9. März 2001

Landsmannschaft weiß sich ihrem Kulturauftrag in Offenheit für das Neue verpflichtet

Bei einem Empfang, den der neue Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Staatsminister Julian Nida-Rümelin, in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundes gegeben hat, wohin Kulturträger aus der gesamten Republik geladen worden waren, ist es am 20. Februar auch zu einem Gespräch des "Philosophen im Kanzleramt", wie er gerne von den Medien genannt wird, mit dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Volker Dürr, gekommen. Wenige Tage später informierte Dürr den SPD-Politiker in einem Schreiben über die kulturellen Aktivitäten seines Verbands, über einschlägige Ziele und Vorhaben.
Als ein Ziel des Meinungsaustausches in Bonn hatte Nida-Rümelin in seinem Einladungsschreiben genannt, Ansätze zu "einer guten Zusammenarbeit" zu finden, da er seine Aufgabe darin sehe, "gemeinsam mit unseren Partnern in den Ländern und Gemeinden für ein kreatives kulturelles Klima in unserem Land zu sorgen".
Bekanntlich hatte Nida-Rümelin Mitte Januar den bisherigen Kulturbeauftragten des Bundes, Michael Naumann, als Staatsminister im Kanzleramt abgelöst. Zuvor hatte sich der Sohn eines Malers und promovierte Philosoph, nach einer Professur an der Universität Göttingen, gut zwei Jahre lang als einschlägiger Referent der Stadt München nicht nur kulturpolitische Sporen verdient, sondern "an der Basis" auch Einsicht in die Höhen und Tiefen der kulturellen Alltagspraxis gewonnen. Nach derartigen Erfahrungen scheint ihn Abgehobenheit nicht zu kennzeichnen, worauf übrigens auch seine in der Fachwelt anerkannten Veröffentlichungen schließen lassen: sie sind in der Hauptsache der "angewandten Ethik", der Wissenschaft vom sittlichen Handeln, und der "praktischen Philosophie" gewidmet. Jedenfalls hat Dürr bei dem Gespräch in Bonn, so der Bundesvorsitzende gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung, den Eindruck gewonnen, dass der neue Staatsminister eher als sein Vorgänger "die Ebene erkennt, auf der wir uns bewegen", zumal, wie aus einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers über die Bonner Veranstaltung zu entnehmen war, Nida-Rümelin in seinem Statement vor der Versammlung von etwa 300 geladenen Repräsentanten deutscher Kultureinrichtungen unterstrichen hatte, dass der Staat zwar seinen Gestaltungsauftrag bei der finanziellen Unterstützung von Kultur wahrnehmen wolle, jedoch ohne dass die "Eigendynamik der kulturellen Entwicklung" beschädigt werden dürfe: "Freundliche Begleitung ja, Einmischung oder gar Bevormundung nein", folgerte das Kölner Blatt.
Zwischen dem Staatsminister und Dürr wurde während des Gesprächs in Bonn verabredet, dieser solle den SPD-Politiker in einem Schreiben über die kulturellen Aktivitäten seines Verbands, über einschlägige Ziele und Vorhaben detaillierter in Kenntnis setzen. Inzwischen ist der Brief an den Bundesbeauftragten hinausgegangen. Darin werden die Grundzüge der landsmannschaftlichen Kulturarbeit zusammengefasst. Erinnert wird daran, dass sich der Verband bereits in seiner ersten Satzung, die er sich 1949 gab, zur "Sammlung, Pflege und Förderung heimatlichen Kulturguts" verpflichtet hat und dieser Verpflichtung "bis heute nachgekommen" ist. Das sei, so Dürr in seinem Brief, nicht nur in der eigenen kulturellen Breitenarbeit zutage getreten, sondern gleichermaßen in einer "vielfältigen Zusammenarbeit" sowohl mit bundesdeutschen als auch mit "siebenbürgischen kulturellen und gesellschaftlichen Institutionen und Einrichtungen", also grenzüberschreitend. Zu "zentralen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen in der Bundesrepublik" haben sich dabei die Siebenbürgische Bibliothek und das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim entwickelt, für deren "Erhalt" der Staatsminister im Brief "um Unterstützung" gebeten wird.
Wenn in den Jahren des Eisernen Vorhangs die Aktivitäten des Verbands in Richtung Siebenbürgen hauptsächlich "nur im sozial-karitativen Bereich möglich" gewesen seien, obzwar sich die Landsmannschaft auch politisch engagiert und sich beispielsweise "vehement für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien schon vor 1967 eingesetzt" habe, so sei für die Landsmannschaft heute, nach dem Überwinden der europäischen Zweiteilung, der Kulturaustausch mit dem Herkunftsland wichtiges Ziel ihrer Bemühungen um grenzübergreifenden Dialog und die Wahrnehmung ihrer natürlichen Brückenfunktion.
Dabei spiele zweifellos die 1983 ins Leben gerufene Föderation der Siebenbürger Sachsen eine wichtige Rolle, der inzwischen 1993 - neben den siebenbürgisch-sächsischen Verbänden in Deutschland, Österreich, Kanada und den USA - auch das gleich nach dem Umsturz von 1989 in Rumänien gegründete "Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen" als Vollmitglied beigetreten ist. Auf dieser Grundlage habe sich, so Dürr, ein ständiger und vielfältiger Austausch geradezu institutionalisiert: gegenseitige Besuche von Vertretern und Kulturgruppen bei Großereignissen wie die Sachsentreffen in Birthälm oder die Heimattage in Dinkelsbühl, Einladungen in beiden Richtungen zu Tourneen, Vortrags- und Lesereisen von Musikern, Künstlern oder Literaten, die Mitwirkung der Landsmannschaft an den Rumänischen Kulturtagen 1999 in München und den Bayerischen Kulturtagen 2000 in Hermannstadt. Zudem habe die Landsmannschaft u.a. eine sich anbahnende Städtepartnerschaft zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg angeregt, die auch Thema auf der Podiumsdiskussion des diesjährigen Pfingsttreffens sein wird. Wie sehr gerade auch dieses im Zeichen des Brückenschlags in einem zusammenwachsenden Europa stehe, sei unter anderem daraus ersichtlich, dass Günter Verheugen, der deutsche EU-Kommissar für Osterweiterung, auf dem Heimattag zu Pfingsten dieses Jahres als Festredner auftreten werde.
Besonderes Augenmerk, schreibt Dürr in seinem Brief an den Staatsminister, schenke man zudem der Jugendarbeit, wo man ebenfalls ständig um Austausch bemüht sei und wiederholt die Teilnahme von Jugendlichen aus Siebenbürgen an den regelmäßigen Föderationstreffen finanziell unterstützt habe. Zudem beabsichtige die Landsmannschaft, noch in diesem Jahr ein "Deutsch-Rumänisches Jugendwerk" zu initiieren, um dessen projektbezogene Förderung im Schreiben gebeten wird.
Man kann nur hoffen, dass der neue Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien die im Brief aufgeführten Fakten als das zur Kenntnis nimmt, was sie sind: Zeichen einer keineswegs "selbstreferenziellen", rückwärtsgewandten, sondern einer weltoffenen, auf Zukunft orientierten Kulturarbeit, die durchaus förderungswürdig ist. Wenn er in der Tat die kulturelle Praxis zum Maßstab nimmt, wie es für viele Beobachter den Anschein hat, dann müsste damit eigentlich zu rechnen sein.

Hannes Schuster

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