12. Dezember 2002

NATO bietet Rumänien den Beitritt an

Beim Prager NATO-Gipfel Ende November wurden sieben nord- und südosteuropäische Länder eingeladen, dem Militärbündnis beizutreten. Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Slowenien und Rumänien werden nach der Ratifizierung der Beitrittsurkunden im kommenden Frühjahr 2004 neue Mitglieder der Allianz. Rumänien sieht in einem NATO-Beitritt die erste klare Anerkennung der Zugehörigkeit zur westlichen Hemisphäre seit dem Fall des Kommunismus.
Premierminister Adrian Nastase würdigte den Prager Beschluss in einer Direktübertragung von Radio Bukarest als „Ergebnis der anhaltenden nationalen Anstrengung“ Rumäniens. Staatspräsident Ion Iliescu dankte den rumänischen Bürgern, allen politischen Kräften aber auch den Rumänen in der Diaspora für ihren Beitrag, der zu diesem positiven Ergebnis geführt habe. Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich „außerordentlich erfreut“ über den bevorstehenden Beitritt der ehemals kommunistischen Staaten, berichtet die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ). Bei seiner Rumänien-Visite im Anschluss an die Prager Konferenz betonte US-Präsident George W. Bush die Rolle Rumäniens als Brücke zwischen der NATO und Russland und sicherte dem osteuropäischen Land seine Unterstützung zu: „Wenn jemand Rumänien bedroht, werden wir, die USA und die NATO, an Ihrer Seite sein.“ Nichtsdestoweniger wird von allen Seiten betont, dass Rumänien die begonnenen militärischen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen zügig fortführen müsse. „Die Einladung Rumäniens zum NATO-Beitritt ist kein Geschenk, sondern bedeutet harte Arbeit“, mahnte die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright anlässlich ihres Rumänienbesuchs.

In einer Analyse im Vorfeld des Prager Gipfels stellt die Frankfurter Allgemeine Zeitung fest, dass Rumänien „viele gute Argumente“ für einen NATO-Beitritt hat. Rumänien sei nicht nur das bevölkerungsreichste und geostrategisch wichtigste Land in Südosteuropa, sondern hätte darüber hinaus seinen außenpolitischen Kurs der Westorientierung seit 1990 trotz diverser Regierungswechsel konsequent verfolgt. Rumänien ist als erstes ex-kommunistisches Land dem NATO-Programm Partnership for Peace (PfP) beigetreten, seit 1998 verhält sich die rumänische Regierung wie ein de-facto-Mitglied der Allianz. Die konsequente Beitrittspolitik wurde auch nach dem Regierungswechsel 2000 fortgesetzt. Die sozialdemokratische Regierung in Bukarest reagierte nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 prompt und stellte als erstes Land Ost-Mitteleuropas den NATO-Mitgliedstaaten seinen Verteidigungsraum zur Verfügung und ist mit einem Kampfverband an der Afghanistan-Schutztruppe ISAF beteiligt. Trotz vorsichtiger Kritik von Seiten der Europäischen Union unterzeichnete Rumänien als erstes europäisches Land das umstrittene Abkommen mit den USA, das die Nicht-Auslieferung von möglichen US-Kriegsverbrechern an den Internationalen Strafgerichtshof in den Haag vorsieht, merkt die Deutsche Welle an.

Rumänien sei erheblich besser auf einen NATO-Beitritt vorbereitet, als es die Kandidaten der ersten Runde waren, schreibt die Politologin Anneli Ute Gabanyi in einer Studie der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP - Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit), ebenfalls im Vorfeld des NATO-Gipfels. „Rumänien hat seine Hausaufgaben bei der Streitkräftereform tatsächlich gemacht.“ Eine baldige NATO-Mitgliedschaft Rumäniens würde Demokratie und Stabilität in Europa stärken. Insbesondere in Südosteuropa könnten die durch eine baldige Mitgliedschaft erzielten Stabilisierungseffekte in Rumänien und Bulgarien auf benachbarte Staaten ausstrahlen. Ferner würden die Bemühungen um eine rasche Umsetzung gesamtgesellschaftlicher Reformen zweifellos Auftrieb erhalten und ausländische Investitionen begünstigen. Ein weiterer Effekt der wirtschaftlichen Stabilisierung wäre eine Dämpfung des Migrationsdrucks: Im letzten Jahrzehnt hat Rumänien 1,3 Millionen Einwohner, vor allem durch Auswanderung, verloren. Die NATO-Vollmitgliedschaft würde in Rumänien, wo die Bevölkerung vor und nach der Wende besonders schweren Belastungen ausgesetzt war, zum Abbau sozialer Spannungen beitragen. Von einem solchen Schritt erwarten die rumänischen Bürger – die in Umfragen zu über 80 Prozent eine NATO-Beitritt ihres Landes befürworten – international mehr politische Respektabilität und wirtschaftliche Attraktivität, einen Modernisierungsschub und eine Stärkung der Inneren und Äußeren Sicherheit.

Die SWP-Studie empfiehlt daher, Rumänien ohne weitere Verzögerungen in die NATO aufzunehmen. Dadurch könnten die zunehmend wahrgenommene geostrategische Bedeutung, die Leistungen der Streitkräfteform, das kooperative Krisenverhalten, die wachsende Interoperabilität und die hohe Akzeptanz des NATO-Beitritts in der Bevölkerung in Rumänien zu einem Stabilitätseffekt in gesellschaftlicher und wirtschaftspolitischer Hinsicht führen, betont die Berliner Politologin.

Christian Zgârdea

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