9. März 2001

Wenig ermutigende Signale aus Bukarest

Rumänien hat wie kaum ein anderes osteuropäisches Reformland Probleme bei der Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen und damit auf seinem Weg nach Europa. Das katastrophale Erbe der nationalkommunistischen Diktatur ist noch lange nicht überwunden, zudem nähren Rückgriffe auf einstige Ideologeme und Praktiken die Zweifel westlicher Partner und auch der Medien an einer Überwindung der schlimmen Hinterlassenschaft. Der altneue Staatspräsident Ion Iliescu hat sich erst kürzlich als Intimfeind der Privatisierung zu erkennen gegeben.
Die Situation im Land und in seiner Bevölkerung stellt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) wie folgt dar: "Die Wende hat den Rumänen im Gegensatz zu solch erfolgreichen Nachbarn wie den Ungarn oder selbst den Bulgaren nur Mühsal und Not beschert. Wegen nur halbherziger marktwirtschaftlicher Reformen, wachsender Korruption und Ineffizienz sind große Teile der Bevölkerung verarmt. Mehr als 40 Prozent der 23 Millionen Rumänen fristen ihr Dasein am Existenzminimum und kämpfen täglich ums nackte Überleben. Unter den zehn mittel- und osteuropäischen Kandidatenländern bildet Rumänien weit abgeschlagen das Schlusslicht. Es ist das einzige Transformationsland, in dem der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen während des Umwandlungsprozesses zugenommen hat. Die Flucht in die Landwirtschaft als letztem Rettungsanker hat zwar viele vor dem Hunger und einem erniedrigenden Bettlerdasein gerettet; mit dem Anstieg der landwirtschaftlichen Beschäftigung von 28 auf 36 Prozent ist das postsozialistische Rumänien aber den direkten Weg in die Unterentwicklung gegangen."
Die Wahlen Ende letzten Jahres, bei denen sich die tief frustrierten Stimmberechtigten en masse dem demagogischen Rechtsextremisten Corneliu Vadim Tudor und seiner Großrumänienpartei zugewandt hatten, ließen, so die FAZ, "im europäischen Ausland die Alarmglocken läuten". Zwar genieße dort die neue Minderheitsregierung der Sozialisten (PDSR), die sich mehrheitlich aus erfahrenen Fachleuten mit genügend Sachkenntnuis zusammensetzt, relativ hohes Vertrauen, doch auch sie gehe nur sehr zögerlich bei der Durchsetzung von Reformen ans Werk. Drei Monate nach der Wahl warte man immer noch "auf richtungsweisende Entscheidungen zur Privatisierung der großen, unwirtschaftlichen staatlichen Konzene". Ohne alle diplomatischen Schnörkel habe daher der für die Osterweiterung zuständige EU-Kommissar Verheugen Regierungschef Nastase mitgeteilt, meldet die Frankfurter Allgemeine, Brüssel wolle endlich Resultate sehen: "Schöne Reden, schriftliche Ausarbeitungen und mündliche Versprechungen genügten nicht mehr."
Doch gerade auch die "schönen Reden" geben zu denken. Erst kürzlich hat sich der altneue Staatspräsident Iliescu in einer Ansprache vor einer Versammlung von Geschäftsleuten in Focsani als Intimfeind der Privatisierung geoutet. Dort nämlich urteilte er abfällig, Privateigentum sei "Humbug" ("Este un moft chestiunea aceasta, cu sfanta proprietate privata care sta la originiea vietii sociale."), erinnerte an die guten alten Zeiten der Urgemeinschaft "davor", als noch der Gemeinbesitz das Gesellschaftleben bestimmt habe, und ritt zudem Attacken gegen Währungsfonds und Weltbank. Selbst wenn man das rumänische Wort "moft" nicht als das übersetzt, was es im Deutschen in unterschiedlichen Zusammenhängen noch bedeuten kann, nämlich nicht bloß "Laune" oder "Nichtigkeit", sondern auch "Kniff" und "Betrug" und "Schwindelei", hat sich der Staatschef, daran ist nicht zu rütteln, mit seinen Äußerungen in Focsani durchaus als sattelfester Kenner und gläubiger Verfechter der marxistisch-leninistischen Gesellschaftstheorie zu erkennen gegeben.
Nach heftigen Reaktionen in den Medien auch des Auslands beeilte sich zwar Iliescus Präsidialbüro, die Äußerungen des Dienstherrn zurückzunehmen, doch dessen Privatisierungsminister blies fast zeitgleich ins selbe sozialistische Horn, als aus seinem Hause die Order kam, jeder Käufer einer staatlichen Firma müsse sich ab nun, wie ebenfalls die FAZ meldete, "vertraglich dazu verpflichten, während eines Zeitraums von fünf Jahren das Tätigkeitsprofil des Unternehmens nicht zu verändern", das kommunistische Erbe also mitzuschleppen, oder aber es blühen ihm hohe und höchste Geldstrafen. Das alles nährt die Zweifel ausländischer Investoren erheblich an der "marktwirtschaftlichen Grundeinstellung" (FAZ) der derzeitigen rumänischen Führung. Die Signale, die von ihr ausgehen, sind wenig ermutigend.

hs

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