17. Mai 2004

Zum Tod von Fritz Cloos: Brechungen eines Jahrhunderts

In einem Gespräch mit der "Neuen Kronstädter Zeitung" (Folge 1 vom 25. März 2000), München, sagte der am 1. Mai 1909 in Kronstadt geborene Friedrich Sigmund Cloos, als Fritz Cloos ehemals nicht nur den Siebenbürger Sachsen ein Begriff: "Die Stärke der Demokratie ist die starke Persönlichkeit". Der am 2. Mai 2004, einen Tag nach dem 95. Geburtstag in Waakirchen, Oberbayern, Verstorbene entwarf mit der knappen Feststellung ohne es zu wollen die Skizze eines Selbstporträts.
Von Berufs wegen zum Trikotagestricker bestimmt, ließ sich der noch nicht Zwanzigjährige von der Politik so stark faszinieren, dass sie ihm zum Lebensinhalt wurde. Als politisch links ausgerichteter Jugendlicher lernte Cloos in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre in Deutschland die Sozialdemokratische Partei kennen - der energisch in jeder Situation nach Lösungen Suchende erkannte die soziale Frage als die stärkste Antriebskraft der eigenen Persönlichkeit. Wieder in Siebenbürgen, begriff er in ihrem Zeichen seine frühe Tätigkeit im "Südostdeutschen Wandervogel", im "Freiwilligen Arbeitsdienst", im "Ersten Deutsch-Sächsischen Arbeiterbund" und schließlich im "Deutschen Jugendbund in Rumänien", den er 1937 als dessen Landesvorsitzender verließ, um das Amt des Geschäftsführers der "Deutschen Volkspartei Rumäniens" ("DVR") zu übernehmen.



Der fast erblindete Fritz Cloos vor dem Haus in Schaftlach bei Bad Tölz, wo er seine letzten Jahre verbrachte, 1999. Foto: Konrad Klein
Der fast erblindete Fritz Cloos vor dem Haus in Schaftlach bei Bad Tölz, wo er seine letzten Jahre verbrachte, 1999. Foto: Konrad Klein
Der Schritt bedeutete zugleich den Einstieg in die Arena der damals so genannten "innervölkischen Kämpfe": der bis zum Exzess getriebenen Streitereien um die politische Orientierung der Deutschen Rumäniens vor dem Hintergrund des im "Dritten Reich" zur Macht gekommenen Nationalsozialismus. Ein Aufenthalt in Deutschland Ende der dreißiger Jahre ließ Cloos angesichts der sozialen Erfolge des Hitler-Regimes zum Nationalsozialisten werden. Dass es die soziale Komponente war, die ihn dazu veranlasste, belegt die Übernahme der Landesleitung der "Deutschen Arbeiterschaft Rumäniens" ("DAR"), nach der Rückkehr. Der ehemalige Fabrikarbeiter wusste sich nach Herkunft und Engagement der damals in Rumänien erst relativ jungen Industriearbeiterschaft verbunden. Dies Amt im Rahmen der NS-"Volksgruppe" bekleidete Cloos bis zu Rumäniens Frontwechsel am 23. August 1944; er gehörte damit zur NS-Nomenklatura seiner Landsleute.

Friedrich Cloos setzte sich, im Unterschied zu anderen der rumäniendeutschen NS-Führung, nicht westwärts vor der anrückenden Roten Armee ab. Er ließ sich auf die, aussichtslosen, deutschen Widerstandspläne im Rücken der Sowjets ein, wurde verraten, verhaftet, nach Moskau gebracht und nach endlosen Verhören in der berüchtigten Lubjanka zu 20 Jahren Zwangslager verurteilt. Zehn Jahre Nördlicher Polarkreis - über die seine politische Gefährtin Albertine Hönig (1901-1980) aus der Sicht einer Frau den erschütternden, 1995 veröffentlichten Bericht "Der weite Weg oder das Buch von Workuta" schrieb - und nach der Rückkehr zusätzlich ein Jahr in rumänischem Gewahrsam zwangen ihn zur radikalen Revidierung in politicis. "Ich hatte zehn Jahre Zeit zum Nachdenken", lautete die Erklärung für alle diejenigen, die sich wunderten, einen Gewandelten vor sich zu haben. Auch hier unterschied sich der "Mann mit dem proletarischen Charisma" von jenen, die sich als revisions-, das heißt als lernunfähig erwiesen.

Es glückte Friedrich Cloos gemeinsam mit seiner Frau Gerda, geborene Polony, und den Kindern Erika und Friedrich 1961 in die Bundesrepublik Deutschland auszuwandern. Der nach wie vor tatkräftige und durchsetzungsfähige Mann wurde durch die Bekanntschaft mit Wenzel Jaksch (1896-1966), dem einst führenden sudetendeutschen Sozialdemokraten und Londoner Emigranten, der SPD zugeführt und deren Mitglied. Er gehörte bald zum "Beirat des SPD-Vorstands in Flüchtlings- und Vertriebenenfragen" und baute als exzellenter Kenner der Materie die Aussiedler-Sozialbetreuung seiner Landsleute in der Bundesrepublik auf und aus. Unbeirrbar lehnte er es mit dem Hinweis auf seine politisch belastete Biographie ab, in öffentlichen Ämtern zu erscheinen. Er tadelte, ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, jeden seiner Landsleute, der in vergleichbarer Lage Ämter annahm. "Ihr schadet dem Ansehen der Siebenbürger Sachsen", lautete sein Argument. Auch in der von ihm mitinitiierten "Arbeitsgemeinschaft für südostdeutsche Volks- und Heimatforschung" hielt er sich im Hintergrund, betrieb aber mit der ihm eigenen Energie die Sammlung von Dokumenten und Zeitzeugenberichten über die Epoche vor und während des Zweiten Weltkriegs in Siebenbürgen. "Ich will, wo es verlangt wird, mit meiner Erfahrung beratend zur Verfügung stehen, mehr nicht", hieß sein Credo in diesen Fragen.

Friedrich Cloos bewies besonders in den Jahrzehnten 1969-1989, als es den politischen Kampf um die Durchsetzung menschenrechtlicher Vereinbarungen (KSZE) in Rumänien galt, Nüchternheit, Mut und kühlen Kopf. Er gehörte zu der kleinen Gruppe der Unerschrockenen, die die Konfrontation mit der Bukarester Regierung guthießen und mit Erfolg wagten. Die mehrfachen Brechungen seines Lebens sind Ausdruck der Umgetriebenheiten des 20. Jahrhunderts, das auch sein Jahrhundert war.

Hans Bergel

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  • 26.07.2016, 14:06 Uhr von Bäffelkeah: Ergänzendes zur Lebensleistung von Fritz Cloos, die Hans Bergel - aus unerfindlichen Gründen - ... [weiter]

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