15. Oktober 2002

Initiativen in Nordsiebenbürgen zusammengeführt

Ulrich Burger über seine Tätigkeit in Bistritz als Kulturassistent des Stuttgarter Instituts für Auslandsbeziehungen
Nach 1 767 km Autofahrt aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis sah ich Ende August 2001 den Turm der Stadtpfarrkirche von Bistritz als höchsten Punkt in der Silhouette der Stadt. Das Stadtpfarramt am Kornmarkt war schnell gefunden, meine Vorgängerin und das Stadtpfarrerehepaar erwarteten mich. Es war ein Mittwoch, als ich in Bistritz ankam und ich wurde mit einem freundlichen „Grüß Gott“, wie das eben in Siebenbürgen so üblich ist, von Frau Baciu empfangen.
Ulrich Burger
Ulrich Burger

Die Damen des Handarbeitskreises der evangelischen Kirche trafen sich wie jeden Mittwoch und begrüßten den Neuankömmling freundlich. Da meine Wohnung noch nicht fertig renoviert war, wurde ich kurzerhand im Gästezimmer des Stadtpfarramtes einquartiert. Mein Mitbewohner im Nachbarzimmer, Vikar Gerhard O. Servatius, war auch erst vor einigen Wochen aus Hermannstadt in das Nösnerland gekommen war, um sein Vikariat abzuleisten. Viele Abende bei einer guten Flasche Wein aus dem Keller von Lechnitz werden mir ebenso wie die Kochkünste des Vikars in guter Erinnerung bleiben. An den Sonntagen ging es nach dem Hauptgottesdienst meist zusammen mit Bebe, so wurde der Vikar schon bald von vielen genannt, zu den Gottesdiensten auf die kleinen Dörfer nach Moritzdorf oder Kuzma. Viele Gottesdienste wurden zum Erlebnis, als der Vikar seine Geige hervorholte oder als der Jugendchor „Laudamus“ in der Stadtpfarrkirche von Bistritz unter der Leitung von Vikar Servatius Konzerte bot. Auch hier konnte das Institut für Auslandsbeziehungen aus Stuttgart (ifa) bisweilen helfen. Sei es nur, dass ein Verlängerungskabel gebraucht wurde oder dass Gelder der Donauschwäbischen Kulturstiftung und des ifa für den Chor über das Betriebskonto des ifa-Kulturassistenten überwiesen wurden. Auf diese Weise ist eine anregende Freundschaft entstanden, von der ich bei der Entwicklung von Projekten und in meiner täglichen Arbeit profitieren konnte.

Das Institut für Auslandsbeziehungen hatte mich als Kulturassistenten nach Bistritz, Sächsisch-Regen und Neumarkt am Mieresch entsandt. Ich sollte die Arbeit an verschiedenen Projekten im Kulturbereich, die meine Vorgängerin Nadja Rademacher begonnen hatte, fortsetzen und die Ortsforen des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) in der Region bei ihren kulturellen Aktivitäten unterstützen. An der Schule mit deutscher Abteilung, dem Nationalkollegium „Liviu Rebreanu“, empfing mich die Direktorin Marianne Arcalean und erwartete wohl noch ein wenig skeptisch, was der „Neue“ denn wohl so machen würde. Mit der Herausgabe einer Schülerzeitung und einem Projekt zur Befragung von Zeitzeugen nach dem „Deutschlandbild der Siebenbürger Sachsen in den siebziger Jahren“ war ich aber schnell in den Betrieb der Schule integriert. Besonders die Mitglieder der Schülerzeitungsredaktion „Der Schrei“ waren begeistert bei der Sache und in einem halben Jahr konnten drei Ausgaben herausgebracht werden. Die Ergebnisse der Zeitzeugenbefragung werden im Jahrbuch „Analele Sighet“ veröffentlicht. Sie geben Aufschluss über die Sichtweise, mit die Angehörigen der deutschen Minderheit vor über 20 Jahren die beiden deutschen Staaten betrachteten. Höhepunkt der Arbeit an der Schule war jedoch das 2. Deutschsprachige Gymnasialtheaterfestival Ende April 2002, an dem sich fast 100 Schüler aus drei Ländern beteiligten.

Kornmarkt in Bistritz an einem Sonntagmorgen im September 2001. Foto: Ulrich Burger
Kornmarkt in Bistritz an einem Sonntagmorgen im September 2001. Foto: Ulrich Burger

In der Geschäftsstelle des Forums traf ich den Vorsitzenden Jakob Theiss. Zusammen mit dem Bistritzer Forum galt es, verschiedene Projekte zu realisieren, darunter eine Ausstellung mit Werken des Malers und Graphik-Designers Anton Stankowski im Januar 2002, die das ifa nach Bistritz geschickt hatte. Hinzu kam eine Aufführung der deutschen Abteilung des Radu Stanca Theaters aus Hermannstadt im Kulturhaus von Bistritz, dem Gebäude des ehemaligen deutschen Gewerbevereins. Unvermittelt entstand auch ein weiteres Projekt. Auf einer Mitgliederversammlung des Forums im November 2001 wurde gefragt, warum es in Bistritz keine Tanzgruppe gäbe. Auf meine Anfrage hin erklärten sich Gerhild Angyalosi und Kathie Pop bereit, eine solche Gruppe zu betreuen. Acht Mädchen und acht Jung in der 9. Klasse der deutschen Abteilung wurden dafür schnell gefunden. Die Trachten nach Bistritzer Vorbild entstanden in Eigenarbeit zusammen mit dem Handarbeitskreis der evangelischen Kirche und der deutschen Abteilung der Schule. Spender aus Bistritz und Deutschland finanzierten die Arbeit, die ein Beispiel dafür ist, was alles erreicht werden kann, wenn verschiedene Institutionen und Gruppen zusammenarbeiten. Wenn das Theaterfestival der Höhepunkt der Arbeit an der Schule war, so war das Wiesenfest in Tekendorf das wichtigste kulturelle Ereignis in der Arbeit mit dem Forum. An dem Fest beteiligten sich alle drei Foren aus der Region mit Chören, Blasmusik und Tanzgruppen. Als Gäste konnten Generalkonsul Peter Adamek, die Präfekten der Kreise Bistritz-Nassod und Muresch sowie die Bürgermeister von Bistritz und Sächsisch-Regen begrüßt werden. Über 250 Teilnehmer feierten an einem warmen Juliabend, und Bürgermeister Eckehard Zaig sorgte mit den 48 noch in Tekendorf lebenden Siebenbürger Sachsen für das leibliche Wohl der Akteure. An dieser Stelle sei angemerkt, wie unbürokratisch das ifa manchmal auch sehr kurzfristig ein Projekt realisieren hilft. Es gab keine Bühne für die Tanzgruppen, der Kiesboden des Parkes war zum Tanzen denkbar ungeeignet. Zusammen mit Bürgermeister Zaig wurde dann kurzerhand der Vorschlag gemacht, über Nacht eine Bühne aus Beton zu gießen – eine Bühne aus Holz wäre viel zu teuer gewesen. Nur einen Tag nach der Anfrage kam für die Aktion grünes Licht aus Stuttgart.

An den Donnerstagen ging es regelmäßig nach Sächsisch-Regen und Neumarkt am Mieresch. Das Forum in Sächsisch-Regen erwies sich dabei als das am besten organisierte. Alle Positionen im Vorstand sind besetzt und es werden zahlreiche gemeinschaftsfördernde Veranstaltungen durchgeführt. Zusammen mit den Vorsitzenden Ernst Bachmann und (dann ab Dezember 2001) Robert Zajzon wurden mehrere Aktivitäten in Reen durchgeführt. Hierzu gehörte die Bildung einer Jugendgruppe mit Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren, die verschiedene Ausflüge unternahm (z.B. Fahrten in das Deutsche Kulturzentrum nach Klausenburg zu Spielnachmittagen). Ohne die Unterstützung der evangelischen Kirche wäre dies nicht möglich gewesen. Pfarrer Zoran Kezdi stellte den VW-Bus der Kirche zur Verfügung und seine Konfirmanden waren bei den Auflügen auch dabei. Hinzu kam der Besuch eines Clowns im Auftrag des ifa, von dem die Kinder in Reen und Neumarkt begeistert waren. Das Neumarkter Forum mit seinem Vorsitzenden Wilhelm Goldner unterstützte ebenfalls die Arbeit des Kulturassistenten.

In diesem knappen Jahr stellte ich fest, dass die Sachsen in Nordsiebenbürgen sehr auf die Stärkung ihrer kulturellen Arbeit bedacht sind und die Förderung des Gebrauchs der deutschen Sprache durch die Projekte des ifa besonders an den Schulen willkommen ist. Der ifa-Kulturassistent ist oftmals auch ein wichtiges Bindeglied zwischen den Siebenbürger Sachsen, die, so der Eindruck zu Beginn meiner Arbeit, in Nordsiebenbürgen wie auf Inseln leben, zwischen denen keine Schiffe fahren. Einer wusste vom anderen nichts oder nur wenig. Dies auszugleichen und Verbindungen zwischen Bistritz, Sächsisch-Regen und Neumarkt zu knüpfen, ist eine wichtige Aufgabe des Kulturassistenten in der Region. Darüber hinaus kann die Anwesenheit eines ifa-Kulturassistenten auch viel zu einer positiven Entwicklung der Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien beitragen. Die interessierte rumänische Öffentlichkeit begrüßte die Arbeit des Kulturassistenten und beobachtete seine Aktivitäten genau. Probleme von rumänischer Seite gab es zu keinem Zeitpunkt, im Gegenteil. Die Leiterin des Kulturhauses in Bistritz, Cornelia Negrea, stellte dem Forum die Bühne für das erwähnte Theaterstück kostenlos zur Verfügung, da dieses Gebäude doch einmal der deutschen Gemeinschaft gehört habe, wie sie meinte.

Am 31. Juli 2002, meinem letzten Tag in Bistritz, konnte ich im Rückspiegel noch einmal den Turm der Stadtpfarrkirche sehen. In diesem anregenden und spannenden Jahr hatte ich die Chance, mit vielen Menschen in Nordsiebenbürgen, ganz gleich welcher Nationalität, konstruktiv zusammenarbeiten zu können.

Ulrich Burger


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2002, Seite 4)

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