15. Dezember 2002

Heiter bis wolkig - Geschichten von Krieg und Frieden

Andreas Birkner: „Der Brautschmuck des Sebastian Hann. Erzählungen“, Verlag Südostdeutsches Kulturwerk, München 2002
Der Kurzgeschichtenband „Der Brautschmuck des Sebastian Hann“ von Andreas Birkner (1911-1998) besteht zum größten Teil aus bis dato unveröffentlichten Werken, die im Archiv des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München aufbewahrt werden. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge beschreibt Birkner die Zustände in Siebenbürgen vom Zweiten Weltkrieg bis zu den großen Auswanderungswellen gegen Ende des 20. Jahrhunderts.

Verpackt in virtuose Erzählungen, offenbaren sich seine gute Beobachtungsgabe und seine Liebe zum Detail, die ebenso emotionale Zwischentöne wie alltägliche Begebenheiten widerspiegeln. Bitterkeit paart sich mit Ironie, wenn Birkner – wie in der titelgebenden Erzählung „Der Brautschmuck des Sebastian Hann“ – über die NS-Zeit oder die verheerenden Folgen des Kommunismus schreibt. Keine menschliche Schwäche, keinen tragischen Charakterfehler lässt er aus, wenn es darum geht, hinter die Masken seiner Figuren zu blicken und ihnen ein vertrautes Gesicht zu geben. Seine Akteure sind keine abgehobenen Fantasiegestalten, sondern Menschen „wie du und ich“, die ein hohes Identifikationspotential aufweisen. Manchmal hält man im Lesen inne und stellt erstaunt fest, dass Birkner genau das Bild in Worte fasst, das man sich selbst gerade im Kopf zurecht gelegt hat.

Hans Bergel, ein Freund und schriftstellerischer Weggefährte Andreas Birkners, hebt in seinem Nachwort hervor, dass dessen hauptsächliches künstlerisches Anliegen war, „epische Atmosphäre herzustellen“. So lässt Birkner dem Leser keine Zeit, langsam in die Erzählungen einzusteigen, sondern geht in altbewährter Kurzgeschichtenmanier schon mit dem ersten Satz „in medias res“, und es bleibt einem nichts anderes übrig, als sich auf diese Unmittelbarkeit einzulassen. Dafür wird man im Verlauf jeder einzelnen Erzählung mit unbefangener, temperamentvoller und unkonventioneller Sprache und ebensolchen Motiven belohnt, die gleichzeitig zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregen.

Andreas Birkner erschafft in jedem seiner Texte, und sei er noch so kurz, einen einzigartigen Mikrokosmos, in den er „als erster respektabler Erzähler der Regionen um die Süd- und Ostkarpaten die Vertreter sämtlicher dort lebender Nationen und Ethnien aufnahm“, wie Bergel ausdrücklich schreibt. Nicht ausschließlich Deutsche, sondern genauso Rumänen, Ungarn und Zigeuner finden Eingang in seinen Figurenkatalog und runden somit das gesellschaftliche Bild ab, das der Autor immer wieder aufs Neue in all seiner Fülle zeichnet.

All diese Ingredienzien – Sprache, Figurenrepertoire, Motivik und nicht zuletzt die epische Atmosphäre – bewirken, dass man sich als Leser auf merkwürdig befremdliche Art und Weise in den Geschichten zu Hause fühlt und sich immer wieder fragt, wie Andreas Birkner genau das schreiben konnte, was man selbst gern in manchen Situationen des Lebens in solch treffende Worte fassen möchte.

Das Buch ist zu bestellen im deutschen Buchhandel oder direkt bei Herold Druck- und Verlag GmbH, Raiffeisenallee 10, 82041 Oberhaching, Telefon: (0 89) 61 38 71 15, und kostet 18 Euro.

Doris Roth


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2002, Seite 4)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.