28. November 2002

"Kathrein - sperrt den Tanz ein"

Der Kathreinenball knüpft an eine lange Tradition in Siebenbürgen an. Am Abend des Katharinentages fanden einst in fast allen Ortschaften Tanzunterhaltungen der Jugend statt. Diese Tradition wird in Deutschland durch zahlreiche Herbstbälle fortgeführt. SJD-Pressereferentin Inge Erika Knoll nimmt den jüngsten Ball in Nieder-Olm zum Anlass, das Brauchtum rund um den Kathreinentag zu beleuchten.
Der Kathreinenball der Kreisgruppe Alzey/Nieder-Olm/Saulheim und der dazugehörigen Tanzgruppe Nieder-Olm fand am Samstag, dem 9. November, in der Ludwig-Eckes-Festhalle in Nieder-Olm statt. Der Ball war auch diesmal gut besucht, zumal an diesem Wochenende auch das Treffen der HOG Sankt-Georgen in Nieder-Olm abgehalten wurde. Die Tanzgruppe Nieder-Olm führte in ihren schönen Festtrachten des Nösnerlandes einige Tänze aus ihrem umfangreichen Repertoire auf: Sudetendeutsche Tanzfolge, Böhmischer Ländler und Sprötzer Achterrühm. Das Publikum klatschte begeistert Beifall. Die Musikband "Happy Music" spielte bis in die frühen Morgenstunden zum Tanz auf. Zum guten Gelingen trugen sowohl die Kreisgruppe Alzey/Nieder-Olm/Saulheim als auch die Tanzgruppe Nieder-Olm aktiv bei. Für das leibliche Wohl der Gäste sorgten die vielen fleißigen Hände einiger Mitglieder der Kreisgruppe, denen an dieser Stelle im Namen des Vorstandes der Kreisgruppe sowie auch der Tanzgruppenleitung für ihr Engagement ganz herzlich gedankt werden soll.

Der Kathreinenball knüpft an eine lange Tradition in Siebenbürgen an. Am Abend des Katharinentages fanden einst in fast allen Ortschaften Tanzunterhaltungen der Jugend statt. Wenn einst die Feldarbeiten und Weinlese beendet waren und das Kraut eingelegt in der Bütte ruhte, blickte man voller Erwartung dem „Kathreinenball“ entgegen. Der Katharinentag war ein wichtiger Namenstag in Siebenbürgen, um ihn ranken sich viele Bräuche. Die Mägde der Schwesternschaft luden die Knechte der Bruderschaft zum Tanz ein. Zur Feier des Tages backte die Schwesternschaft Pfannkuchen („Platschinta“), zu denen die Bruderschaft den Wein beisteuerte. An diesem Tag fand gleichzeitig auch der letzte Spinnabend vor Advent statt, wenn die Burschen zum letzten Mal zu den Mädchen in die Spinnstube gehen durften. Sie hatten das Recht beim Spinnen zu stören, ja sogar den Rocken zu zerbrechen, weswegen die Mädchen statt des schön geschnitzten Rockens einen Rebpfahl mitnahmen, der dazu noch im Rauch zäh und schwer zerbrechlich gemacht worden war, und statt Hanf das gröbste Werg mitbrachten.

Mit dem Beginn eines neuen Kirchenjahres und der bevorstehenden Adventszeit, der Bußzeit- und Fastenzeit, war der Katharinentag für die Jugend der letzte Anlass im Jahr, fröhlich und ausgelassen zu sein, gemäß dem Sprichwort: „Kathrein - sperrt den Tanz ein!“ Die Kirche bestimmte einst in Siebenbürgen nicht nur das Leben jedes einzelnen Menschen, sondern Jahr für Jahr das Geschehen in der ganzen Gemeinschaft. Im Rhythmus von Arbeit und Feier setzte die Kirche durch die Kirchenfeste die Höhepunkte im Ablauf des Kirchenjahres, das mit dem ersten Adventsonntag begann und mit dem Ewigkeitssonntag endete. Der Tag der Heiligen Katharina ist der 25. November. An diesem Tag begann die Buß- und Fastenzeit. Ihre Dauer wurde nie exakt festgelegt. Zum einen konnte man sich nicht auf das Datum einigen: 25. Dezember oder 6. Januar; zum anderen auch nicht auf den Zeitraum: 40 Tage ohne Sonntage, sechs Wochen mit sechs Adventsonntagen, vier Wochen mit vier Adventsonntagen oder überhaupt nur „vier Wochen“. Anders ist es mit der österlichen Buß- bzw. Fastenzeit. Da Ostern immer auf einen Sonntag fällt, beginnt diese Periode immer 40 Werktage vorher, d. h. am Aschermittwoch, für den es ja kein festes Datum gibt. So hat man sich schließlich in Siebenbürgen darauf geeinigt, die weihnachtliche Bußzeit zwischen dem 25. November und dem 25. Dezember zu halten, also grob „4 Wochen“ ohne die Sonntage gerechnet. Davor feierte man den Kathreinenball.

Der Tag der Heiligen Katharina würdigt die Märtyrerin Katharina, deren Symbol das Rad ist, auf das sie angebunden einen Berg hinuntergerollt werden sollte, um so ihres Glaubens wegen das Martyrium zu erleiden. Katharina erlitt unter Maximianus oder seinem Sohn Maxentius um das Jahr 310 den Märtyrertod. Die Heilige Katharina wurde im Mittelalter sowohl im Osten als auch im Westen verehrt. In Siebenbürgen wurde der Katharinentag gefeiert, im Westen wurde unter anderem das erste Adventsgebäck gebacken, die „Kathrinchen“, die als Thorner Katharinen weltberühmt geworden sind. Diese leckeren Kuchen haben auch heute noch die Form von Kettengliedern. Sinnbildlich soll einem durch diese Kettenglieder eine Last auferlegt werden, die aber in Wirklichkeit süß ist.

Der Name Katharina ist griechischer Abstammung und wurde ursprünglich „Aikaterina“ geschrieben. Übersetzt heißt Katharina "die allzeit Reine". Dieser Name stand also sinnbildlich dafür, Vorbereitungen für den Beginn des neuen Kirchenjahres zu treffen, sich also zu reinigen, Buße zu tun und zu fasten. Somit konnte man einst geläutert dem bevorstehenden Christfest entgegensehen.

Das über Jahrhunderte hinweg entstandene Brauchtum, zu dem auch der Katharinentag gezählt werden kann, war mit den Jahreszeiten und den vielfältigen Arbeitsverrichtungen der bäuerlichen Bevölkerung eng verbunden. Ob die alten Sitten und Gebräuche für die heutige Zeit noch Geltung haben, bleibt abzuwarten. Bräuche und Sitten - herausgerissen aus den gewachsenen Strukturen, in denen sie entstanden sind - verlieren ihren eigentlichen Sinn und laufen Gefahr, zu einem bloßen Ritual zu verkümmern, bis auch dies sich in der Zeiten Lauf verlieren wird. Es stellt sich also für die nachfolgende Generation die Frage, was von alledem erhaltenswert ist. Was aber bis zum heutigen Tag geblieben ist, ist die Freude der Jugend an den Gepflogenheiten ihrer Väter und Großväter, die von ihnen auch heute noch zu besonderen Anlässen, wie dem traditionellen „Kathreinenball“, mit Leben erfüllt werden. Das Pflegen eines alten Brauchs kann für viele ein Stück Heimat bedeuten, es trägt erheblich zur Identitätsfindung der Jugend bei und macht die Gegenwart im Lichte der Vergangenheit besser verständlich. Diese alten Bräuche aus der Heimat bilden ein unsichtbares Band, das die Siebenbürger Sachsen überall auf der Welt verbindet. Das Pflegen dieser Bräuche trägt dazu bei, das Erbe der Ahnen zu bewahren und es an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.

An dieser Stelle sei Pfarrer Robert Kraft, ehemaliger Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Olm, für seine Ausführungen zum Thema Passions-/Fastenzeit und Heiligenverehrung gedankt. Mit diesem Artikel soll Pfarrer Kraft die Verbundenheit und der Dank der in Nieder-Olm und Umgebung lebenden Siebenbürger Sachsen ausgedrückt werden. Pfarrer Kraft ist es zu verdanken, dass unsere Landsleute nach ihrer Aussiedelung nach Deutschland hier Wurzeln schlagen und eine neue Heimat, ein neues Zuhause finden konnten. Durch sein Bemühen haben viele Landsleute neue Freunde gefunden und sind mittlerweile im Leben der Gemeinde Nieder-Olm und der benachbarten Gemeinden integrierte, angesehene und geschätzte Mitbürger geworden. Michael Ihm, Vorsitzender der Kreisgruppe Alzey/Nieder-Olm/Saulheim, sei ebenfalls für weiteres Quellenmaterial zu diesem Thema gedankt. Diese Zeilen sind in stillem Gedenken meiner Groß- und Urgroßmutter gewidmet, die beide den Namen Katharina trugen.

Inge Erika Knoll


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2002, Seite 17)

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