10. August 2003

Packende Chor- und Ballettmusik

Ein Publikumsrenner, keine Frage. Und doch machen viele Chorleiter einen großen Bogen um das wohl erfolgreichste Chorwerk des 20. Jahrhunderts - sie wissen wohl auch warum. Denn Carl Orffs „Carmina Burana“ stellt besonders an Laiensänger die größten Ansprüche hinsichtlich Stimmvolumen, Intonation und Rhythmus. Davon, in welch außerordentlichem Maß diese Eigenschaften bei den vier Chören unter der Leitung von Ilse Maria Reich bereits ausgeprägt sind, konnte sich am 12. Juli in der neuen Laabertalhalle in Rottenburg und einen Tag später im vollen Bürgerhaus in Ergolding jeweils eine begeisterte Zuhörergemeinde (über 1 000 Konzertbesucher!) überzeugen.
Kaum einer, der nicht das „O Fortuna“ oder das „In taberna“ im Ohr hätte. Bei solcher Popularität hat man es mit den Erwartungen des Publikums besonders schwer. Doch der Projektchor, bestehend aus der Chorgemeinschaft der Städtischen Musikschule Rottenburg (einstudiert von Ilse Maria Reich), dem Chor der Auferstehungskirche Landshut, dem Jugendchor „Quodlibet“ sowie dem erfrischend musizierenden Kinderchor „Ohrwürmer“ der Städtischen Musikschule Landshut (alle drei von Grete Csibi einstudiert), wusste vom ersten Takt mitzureißen. Es waren packende 75 Minuten. Mächtig klang das „O Fortuna“, dann mit kurzen, gehackten, vibrierenden Silben und Klängen, die beschwörend das Walten des Geschicks beschreiben, der abrupte Dynamikwechsel vom Fortissimo zum Pianissimo. Mit ihrem Dirigat nahm Ilse Maria Reich den Chor in die dynamische Bewegung mit. Diesen engen Augenkontakt, den die Sänger und Sängerinnen während der beiden Aufführungen zur Dirigentin hielten, wurde dann auch zu einem der Erfolgsgaranten der Abende. Alles zusammen zeigten (auch sprachlich) die Chöre die enorme künstlerischen Spannweite des Werks.

Die Tanzabteilung der Städtischen Musikschule Rottenburg leistete einen wesentlichen Beitrag zu den vielumjubelten Aufführungen in Rottenburg und Ergolding. Foto: Christoph Reich
Die Tanzabteilung der Städtischen Musikschule Rottenburg leistete einen wesentlichen Beitrag zu den vielumjubelten Aufführungen in Rottenburg und Ergolding. Foto: Christoph Reich

Auf das Schicksalsthema folgten Frühlings- und Liebeslieder. Filigrane und schnelle Stöße von den beiden Klavieren, die Tanja Wagner und Ariane Kufner meisterlich beherrschten, künden den Frühling. Die Lebensgeister und die Liebe erwachen. Sehnsucht inszenierten die Tasteninstrumente und das präzise Schlagwerk - übrigens immer auf der Höhe des Geschehens und souverän beherrscht vom jungen Percussion-Ensemble Nürnberg (Andreas Csibi, Sebastian Hausl, Oliver Setzke und Radoslav Szarek). Unverstellt kommen die Triebe in den Liebesliedern zum Ausbruch, eine andere Seite der Sinnlichkeit in den Trinkliedern.

Das verpönte Klatschen zwischen den einzelnen Sätzen konnte so mancher Zuhörer - übrigens nur in der Rottenburger Mehrzweckhalle - kaum unterdrücken. Das lag vielleicht zum einen an der phantasiereichen Choreographie von Irene Türk-Grimm, die mit ihren Eleven der Städtischen Musikschule Rottenburg, einzelne Lieder des Werks tänzerisch belebten und die Bühne so in ständigem Fluss hielt. Die Begeisterungsfähigkeit des Publikums lag aber nicht zuletzt auch an den souveränen Solisten. Die Sopranistin Ana Mirlescu aus Bukarest, Tenor Calin Bratescu aus Kronstadt und der Landshuter Bariton Peter Tilch boten trotz der nicht einfachen akustischen Verhältnisse in Rottenburg und der großen Hitze im Ergoldinger Bürgerhaus professionelle Leistungen. Calin Bratescus Soloeinlage ging dabei in den Stimmbereich eines „Altus“. Den Gesang des gebratenen Schwans „Olim lacus colueram“ interpretierte er mit viel dramatischem Gespür. Peter Tilch imponierte mit einer klangschönen Baritonstimme von großer Bandbreite und Gestaltungskraft, besonders in „Omnia sol temperat“ und in „Dies, nox et omnia“. Und Ana Mirlescu zelebrierte plastisch-flirrende Sopran-Soli. Vor allem überzeugte sie mit einer klaren, auch in der Höhe farbigen Stimme. Das im Pianissimo gesungene sehr hohe „Dulcissime“ hörte sich auch in der letzten Reihe wie Sphärengesang an.

Am Ende stand wieder das Schicksal. Die Tänzerinnen und Tänzer verstärkten rhythmisch effektvoll den wiederkehrenden „Fortuna“-Chor und krönten die vom Publikum stark applaudierten Aufführungen. Doch von dieser spannungsgeladenen Musik wollten die Zuhörer noch mehr hören. Zwei Zugaben gab es, dazwischen tosender Beifall und standing ovations.

Christoph Reich

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