4. Februar 2003

"...seinem Volk zu dienen"

Wilhelm Roth hat in einer aufwändigen Initiative eine Replik des 1999 gestohlenen Seitenreliefs des Kronstädter Honterus-Denkmal erstellt. Wie in dieser Zeitung berichtet, wurde Roths Erstlingwerk am Reformationstag 2002 eingeweiht.
Johannes Honterus (1498-1549) wirkte als Humanist, Drucker, Verleger, Schulmann und Reformator. Ihm zu Ehren vollendete der Berliner Bildhauer Harro Magnussen 1898 ein Honterusdenkmal, das, zwischen Schwarzer Kirche und Honterusschule aufgestellt, am Sockel zwei Reliefs hatte, von denen eines Honterus beim Korrekturlesen in seiner Druckerei zeigte. Die Bildhauerin Margarete Depner weckte im Kind Willi Roth Fertigkeiten im Modellieren und die Verehrung für gerade dieses Relief am Sockel des Denkmals.

Schon in den achtziger Jahren machte der Kronstädter Wilhelm Roth Detailfotografien und beschaffte sich einen Gipsabdruck vom Gesicht des Honterus, um seinen Wunsch, eine Nachbildung des Reliefs für sein Wohnzimmer zu erstellen, zu realisieren. So wurde es für ihn nur noch eine Frage der Abwicklung, nachdem im Januar 1999 das kostbare Bronzerelief entwendet wurde. Erst mussten die genauen Maße beschafft werden. Dafür begab sich Roth 2001 nach Kronstadt. Danach druckte er das Bild der Relieftafel in Originalgröße aus und legte es mehreren Kunstgießereien vor. Mit den folgenden Kostenvoranschlägen begann für Wilhelm Roth ein schwieriges Kapitel. Aber der Satz am Sockel des Honterusdenkmals ERRICHTET 1898 AUS FREIEN GABEN VON VOLKS- UND GLAUBENSGENOSSEN war für ihn wegweisend.

Wilhelm Roth bei der Ausarbeitung seines Wachsmodells vor dem Bronzeguss.
Wilhelm Roth bei der Ausarbeitung seines Wachsmodells vor dem Bronzeguss.

Wie am 15. Mai 2002 in dieser Zeitung erwähnt, hatte die HOG Kronstadt zugunsten des Altenheims in Kronstadt von einer finanziellen Beteiligung am Projekt von Wilhelm Roth abgesehen. Roth übernahm die Erstellung des Modells im Wert von 7 000 DM auf eigene Rechnung und konnte mit seiner zusätzlich geleisteten Arbeit die Kosten des Projektes halbieren. Es standen aber noch Kosten für Silikonabguss- und Bronzeguss sowie andere Nebenkosten an. Die Kreisgruppe Augsburg erlaubte dankenswerter Weise, dass die Kollekte des Gottesdienstes anlässlich der 50-Jahr-Feier der Kreisgruppe, rund 1 500 DM, dem Projekt von Roth zugute kam.

Zur Deckung der restlichen Kosten eröffnete Roth ein Spendenkonto, schrieb „Bettelbriefe“, sammelte selber bei allen möglichen Veranstaltungen und ließ sich von begeisterten Landsleuten helfen. Unterstützung kam, neben der Kreisgruppe Augsburg, vom Seniorenkreis Augsburg und den Kreisgruppen Karlsfeld-Dachau und Bad Tölz-Wolfratshausen. Roth: „Die Reaktionen waren verschieden. Besonders in Erinnerung ist mir dabei ein Anruf geblieben, den meine Frau Marianne entgegengenommen hat: ‚Sagen Sie bitte Willi, es ist toll, was er macht. Ich will auch spenden, ich habe aber momentan kein Geld, muss es mir erst erarbeiten. Ich schicke in den nächsten Monaten in zwei Raten je 50 DM.‘ Auch Samuel Kraus meldete sich telefonisch: ‚Unsere Kreisgruppe wird in der nächsten Zeit ein Kronenfest in Garching abhalten. Da werde ich um Unterstützung bitten.‘ Herr Kraus hat mit seiner Mutter Anna blau-rote Herzen ausgeschnitten, hinten mit einem Doppelklebeband versehen und damit in Absprache mit der Kreisgruppe für die Unterstützung des Projektes gesammelt. Das geht unter die Haut!“

Annähernd 1 000 Siebenbürger Sachsen haben dieses Projekt unterstützt. Zur handwerklichen Ausführung gab der Bildhauer Kurtfritz Handel dem Techniker Roth einige gute Ratschläge, die Roth mit großer Dankbarkeit annahm.

Wilhelm Roth ist Kulturreferent der Kreisgruppe Augsburg. In dieser Funktion hat er 1990 die Vortragsreihe „Die Deutschen in Rumänien“ im Bukowina-Institut angeregt und eröffnet und führt sie als monatliche Vortragsreihe „Verständnis füreinander“ in Augsburg weiter. Im Alter von über 60 Jahren hat er erfolgreich den Einstig ins Internet mit seiner Homepage www.wilhelm-roth.de gewagt. Hier ist auch seine Arbeit am Relief des Honterusdenkmals dokumentiert.

Im Herbst 2002 übernahm ein Augsburger Busunternehmen den Transport des dem Original frappierend ähnlichen Bronzegusses nach Kronstadt. Nachdem es die rumänische Grenze unbeschadet passiert hatte, atmete Wilhelm Roth so richtig auf. Danach setzte er sich ins Flugzeug, weil er mit Stadtpfarrer Christian Plajer übereingekommen war, dass der 31. Oktober, Tag der Reformation, ein idealer Einweihungstermin sei.

Am 9. Oktober wurde Roths Bronzerelief mit Hilfe von Horst Hügel, zweier Arbeiter und des Fachmanns Gavril Ceuca eingesetzt. Roth berichtet: „Horst Hügel hatte vier Verankerungsbolzen mit Gewinde und Widerhaken aus Inox gemacht. Dazu eine Pumpe aus einem Plastikrohr gebaut, mit der der schnell härtende Zement, den ich mitgeschickt hatte, in die Löcher gespritzt wurde. Danach wurde die Bronzerelieftafel im Beisein des Stadtpfarrers Christian Plajer, des Rechtsanwalts Sav Dan, des Wirtschaftlers Horst Hügel, der Kuratorin Gundel Einschenk und dem Stadtarchivar Gernot Nussbächer eingesetzt“.

Am nächsten Tag ging Wilhelm Roth ins Honterus-Gymnasium und bot Direktor Hans Wilk an, vor dem Hintergrund des Vorfalls zu Schülern über das Honterusdenkmal zu sprechen. Der fand den Vorschlag gut, da er in den „Geschichtsunterricht über die Minderheiten“ in den drei siebenten Klassen passe. In den folgenden Wochen besuchte Roth Veranstaltungen, historische Orte und Museen, die er akribisch unter die Lupe nahm und auf seine Homepage setzte. Dem Deutschen Forum bot er im Rahmen der Volksuniversität den Vortrag „Die Wiederherstellung der geraubten Honterus-Relieftafel“ an, worauf Stadtpfarrer Plajer alle Presbyter schriftlich zum Vortrag einlud. Im Gottesdienst am Sonntag, dem 27. Oktober, wurden in beiden Kirchen der Vortrag und am Reformationstag die Gedenkminute am Honterusdenkmal bekannt gemacht.

So erschienen zum Vortrag am Dienstag etwa 60 Gäste. Ein Journalist lobte Roths Homepage, bat um ein Interview für die Deutsche Radiosendung (am 1. November ausgestrahlt) und bezeichnete sein Schaffen als einmalige Leistung, die im ganzen Land bekannt gemacht werden müsste. Die Geschichtsstunden im Honterus-Lyzeum musste er wegen fortschreitender Krankheit absagen.

Am Reformationstag fand der Gottesdienst um 18 Uhr statt. Das Denkmal wurde mit Scheinwerfern von unten beleuchtet. Es sah sehr feierlich aus. Der Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, Wolfgang Wittstock, und der Hermannstädter Stadtpfarrer, Siegfried Schullerus, gaben Roth die Ehre. Die Predigt hielt Stadtpfarrer Christian Plajer. Am Ende des Gottesdienstes lud er alle Anwesenden zu einer Gedenkminute zum Denkmal ein. Dort sprach er über die hervorragende Zusammenarbeit von Kirche und sächsischer Bevölkerung über Jahrhunderte hinweg sowie vom Werk und Wirken Honterus. Dann würdigte er Roths Arbeit und überreichte ihm als Dank einen Druck von Fritz Kimm „Die Schwarze Kirche“.

Roth stieg danach auf eine Stufe des Denkmals und sagte: „Ein Drittel meines Lebens bin ich nun schon in Deutschland. Meine Seele aber, die ist immer noch hier. Diese Arbeit hätte ich nicht schaffen können ohne die Hilfe vieler anderer Menschen, die ebenso wie ich gefühlt und die Arbeit für nötig empfunden haben. Denen spreche ich hiermit meinen Dank aus.“ Mit Händedruck verabschiedete er sich von den Anwesenden. Familie Schlandt, die mit einem Dahlienstrauß gratuliert hatte, fuhr den kranken Ehrengast nach der Gedenkfeier in sein Quartier.

Wilhelm Roth wurde einige Stunden nach seiner Ankunft in Augsburg operiert und befindet sich auf dem Weg der Genesung, die wir ihm von Herzen wünschen. Wir sind ihm sehr dankbar für seinen Dienst an uns allen und stolz auf unseren Landsmann!

Doris Hutter


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2003, Seite 19)

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