31. Dezember 2003

Historisches Grundwissen populär vermittelt

Mit der Publikation des zwölften Heftes haben der Historiker Dr. Michael Kroner als Verfasser sowie der Bundesvorstand und die Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland (Bereich heimatkundliche Öffentlichkeitsarbeit) als Herausgeber die Schriftenreihe "Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen" abgeschlossen.
Das bedauert man einerseits, war es doch seit November 1997 zur Gewohnheit geworden, in schöner Regelmäßigkeit vor Pfingsten und vor Weihnachten jeweils auf 64 oder 72 Seiten thematisch zusammengefasste, gut lesbare und illustrierte Informationen über die siebenbürgisch-sächsische Geschichte und Kultur zu erhalten. Andererseits freut man sich, dass nun das Ganze, in Eigenleistung und ohne fremde Zuschüsse entstandene Werk vorliegt, dass man mit einem gewissen Stolz sagen kann, den auf nicht weniger als 824 Seiten gediehenen 'Wälzer' auch tatsächlich gelesen und verarbeitet zu haben, da er sozusagen in genieß- und verdaubaren 'Häppchen' aufgetischt worden ist. Und man freut sich auch, dass nun das Gesamtwerk bezogen oder an Interessierte weitergeschenkt werden kann.
Heft 1 der Schriftenreihe von Dr. Michael Kroner
Heft 1 der Schriftenreihe von Dr. Michael Kroner
Zweifellos wurde ein Hauptzweck der Reihe erreicht, nämlich mit 'bekömmlicher Kost', die nicht im Magen liegt, möglichst viele Siebenbürger Sachsen und andere Interessierte zu 'nähren', fundiertes Grundwissen zu vermitteln und, wie im Geleitwort versprochen, eine "zusammenfassende und zugleich populärwissenschaftliche Schau über die Geschichte, Kultur, das Brauchtum sowie die kirchlichen, schulischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen der Sachsen in Siebenbürgen, in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und in Übersee" zu bieten. Die einzelnen Gerichte und ihre Zutaten wurden dabei so ausgesucht, gesichtet und gewertet, dass das enthalten ist, was dem Autor "in der 850-jährigen Geschichte der Sachsen wesentlich erscheint und nach seiner Meinung zum allgemeinen Bildungsgut gehört".

Die zwölf Hefte fügen sich als Einzelkapitel zu einem schlüssigen Ganzen, das fest in den Traditionen einer Historiographie verankert ist, die sich der "Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk" verschrieben hat, wie der programmatische Titel des in der zweiten Hälfte des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts geschriebenen, vierbändigen Werkes von Georg Daniel und Friedrich Teutsch lautet. Wie schon bei Vater und Sohn Teutsch stehen auch bei Kroner zwei Elemente im Mittelpunkt: Zum einen der Auf- und Niedergang dieses Gemeinwesens (Hefte 2-4), aus heutiger Perspektive bis zu seiner "Auflösung" (so im Titel von Heft 4) fortgeschrieben, zum anderen die bemerkenswerten Leistungen, die in Wirtschaft, Kunst und Kultur (Hefte 5, 7, 8) vollbracht wurden. Als Leistungen werden auch die enge, von Friedrich Teutsch in einem eigenen Buch mit diesem Titel betonte Verbindung von Kirche und Schule (Heft 6) sowie das "Volks- und Gemeinschaftsleben" (worunter etwas sehr weit gefasst die Nachbarschaften und Vereine ebenso verstanden werden wie Bräuche, Trachten und Mundart, Heft 9). Schließlich beeindruckt der sehr gelungene Überblick über jene Siebenbürger Sachsen, die im Mittelalter, in Neuzeit und Gegenwart außerhalb ihrer innerkarpatischen Heimat aktiv geworden sind, eine in dieser Art noch nicht zusammengetragene Aufstellung (Heft 10), die in türkische Gefangenschaft geratene Sachsen ebenso berücksichtigt wie jene, die in den rumänischen Fürstentümern, in Deutschland, Österreich oder in Übersee auf unterschiedliche Weise und meist erfolgreich gewirkt haben. Eine Liste der nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Österreich "namhaft" gewordenen siebenbürgisch-sächsischen Persönlichkeiten schließt diesen Teil ab.
Heft 7 der Schriftenreihe von Dr. Michael Kroner
Heft 1 der Schriftenreihe von Dr. Michael Kroner
Aus dieser (zu?) stark auf die Sachsen konzentrierten Geschichtsschau heraus führt das erste Heft, das mit der Betonung der Völkervielfalt und der unterschiedlichen staatlichen Zugehörigkeiten den Blick auf Siebenbürgen in seiner faszinierenden Gesamtheit öffnet. Die kurzen, klaren, ausgeglichenen und objektiven Informationen über den Ursprung des rumänischen Volkes, über die Magyaren, Szekler, Zigeuner, Juden, Griechen, Armenier und Habaner ermöglichen es dem Leser, sich ein differenziertes Bild dieser Kulturlandschaft zu machen, die eben nicht allein deutsch geprägt ist, sondern aus der Pluralität von Völkern und Religionen erwachsen, die hier Koexistenz geübt und Interferenz realisiert haben. Ein Heft über die religiöse Vielfalt in diesem Gebiet, mit Vorstellung der einzelnen Konfessionen und Sekten (wie bei den Habanern vorgenommen), hätte diese Schriftenreihe abgerundet. Kroners begrüßenswerter und wichtiger Ansatz wurde in den Folgeheften über Geschichte und Leistungen allein der Siebenbürger Sachsen abgeschwächt, in denen das Volksleben und das Ringen um nationale Selbstbehauptung im Mittelpunkt stehen. Dafür weichen die Unterkapitel über die Durlacher und Hanauer, Landler und Württemberger Schwaben, über andere deutschsprachige Zuwanderer, die sich unter den Sachsen niedergelassen haben, die Vorstellung von dem monolithischen Block auf, die von der Historiographie Teutsch’scher Tradition genährt wurde und das Selbstbild dieser Gruppe heute prägt.

Anders als bei Teutsch werden sozialgeschichtliche Fragen stärker berücksichtigt, in Unterkapiteln wie "Stadt- und Dorfobrigkeit", "Die Sachsen auf Komitatsboden" oder dem geradezu materialistisch-dialektisch klingenden "Kampf sächsischer Jobagen gegen Adelswillkür". Das so gängige Bild vom festen 'Volkskörper' freier Sachsen unter denen 'keiner Herr und keiner Knecht' gewesen, wird auf diese Weise erfreulich differenziert. Ausdrücklich weist Kroner die "Festreden" zurecht, in denen behauptet wird, "die Sachsen hätten das erste demokratisch-republikanische Gemeinwesen der Welt oder zumindest unter den Deutschen gehabt". Dafür perpetuiert er aber die - namentlich von Krista Zach in dieser Form in den Bereich der Vorstellung verwiesene - Idee von der "evangelisch-sächsischen Volkskirche als ethnische Wehrkirche". Wenngleich die Kirche nach der "Zerschlagung des Königsbodens" zweifellos eine wichtige Rolle bei der Wahrung des Gemeinschaftsbewusstseins sowie des deutschen Kulturlebens und Schulwesens gespielt hat, ist es auch terminologisch äußerst bedenklich, sie als eine "völkische Institution" zu bezeichnen, wie auch die Begriffe "fremdvölkische Umgebung", "Siebenbürger Deutschtum", "Sachsentum" heute (da recht '…tümelnd' belastet) lieber nicht verwendet werden sollten. Auch klingt es etwas hochtrabend, von "Aufbauhelfern", gar vom "abendländischen Fundament des Siedlungswerkes" zu sprechen.

Was man in Büchern dieses Umfangs als "Anhang" verbucht, bieten die beiden letzten Hefte, nämlich eine sehr nützliche und zuverlässige Zeittafel, welche Kroners in der "Karpaten-Rundschau" erschienene, in den letzten Jahrzehnten des kommunistischen Regimes auch politisch und pädagogisch äußerst wichtige "Heimatkunde in Daten" wiederaufgegriffen, aktualisiert und gegebenenfalls korrigiert hat (Heft 11) sowie eine gute, den Text ergänzende Auswahl illustrativer Quellen zur siebenbürgisch-sächsischen Geschichte (Heft 12).

Fehler schleichen sich in so umfangreiche Arbeiten leicht ein. Recht viele Tippfehler, vor allem in den ersten Heften, und eine "nach alte (sic!) Karten" erstellte, mit irreführenden oder falschen Orts- und Gebietsnamen gespickte Karte des siebenbürgisch-sächsischen Siedlungsgebietes (Heft 2, S. 32-33) sind ärgerlich, jedoch angesichts der Herstellung sozusagen im "Eigenverlag" verständlich. Auf einige wird in Heft 10 hingewiesen, auf andere, etwa die Verwechslung von Wolfram mit Wilhelm Bruckner als zeitweiliger Leiter der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" nicht.

Michael Kroners zu einem stattlichen Buch gediehener Rückblick auf die Entwicklung und die Leistungen der Siebenbürger Sachsen vermittelt historisches Grundwissen in populärer, aber nicht populistischer Form und kann breiten Leserkreisen empfohlen werden.

Konrad Gündisch


Einzelhefte oder die gesamte Reihe von zwölf Heften der "Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen" können zum Preis von 4 Euro pro Heft, zuzüglich Porto, bestellt werden bei Dr. Michael Kroner, Ottostraße 31, 90522 Oberasbach.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2003, Seite 7)

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