt und die Alleinherrschaft angestrebt hatten. General Antonescu konnte mit Zustimmung Hitlers den Putsch der Legionäre im Januar 1941 niederschlagen und, auf das Militär gestützt, allein regieren. Der noch minderjährige König Michael I. hatte keine Macht. Das Parlament wurde abgeschafft, der „Conducator“ (Führer), wie sich der zum Marschall avancierte Antonescu nannte, setzte sich zum Ziel, die Gesellschaft von oben nach unten mit Hilfe der Armee und ohne politischen Faktor zu reformieren. Er scheiterte schließlich daran, dass er an Seite Hitlers in den Krieg gegen die Sowjetunion angetreten war, was zu einem Desaster führte. Am 23. August 1944 wurde er abgesetzt und verhaftet. Rumänien geriet nun allerdings in den sowjetischen Machtbereich, und es folgte bis Ende 1989 die weit schrecklichere kommunistische Diktatur.

Nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur sucht man in Rumänien Anknüpfungspunkte an das parlamentarische Regime von vor 1938. Kritische Stimmen meinen allerdings, dass die demokratischen Institutionen der Vorkriegszeit einer nicht adäquaten Gesellschaft überstülpt worden seien und Rumänien daher einen Scheinparlamentarismus aufgewiesen habe.

Michael Kroner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 15. August 2002, Seite 6)

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