17. Oktober 2002

In München: Sächsisches Mundartseminar und Autorenlesung

Das Haus des Deutschen Ostens (HDO), München, und der Siebenbürgisch-Sächsische Literaturkreis laden alle Interessierten für Samstag, den 19. Oktober, zu einem siebenbürgisch-sächsischen Mundartseminar und einer Autorenlesung in das HDO, Am Lilienberg 5, ein.
Die UNESCO hat den 21. Februar zum "Tag der Muttersprachen" erklärt. Damit will die Kulturorganisation der Vereinten Nationen ein Zeichen setzen angesichts der Tatsache, dass Monat für Monat durchschnittlich vier Idiome verschwinden, so dass in etwa 100 Jahren von den gegenwärtig 6 500 geschätzten Sprachen nur noch ungefähr ein Drittel existieren wird. Allein in Europa stufen Linguisten 73 kleinere Sprache als bedroht ein, darunter Baskisch, Bretonisch, Sorbisch und Friesisch. Während Saterfriesisch westlich von Bremen immerhin noch von 2 000 Menschen gesprochen wird, gibt es in Australien mehr als 20 Sprachen, die nur noch jeweils einen Sprecher haben. Wie viele davon sind aufgezeichnet? Mit wie vielen haben sich Sprachforscher befasst?

Bayern konnte in diesem Jahr an den 150. Todestag von Johann Andreas Schmeller erinnern, den "Vater der wissenschaftlichen Dialektologie". Er hatte als Autodidakt 1837 sein vierbändiges Werk, das „Bayerische Wörterbuch“, nach zehnjähriger Arbeit beendet und seinem König und Mäzen, Ludwig I., vorgelegt. Schmeller hat in seiner Sammlung 16 000 Wörter und Ausdrücke erfasst, die in der „lebenden Mundart vorkommen und in der heutigen allgemeinen deutschen Schriftsprache entweder gar nicht oder nicht in derselben Bedeutung üblich sind“. Wie viele würden es heute sein, die er noch erfassen könnte?

Und wie steht es mit dem Siebenbürgisch-Sächsichen? Wir haben es im Verlauf der vergangenen einhundert Jahren auf acht Bände gebracht und werden wohl noch einige Jahre warten müssen, bis – es fehlt immerhin noch ein Drittel des Alphabetes – der letzte Band vorliegen wird. Wird bis dahin noch jemand diesen deutschen Dialekt sprechen bzw. verstehen oder sich gar noch jemand dafür interessieren, um ihn bearbeiten zu können? In Siebenbürgen selbst sind es wohl nur noch maximal 15 000 Mundartsprecher, in Deutschland etwas mehr, aber wie lange noch? Sowohl in Siebenbürgen wie auch in Deutschland ist absehbar, dass die Sprache am Ende dieses Jahrhunderts nur auf Tonband und schriftlich aufgezeichnet der Nachwelt erhalten bleiben wird.

Umso wichtiger erscheint es, diesen Prozess des Verschwindens hinauszuzögern. So lange es noch Sprecher dieser Mundart gibt, werden sich auch noch Zuhörer finden, die sich für Vorträge wie jenen interessieren, den Prof. Dr. Helmut Protze aus Leipzig über „Hauptmerkmale der siebenbürgisch-sächsichen Mundart“ am Samstag, dem 19. Oktober, 10.00 - 12.00 Uhr, im Haus des Deutschen Ostens (HDO), Am Lilienberg 5, in München halten wird. Nach der Mittagspause, ab 15.00 Uhr, lesen acht siebenbürgisch-sächsische Mundartautoren aus ihren Werken: Stefan Hann, Rose Schmidt, Hilda Femmig, Martin Hedrich, Bernddieter Schobel, Elisabeth Kessler, Oswald Kessler, Hilde Juchum und Doris Hutter. Durch das Programm führt Maria Guni. Die Musikalische Umrahmung übernimmt der Reußmarkter Chor München unter der Leitung von Paul Staedel. Das HDO ist mit allen Münchner S-Bahnen, Haltestelle „Rosenheimer Platz“, zu erreichen.
Weitere Auskünfte: Elisabeth Kessler, Telefon: (089) 44 99 93-114 (8.00-14.30 Uhr) oder (0 89) 68 05 04 34 (abends).

Udo Acker

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