25. Mai 2004

Weltraumtechnik und Globalisierung

"Umwelt ist alles, was mit menschlichem Tun und Sein zusammenhängt", heißt es bei Hans Barth in seiner neuen Veröffentlichung "Umwelt im Raumzeitalter" (siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 12. Mai 2004). Es sind nicht allein weltraumtechnische Potenziale, die darin aufgezeigt werden, sondern desgleichen auch die sozialen, politischen und kulturellen Wirkungsaspekte. Dazu gehören hochaktuelle Fragen der Gegenwart und Zukunft, deren Beleuchtung auch für die SbZ-Leser nicht uninteressant sein dürfte. Dem Kapitel "Die soziale Umwelt" entnehmen wir zu Beginn das Thema Globalisierung, mit dem wir in den Medien Tag für Tag konfrontiert werden.
Das global ablaufende Wirtschaftsgeschehen hat viel mit Raumfahrt zu tun, denn ohne Weltraumtechnik hätte Globalisierung ihren derzeitigen Entwicklungsstand nicht erreichen können. Erst die globalen Informations- und Kommunikationsmittel mit ihrem Standbein Satellitentechnik haben die horrenden Geschwindigkeiten in internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem ermöglicht, erst sie gestatten grenzenlose Arbeitsverfahren und globales Marktgeschehen! Kurz: Ohne die "Helfer" aus dem All keine Globalisierung mit den Entwicklungschancen von heute und morgen.

Doch: nicht für alle ist Globalisierung positiv belegt. Denn Globalisierung ist geradezu ambivalent: gut für die einen, schlecht für die andern. Wen trifft eher das Schlechte? Wen vorwiegend das Gute? Die Meinungen darüber sind unterschiedlich – je nach Betroffenheit.

Rechtfertigte Befürchtungen

In der westlichen Sachliteratur wimmelt es geradezu von Publikationen, deren Autoren Sturm laufen gegen die unbändige Globalisierung, und was auf den Strassen der Welt gegen Globalisierung abgeht, widerspiegelt den Widerwillen der Gegnerschaft. Die Befürchtungen der Globalisierungsgegner lassen sich etwa in den folgenden Punkten zusammenfassen:

1. Ungehemmte Globalisierung, die auf eine Privatisierung der Welt hinausläuft, schwächt die normensetzende Kraft des Staates. Regierungen und Parlamente geraten unter die Vormundschaft des internationalen Kapitals; damit ist die Demokratie am Ende: Wahlen und Volksabstimmungen verlieren ihren Sinn und Zweck. Damit werden die Voraussetzungen für Demokratie und Freiheit, die es im nationalen Rahmen gab, "abgeräumt, so dass diese reale Macht des Globalismus eine der grossen Gefahren ist" (Ullrich Beck).

2. Das Finanzkapital dagegen ist unabhängig von Raum und Zeit. Börsenspekulanten schicken täglich über 1000 Mrd. US-$ mit Lichtgeschwindigkeit um den Globus, ohne erkennbaren wirtschaftlichen Zweck; allein das Geld soll mehr Geld einbringen. Der "elektronische Kapitalismus" hat Warenhandel und Kapitalhandel entkoppelt. Vorbei sind die Zeiten eines Konsenses darüber, dass Unternehmen auch soziale Ziele berücksichtigen müssen.

3. Denn das Hauptziel der Globalisten sei dies: Investieren zu können, wo man will, zu produzieren, wo man will, zu kaufen und zu verkaufen, wo man will, und dabei möglichst wenigen arbeits- und sozialrechtlichen Beschränkungen zu unterliegen. Doch gerade dadurch führe nach Helmut Schmidt "die ökonomische Globalisierung zu einem deutlichen ökonomischen Kompetenzverlust der Regierungen".

4. Bei der Suche nach Absatzmärkten, Vermögenswerten und Profiten würden mühelos Grenzen, Kulturen und Regierungen überwunden. Die wirtschaftlichen Prozesse werden von ihrer geografischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Basis entkoppelt.

5. Fragen der Politik, der Gerechtigkeit, der Fairness oder der Verteilung des Wohlstands werden umgangen. Das funktioniert so: Ein und dasselbe Unternehmen kann seine Betriebswirtschaft global aufspalten: Der offizielle Firmensitz ist vielleicht Frankfurt/Main, die Finanzgeschäfte laufen über London, die Betriebsabrechnung wird in Indien erledigt, die Vorprodukte durch billige Arbeit in Ungarn hergestellt, die Forschung in den USA betrieben, und die Gewinne im "Steuerparadies" Irland ausgewiesen.

6. Die Forderung der Kritiker: Die Weltwirtschaftsordnung müsse daher um soziale und ökologische Mindestmaßstäbe sowie um demokratische Kontrolle ergänzt werden. Arbeit für Millionen Menschen befindet sich im sozialen und ökologischen Bereich, aber globalisiertes Kapital würde diese nie finanzieren. Eine Tobin-Steuer würde das reine Spekulantentum an den globalisierten Finanzmärkten einschränken.


Mit der Forderung nach Globalisierung mit menschlichem Antlitz sind die Verlierer ausgemacht. Sie befinden sich auf der "Geberseite", in den entwickelten Industrieländern, die was abzutreten haben. Die Gewinner hingegen sind die "Empfänger", die Vielen aus den armen und ärmsten Ländern. Und das sind über 90 Prozent der gesamten Weltbevölkerung. Freilich verfolgen die Diener des "Turbokapitalismus" (Marion Gräfin Dönhoff) auch da keine edlen Ziele oder gar Gerechtigkeit mit sozialem Ausgleich. Doch selbst wenn der Informatiker aus Bangalore mit nur 300 US-Dollar im Monat abgespeist wird, ist dies für ihn schon gutes Geld, mit dem er in Indien relativ gut leben kann. Wichtiger wie diese Entlohnung ist hier der Impuls und das Signal für das akademische Umfeld, für Bildung und Wissenschaft, was langsam aber stetig dann auch auf die wirtschaftliche Entwicklung stimulierend wirken kann. Allerdings sollte dieser Globalisierungsprozess auch auf der Empfängerseite nicht allein dem Turbokapitalismus überlassen bleiben. Allgemein bindende Regeln und effiziente demokratische Kontrollen sind notwendig, um auch da reiner Profitgier und Ausbeutung vorzubeugen. Denn: "Wir brauchen eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz", wie UN-Generalsekretär Kofi Annan gefordert hat. Die Europäischen Union könnte dafür - nachdem sie ihre eigenen Hausaufgaben gemacht hat – vielleicht als Vorbild dienen. Zudem könnte sie eine wesentliche Forderung der Globalisierungsgegner medienwirksam unterstützen: Globalisierung auch von Gerechtigkeit und Demokratie, von Wissen und Kultur, von Werten und Tugenden. Die dazu nötige globale Informations- und Bildungsinfrastruktur, die all dies vermitteln kann, ist dank Weltraumtechnik gegeben bzw. realisierbar.

Dr. Hans Barth

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