8. November 2003

Siebenbürgen ins rechte Bild gerückt

"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte!" Angesichts dieses Statements gehört Visualisierung - Ausstellungen, Film, Dia - seit Jahren zum festen Bestandteil der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage. In Speyer unterlegte neben dem einführenden Diavortrag „Siebenbürgen. Das Land hinter den Wäldern“ von Martin Rill auch Dr. Dr. h.c. Christoph Machat seinen Vortrag „Weltkulturerbe – von Speyer bis Siebenbürgen“ durch zahlreiche Dias. Nicht einmal der wortgewaltige Prof. Dr. mult. Harald Zimmermann mochte bei seinem Vortrag "Der Deutsche Ritterorden im Burzenland" auf die Hilfe des Bildes verzichten.
Kennen lernen, Neugier wecken


Der Macht des Bildes vertrauen wenige so stark wie Martin Rill. Davon zeugt nicht nur seine Tätigkeit im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, sondern auch die von ihm als Verleger und Autor herausgebrachten Bildbände zu Siebenbürgen und die zahlreichen Dia-Vorträge, die er landauf, landab hält. Dabei kann er nicht nur auf einen schier unerschöpflichen Bildfundus höchster Qualität zurückgreifen, sondern dank seiner intimen Kenntnis des Landes und seiner Bewohner dieses Bildmaterial den Intentionen und dem Publikum entsprechend zusammenstellen und mit aussagekräftigen Informationen anreichern.

Das tat er auch bei seinem Diavortrag am 5. Oktober im Kleinen Saal der Stadthalle Speyer. Unter dem provokanten Titel „Siebenbürgen. Das Land hinter den Wäldern“ gelang es ihm gerade dem Speyerer Publikum – etwa die Hälfte im gut besuchten Saal – bewusst zu machen, dass „Transylvania“ alles andere als hinterwäldlerisch ist. Dass er dabei bis auf die Römer zurückging, zu deren Reich das damalige Dazien gehörte, und exzessiv die seit dem Mittelalter bestehenden stetigen Verbindungen zum Abendland thematisierte, war angesichts des passend gewählten Bildmaterials sogar sinnvoll, auf jeden Fall sinnvoller als die Vielzahl von Zahlen, Daten und Namen, die sich kaum jemand gemerkt haben wird – im dunkeln Raum konnte man sich auch keine Notizen machen.

Hilfreich war außerdem, dass sich Martin Rill nicht auf das sächsische Siebenbürgen beschränkte. Bevor er sich der siebenbürgisch-sächsisch geprägten Kulturlandschaft als Schwerpunkt näherte, machte er mit dem Land selbst bekannt, von seiner Geologie und Geografie über Flora und Fauna bis hin zu seinen Bewohnern mit ihren so unterschiedlichen religiösen und kulturellen Prägungen. Berückende Landschaftsaufnahmen, Ansichten von vertraut anmutenden mittelalterlichen Städten und Kunstdenkmälern sowie die in manch einem Schnappschuss eingefangen Prise Exotik haben, wie sich in der anschließenden Diskussion zeigte, bei manch einem den Wunsch gestärkt, wenn nicht gar geweckt, dieses Land zu bereisen und kennenzulernen. Und vielleicht auch die Neugierde angefacht, mehr darüber zu erfahren – z.B. bei weiteren Veranstaltungen der Kulturtage.

Bewahren und Erhalten


Dass es dabei auch zu Wiederholungen kam, ließ sich nicht ganz vermeiden, am allerwenigsten bei dem Vortrag von Dr. Dr. h.c. Christoph Machat „Weltkulturerbe – von Speyer bis Siebenbürgen“. Er wurde in Zusammenarbeit mit dem Domkapitel Speyer im Saal des Friedrich-Spee-Hauses veranstaltet, mit unmittelbarem Blick auf den Speyerer Dom, eines der Kulturdenkmäler auf der Welterbeliste der UNESCO.
Christoph Machat beim Vortrag in Speyer. Foto: Hans-Werner Schuster
Christoph Machat beim Vortrag in Speyer. Foto: Hans-Werner Schuster


Für seinen Erhalt setzt sich mit großer Effektivität die „Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer“ ein, deren Stiftungserträge der Bestandssicherung sowie der Denkmalpflege am Kaiserdom dienen, aber auch wissenschaftliche Forschungen zum Kaiserdom ermöglichen sollen. Leider war die Stiftung zur Zusammenarbeit im Rahmen der Kulturtage nicht bereit, und auch beim Vortrag nicht vertreten, obwohl der Referent u.a. Präsident des Internationalen Komitees für ländliche Architektur von ICOMOS (Internationaler Rat für Denkmalpflege der UNESCO) ist. Ob das damit zusammenhängt, dass das Wirken und die positive Wirkungsweise der UNESCO nicht über finanzielle Hilfe erfolgt? Ist doch die UNESCO selbst finanziell äußerst klamm – so Machat in der Einführung zu seinem Vortrag. Darin machte er auch mit den Grundbegriffen vertraut, skizzierte wie die Aufnahme eines Natur- oder Kulturdenkmals in die Welterbeliste verläuft und welche Verpflichtungen damit verbunden sind. Nach sprechenden Beispielen aus Deutschland und bis hin nach Australien richtete er das Augenmerk auf die Denkmäler in Siebenbürgen. Dass dabei seiner Heimatstadt Schäßburg eine Sonderrolle zukam, dass er insbesondere anhand des dort geplanten Dracula-Parks das mühsame Ringen des Denkmalpflegers wie anhand der erfolgreichen Restaurierungsprojekte auch seine befriedigende Arbeit veranschaulichte, hat niemanden gewundert, der ihn und die Verhältnisse kannte. Viele waren das allerdings nicht, wie der anschließenden Diskussion zu entnehmen war. Umso mehr dürfte das Auditorium von dem Gezeigten und Gesagten überrascht gewesen sein, z.B. dass dem Segen der Rückständigkeit – zumindest aus der Sicht des Denkmalpflegers –eigentlich alle siebenbürgischen Kulturdenkmäler auf der Welterbeliste zu verdanken seien, insbesondere die sechs siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen samt Weichbild sowie die Szekler Kirchenburg von Dîrjiu. Auch weshalb man sich für welche Kirchenburg entschieden habe, versuchte Dr. Machat zu erklären, betonte aber, dass die ausgewählten Kulturdenkmäler stellvertretend für die rund 200 in ganz Siebenbürgen stehen, die sicherlich nicht alle bewahrt werden können. Nicht zuletzt rief der Referent Einzelpersonen wie Organisationen zu Spenden und zum Einsatz für die Bewahrung der Kulturdenkmäler auf.

Wissen und Verstehen


Eine der großen Ausstellungen des Jahres 2003 in Deutschland, „Die Ritter“, wurde bis zum 25. Oktober im Historischen Museum der Pfalz gezeigt. Was war naheliegender, als mit einem Programmbeitrag der Kulturtage daran anzuknüpfen? Dafür bot sich der Deutsche Ritterorden an, der 1211 mit dem Burzenland belehnt worden war. Mit Prof. Dr. mult. Harald Zimmermann konnte der Experte schlechthin als Vortragender gewonnen werden, hatte er doch erst im Jahre 2000 seine Forschungen in der diplomatischen Untersuchung „Der Deutsche Orden im Burzenland“, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien (= Studia Transylvanica, Bd. 26) zusammengefasst. Im Historischen Ratssaal wurde er von Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster begrüßt und als herausragender Vertreter der Kirchen- und Rechtsgeschichte des Mittelalters einem interessierten Publikum vorgestellt.
Souverän und engagiert: Professor Harald Zimmermann. Foto: Hans-Werner Schuster
Souverän und engagiert: Professor Harald Zimmermann. Foto: Hans-Werner Schuster


Das Interesse war vielleicht auch der Tatsache zu verdanken, dass die Ausstellung „Die Ritter“ den gesamten Komplex der geistlichen Ritterorden gar nicht thematisiert hatte, wie Professor Zimmermann einleitend feststellte. Daher holte er in freier Rede weit aus und skizzierte deren Anfänge im Heiligen Land. Dort waren in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die christlichen Pilger auf ihrem Weg von der Mittelmeerküste zu den Pilgerstätten Jerusalem und Bethlehem immer stärker bedroht. Der dadurch notwendige Geleitschutz einerseits, die Unterhaltung von Hospizen/Herbergen andererseits, führten zur Entstehung der Ritterorden – Johanniterorden, Templerorden, Deutscher Orden – denen allerdings immer mehr auch die Aufgabe der Grenzsicherung und der Verteidigung gegen die islamischen Angreifer zuwuchs.

Den Schwerpunkt setzte Professor Zimmermann aber selbstverständlich auf das Wirken des Ordens im Burzenland und verdeutlichte diese 15jährige Episode als lehrreiche Generalprobe für das spätere Ordensland in Preussen. Die Ereignisse und Orte sowie die handelnden Personen durch Bilder unterstützt in Erinnerung rufend, versuchte er das Auditorium insbesondere für die mittelalterliche Mentalität und Wirklichkeit zu sensibilisieren sowie auf die Grenzen, die der historischen Erkenntnis gesetzt sind. Diese – bei aller handwerklichen Perfektion und dem sich daraus speisenden Stolz auf die kritische Urkundenanalyse – grundsätzliche Demut des Forschers, hat man wohl als prägendste Erfahrung mitgenommen. An viele Fakten wird man sich nicht mehr erinnern – aber in dem erwähnten Band sind sie ja nachzulesen. Mitgenommen hat man aber sicherlich die Ambivalenz, die von Anfang an im Spiel war, ungeklärt blieb und letzten Endes zur Vertreibung der Ritter führte. Sei das nun die Frage, ob der Orden mit dem Burzenland belehnt oder beschenkt wurde (in der Berufungsurkunde von 1211 verschenkt er es auf Dauer zu freiem Eigenbesitz, behält es aber trotzdem in königlicher Jurisdiktion), ob das Gebiet wüst und leer oder aber bewohnt war, ob die Rechte des Weissenburger Bischofs anerkannt wurden oder aber der Orden von der bischöflichen Jurisdiktion ausgenommen war, ob die Erweiterung des Ordensgebietes über das Burzenland hinaus einer echten oder gefälschten Urkunde zu verdanken ist (gerade an dieser Frage verdeutlichte Zimmermann anhand von Urkundenfotos und einer peniblen Spurensuche die Faszination von Quellenforschung), oder ... Mit all dem wurde Professor Zimmermann zwar nicht unbedingt der Forderung Leopold von Rankes gerecht, zu zeigen „wie es eigentlich gewesen ist“, sondern lediglich „wie es gelaufen ist“ – für den Deutschen Orden in Siebenbürgen letztendlich negativ.

Schuster dankte für den anschaulichen Vortrag, der nicht nur Wissen vermittelt habe, sondern auch einen Einblick in die Studierstube und das leidenschaftliche Forscherleben ermöglicht habe. Und wer hätte danach dem Bekenntnis von Harald Zimmermann nicht folgen können? „In einem neuen Leben würde ich Archivar werden; wie die Biene im Honig, so ich inmitten der Quellen.“ Diesem Altruismus hat sich nicht nur bei mir ein gewisser Egoismus entgegengestellt: Denn wer sollte dann Generationen von Studenten und Laien Geschichte auf solch anschauliche Art und Weise nahebringen? Ihr Verständnis und Empfinden dafür wecken, dass Vergangenheit in der Gegenwart wirkt und die Gegenwart die Zukunft mitbestimmt? So wie es Professor Zimmermann mit seiner Festrede zur Eröffnung der Kulturtage und diesem Vortrag getan hat.

Hans-Werner Schuster

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