10. Oktober 2002

Heimstatt für betagte Landsleute

Zahlreiche Befürworter, Förderer und Spender beteiligten sich am 5. Oktober an der zehnjährigen Jubiläumsfeier des ersten landeskirchlichen Altenheims in Schweischer. Die lebensnotwendige und –fähige Einrichtung steht unter der Schirmherrschaft des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen.
"Einst, wenn du in der Fremde bist, weißt du, wie schön die Heimat ist". In diesem Spruch über ihrem Bett im Altenheim von Schweischer sucht die 79-jährige Anna Theil aus Felldorf oft Trost. Den Besucher jedenfalls macht sie im Gespräch gerne darauf aufmerksam, und wer sie dann noch fragt, wie es ihr geht, dem antwortet sie mitunter auf Sächsisch etwas resigniert: "Et vergiet" (es vergeht).

Dabei wohnt sie gar nicht in der Fremde, und ihre eigentliche Heimat hat sie vor sechs Jahren auch nicht verlassen. Vielmehr fühlte sie sich in ihrem Heimatdorf nach dem Tod ihres Ehegatten verlassen. Nach Deutschland, wie viele der Ortsbewohner aus dieser einst fast rein sächsischen Gemeinde in einem linken Seitental der Kleinen Kokel, konnte sie nach dem Umbruch auch nicht ziehen. So zog sie eben von der Grenze des Szeklerlandes ins benachbarte Repserland. "Ich hatte von dem Altenheim in Schweischer gehört, und stellte 1996 den Antrag." Seither gilt für sie, was der älteste Heimbewohner am 5. Oktober vor der Festversammlung im Begegnungshaus im Namen aller Mitbewohner feststellte: "Hätten wir diese Einrichtung nicht gehabt, wären viele von uns obdachlos geworden."

Auch der mittlerweile 94-jährige Hans Derji aus Viktoriastadt suchte Unterkunft in dem übrigens ersten landeskirchlichen Seniorenheim in Rumänien. Bereits 1990 hatte das Presbyterium aus Schweischer und der damalige Ortspfarrer Albert Sinn die Idee, im aufgelassenen Pfarrhaus ein Altenheim einzurichten. Mit den ersten Hilfen aus Deutschland, u.a. vom Verein "Rumänienhilfe" aus Dülmen wie auch von zahlreichen anderen Privatinitiativen, vorrangig aus Schleswig-Holstein, konnte zu Weihnachten 1990 der erste von bald zwölf Heiminsassen aufgenommen werden. Die Anzahl der Aufnahmeanträge nahm rasch zu. Nun ergriff der gebürtige Deutschkreuzer Dipl.-Ing. Michael Schmidt, heute der Alleinvertreter von BMW in Rumänien, die Initiative für einen zusätzlichen Neubau nebenan. Er stellte seine damalige Hermannstädter Firma "GERRO" zur Verfügung und gewann für die Finanzierung des Projekts das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Darum fühlt sich dieses Münchener Gremium, wie Peter Pastior, der Nachfolger von Willi Schiel im Amt des Sozialwerk-Vorsitzenden, bei der Jubiläumsfeier am 5. Oktober unterstrich, "auch heute noch als Schirmherr und Förderer des Heims und hat sich daher in den letzten Jahren besonders um die bauliche Erweiterung, aber auch um die Instandhaltung der bestehenden Bausubstanz gekümmert. In den kommenden zehn Jahre werden wir uns weiterhin", so Pastior, "in ganz besonderem Maße um den Fortbestand des Altenheims in Schweischer kümmern. Es wird uns immer, gemäß dem Spruch am Eingang, ('Durch Treue gestaltet, mit Liebe verwaltet, zum Wohle der Alten, Gott möge es erhalten', Anm. d. Red.) besonders am Herzen liegen."

Ehe 1998/99 auf dem Grundstück des Altenheims mit Mitteln ausschließlich des Sozialwerks die neue Begegnungsstätte mit Festsaal, Nebenräumlichkeiten und drei Gästezimmern errichtet wurde, gab es am 3. Oktober 1992 nach Abschluss des Neubaus ein erstes Fest "der Freude und Erfüllung". Zehn Jahre später, am 5. Oktober 2002, traf man sich fast in gleicher Runde zum zehnjährigen Jubiläum dieses eigentlich schon zwölfjährigen Altenheims wieder: Vertreter der Landeskirche mit Bischof und Pfarrern aus vielen Kirchengemeinden, des Siebenbürgenforums, der Landsmannschaft, des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen aus Deutschland, des Adele-Zay-Vereins aus Drabenderhöhe und viele andere Befürworter und Förderer der ersten Stunde dieser Einrichtung.

Sie alle ließen über anschauliche Bilder und tiefsinnige Gedanken, mit Parabeln und Anekdoten das Revue passieren, was bis zum heutigen Tag durch Geld und Kraft sowie vor allem Liebe und Zuneigung erreicht werden konnte. Kurz, ein Lob- und Dankopfer, wie Bischof Klein es in seiner Festpredigt formulierte.

Das größte Lob und der aufrichtigste Dank jedoch galt dem Ehepaar Karl und Ioana Hellwig für die "eigenwirtschaftliche Leitung" (Pastior) des Heims. Das Haus verfügt heute über eine Eigenwirtschaft mit Milchkühen, Hühnern, Schafen und Schweinen, die das an frischen Lebensprodukten liefert, was Spenden in Form von Geld und Sachgütern nun einmal nicht vermögen. Staatliche Unterstützung jedenfalls gibt es nicht. Eine siebenköpfige Mannschaft sorgt gegenwärtig dafür, dass in den insgesamt 12 Zimmern 28 Personen (davon 21 Frauen und sieben Männer) rund um die Uhr ein zweites Zuhause finden. Neun Insassen sind übrigens Pflegefälle. Bereits 98 Alte und Bedürftige haben seit der Eröffnung Aufnahme (71 Frauen, 27 Männer) gefunden. Das Durchschnittsalter beträgt 81 Jahre. Knapp über 100 Jahre alt wurde Marta Brenndörfer, die acht Jahre lang da lebte. Die jüngste Heiminsassin ist derzeit die geistesbehinderte Karin Höchsmann (29). 2002 haben zur Freude aller Anna Gulesch (82) mit Stefan Brîndușe (78) sogar einen Bund fürs Leben geschlossen.

So also hat das Altenheim bewiesen, was bereits 1992 der damalige Landeskirchenkurator und Präses des Diakonischen Werks (DW) der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Dr. Horst Haldenwang, unterstrich: "Die Altenbetreuung hierzulande ist nicht nur lebensnotwendig, sondern auch lebensfähig". Schließlich gingen von hier weitere Initiativen in gleicher Richtung aus. Derzeit verfügt allein das Diakonische Werk unserer Landeskirche über acht Sozialstationen in ganz Siebenbürgen (Kronstadt, Schäßburg, Mediasch, Hermannstadt, Heltau, Neppendorf, Sächsisch-Reen und Reußmarkt) sowie eine in Bukarest, in denen man neben den Altenheimen jeweils mit anderen Trägern in Hermannstadt, Blumenau/Kronstadt, Scholten, Hetzeldorf und Broos gleichfalls die Klippen der Vereinsamung umfahren und den Geist der Brüderlichkeit sowie die Liebe am Nächsten erfahren kann.

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2002, Seite 2)

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