17. November 2002

Siebenbürgen aus anderem Blickwinkel

Rezension des Buches Wim van der Kallen / Henrik Lungagnini: „Siebenbürgen. Tausend Jahre europäische Kultur“; Sonderausgabe für Flechsig-Buchvertrieb; Lizenzausgabe für das Verlagshaus Würzburg GmbH & Co KG, Würzburg 2002 (Originalausgabe Adam Kraft Verlag, Würzburg), 208 Seiten; 12,95 Euro, ISBN 3-88189-443-8.
Ein Klugredner räsoniert vielleicht: "Nach all den Siebenbürgen-Bildbänden noch einer mehr? Macht das Sinn?“ - Richtig wäre es, das Erscheinen eines solchen Buches zu begrüßen, denn Siebenbürgen ist noch immer zu wenig bekannt, und es ist erfreulich, dass sich immer wieder Autoren zu historischen Darstellungen in Wort und Bild angeregt fühlen.



Wir kennen die Beschreibung Siebenbürgens vor allem aus siebenbürgisch-sächsischer, also aus deutscher Sicht, halten diese für die einzig Richtige. Im vorliegenden Band geht es nun in Text- und Bildteil um eine Darstellung aus der Perspektive ungarischer Geschichtsschreibung. So weit so gut, wenn diese Tendenz nicht zu offensichtlich hervortritt. Der Wunsch Leopold Max Moltkes (Siebenbürgen-Lied, 1846), es möge sich um alle Söhne Siebenbürgens das Band der Eintracht schlingen, ist leider nicht in Erfüllung gegangen. Wenn die drei Nationalitäten - Deutsche, Ungarn und Rumänen - immer am gleichen Strang gezogen hätten, wäre aus Siebenbürgen ein der Schweiz ähnliches Land geworden. Das hat sich im Verlauf der Geschichte leider nicht verwirklicht.

Von den insgesamt 208 Seiten des Bandes enthalten 96 Seiten Text und 112 Seiten farbfotografische Abbildungen. Der Text behandelt nach vorwiegend ungarischen Quellen die ungarische Geschichte Siebenbürgens sowie zahlreiche kulturgeschichtliche Fragen insbesondere zur materiellen Kultur (Kirchenbauten, Gold- und Silberschmiedekunst, Teppiche, weltliche Malerei, Baukunst im 19. Jahrhundert, Burgen und Adelssitze, Barockbauten, Städte und ihre Bürger, Haus- und Wohnkultur, Trachten und Brauchtum). Wegen der vielen Detailschilderungen wird es dem mit Siebenbürgen weniger vertrauten Leser nicht leicht gemacht, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Es wird überall die Tendenz sichtbar, ungarische Leistungen hervorzuheben. Das Rumänentum wird nur am Rande erwähnt und oft nur in negativem Sinn. Dass dabei die rumänische Kontinuitätstheorie strikt abgelehnt wird, ist nicht verwunderlich.

Lokalisierungen sind manchmal schwierig, wenn nur die ungarischen Ortsbezeichnungen gebraucht werden. Allerdings führt das Register der Ortsnamen durchgehend den deutschen, ungarischen und rumänischen Ortsnamen an. Zur Orientierung dient auch eine Siebenbürgen-Karte, auf der die Ortsnamen dreisprachig eingetragen sind. Einige Kuriositäten entdeckt man in der Terminologie, wenn z. B. von „Kirchburgen“ oder von der „National-Universität“ die Rede ist.

Der Bildhauer Magnussen, Schöpfer des Honterus-Denkmals in Kronstadt, war kein sächsischer Künstler, sondern Berliner. Als Flüchtigkeitsfehler wollen wir schließlich vermerken, dass die Schwarze Kirche im Text einmal nach Hermannstadt „verlagert“ wird. Die auf den Text bezogenen Bemerkungen gelten gleichermaßen für den Bildteil. Es wird in erster Linie das ungarische Siebenbürgen vorgestellt, nur an zweiter Stelle das sächsische und mit Abstand folgen rumänische Kulturelemente.

Trotz seiner einseitigen Betrachtungsweise dokumentiert der Bildband immerhin überzeugend die tausendjährige Kulturlandschaft Siebenbürgen, so wie es der Untertitel verspricht. Siebenbürgen, das macht den Reiz der Lektüre aus, wird aus einer wenig bekannten Perspektive betrachtet.

Walter Roth


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2002, Seite 8)
Siebenbürgen - Tausend Jahre e
Wim van der Kallen
Siebenbürgen - Tausend Jahre europäische Kultur

Weidlich/Flechsig in Verlagshaus Würzburg GmbH & Co. KG
Gebundene Ausgabe

Jetzt bestellen »

Bewerten:

1 Bewertung: ––

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.