11. Juli 2001

Jugendbegegnungen in Siebenbürgen geplant

Jugendbegegnungen und Jugendtourismus können entscheidend dazu beitragen, die Kultur der in Rumänien lebenden deutschen Minderheit für die Zukunft zu erhalten. Diese Ansicht äußerte Bruno Lischke, Ministerialrat im bayerischen Sozialministerium, kürzlich bei einem Workshop in der Jugendherberge Burg Schwaneck in Pullach nahe München. Der Freistaat Bayern fördert den Aufbau einer internationalen Begegnungsstätte und Agentur für Jugendtourismus in Rumänien, wobei siebenbürgische Jugendliche von hüben und drüben mit einbezogen werden.
Sieben Jugendliche aus Rumänien, darunter fünf aus Siebenbürgen, konnten sich auf einer mehrtätigen Besuchsreise über die Standards vergleichbarer Jugendeinrichtungen in Deutschland, und zwar in Burghausen, Waldkraiburg, Schliersee und Pullach informieren. Die Informationsreise wurde vom Landesverband Bayern der DJO – Deutsche Jugend in Europa mit Unterstützung des bayerischen Sozialministeriums organisiert. Den motivierten jugendlichen Multiplikatoren aus Rumänien wurde das nötige Rüstzeug vermittelt, um an der Einrichtung, Vernetzung und Vermarktung von Jugendbegegnungshäusern in ihrer Heimat entscheidend mitzuwirken.
Zum Abschluss der Informationsreise fand in der Jugendherberge Burg Schwaneck in Pullach eine Multiplikatorenschulung statt, an der sich auch Touristikexperten und andere an dem Projekt Interessierte beteiligten. Verschiedene Initiativen wurden dabei zusammengeführt und Kontakte geknüpft, auf die künftig aufgebaut werden kann.
Rumänien und ganz besonders Siebenbürgen seien mit einer Fülle von Kulturschätzen und landschaftlichen Schönheiten gesegnet, die einen Vergleich mit anderen sehr begehrten touristischen Landschaften nicht zu scheuen brauche, stellte Ministerialrat Bruno Lischke fest. Nach seiner Ansicht bestehen gute Chancen, einen Qualitätstourismus in Rumänien zu etablieren, der Jugendtourismus solle auch Geld ins Land bringen, um die Kaufkraft und Lebensumstände der Bevölkerung und damit der deutschen Minderheit zu verbessern.
Gleich zwei Konzepte hat das bayerische Sozialministerium zur Förderung der Jugendbegegnungen in Rumänien entwickelt: eines zur Einrichtung einer internationalen Jugendbegegnungsstätte und das andere zur Errichtung einer „Agentur für Jugendbildung, Jugendbegegnung und Jugendtourismus“. Das geplante Haus der deutschen Jugend soll zunächst ein Haus für die in Rumänien verbliebene deutsche Jugend sein, ihre kulturelle Identität stärken, aber auch anderen Jugendlichen in Rumänien offen stehen, die sich für diese Kultur interessieren. Zudem sollen Jugendliche aus Rumänien, die heute in Deutschland leben, die geplante Einrichtung für Freizeit, Erholung und Bildung nutzen und damit ihren Kontakt zu den in der Heimat verbliebenen Landsleuten stärken. Schließlich solle es eine Begegnungsstätte für Jugendliche aus ganz Europa sein und das friedliche Zusammenleben verschiedener Minderheiten fördern. Die von der deutschen Minderheit bereits betriebenen Unterbringungsmöglichkeiten und weitere geplante Häuser könnten, so das Konzept des Sozialministeriums, durch eine Agentur für Jugendtourismus miteinander vernetzt und gemeinsam vermarktet werden.
Der Hermannstädter Stadtpfarrer Kilian Dörr stellte in Pullach den KirchenBurgenSchutzVerein im Mediascher Bezirk vor, den er maßgeblich mit aufgebaut hat. In meist leer stehenden Pfarrhäusern und Kirchenburgen wurden in den neunziger Jahren Gästehäuser eingerichtet, die sich inzwischen großer Beliebtheit erfreuen und einen besonderen Nebeneffekt haben: „In Gemeinden, in denen jemand zu Besuch kommt, blühen die Menschen wieder auf, sie werden vor neue Aufgaben gestellt und erhalten Antrieb. Wir sehen in letzter Zeit die Chance, etwas auf die Beine zu stellen“, so Dörr. Über das Internethnische Jugendbildungszentrum (IBZ) in Schäßburg berichtete Volker Reiter. Das Projekt des dortigen Demokratischen Forums der Deutschen werde aus Mitteln des Stabilitätspaktes für Südosteuropa vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart gefördert.
Einen aufschlussreichen Vortrag über den Markt der gemeinnützigen Jugendübernachtungshäuser in Deutschland hielt Norbert Krause, ehemaliger DJO-Geschäftsführer in Bonn, der heute eine eigene Bildungsberatungsfirma betreibt. 5 000 Häuser gehören zu diesem Markt, angefangen von kleinen Selbstversorgungshäusern der Pfadfinder bis hin zur Evangelischen Akademie Tutzing. Größter Anbieter und Marktfüher ist das Deutsche Jugendherbergswerk, das 600 Jugendherbergen betreibt und jährlich zehn Millionen Übernachtungen verzeichnet. Der Markt differenziere sich aber immer mehr, stellte Krause fest. Während einfache Angebote kaum noch wahrgenommen werden, seien zunehmend gezielte Betreuungs- und Programmangebote gefragt. Über die Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit für Jugendherbergen und Begegnungshäuser in Bayern referierte Kajetan Fuchs. Nach seiner Ansicht sei „Qualität das A und O, Produkt und Leistung müssen stimmen, um Jugendherbergen zu vermarkten“.
Monika Sailer präsentierte den Bayerischen Jugendring, den Zusammenschluss aller Jugendvereine in Bayern, die nicht politischen Parteien angehören. Der Jugendring vertritt die Politik der jungen Leute auf verschiedenen Ebenen und betreibt Fortbildungsstätten für Jugendliche. In Bayern ist der Jugendring, im Unterschied zu anderen Bundesländern, auch zuständig für den internationalen Schüler- und Jugendaustausch. So betreut Monika Sailer den Jugendaustausch mit mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern, darunter Rumänien und die Republik Moldau.
Peter Hillebrand, Geschäftsführer der DJO Bayern, setzt sich dafür ein, dass Rumänien stärker in den Jugendaustausch einbezogen wird. Bayern befinde sich am Tor zum Balkan und habe deshalb eine besondere Verpflichtung, als Brücke zu Südosteuropa zu fungieren, betonte Hillebrand. Er forderte die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) und andere Vereine auf, stärker in diesem Bereich aktiv zu werden.
In einer Studie hat der Fachbereich Tourismus der Fachhochschule München in Zusammenarbeit mit der Hanns Seidel Stiftung ausgewählte rumänische Produkte analysiert und die Bedingungen dargestellt, unter denen diese besser in Deutschland zu vermarkten sind. Silvia Bucur stellte in Pullach einige Ergebnisse der Studie und ein Marketingkonzept vor, das sich vor allem auf den kulturellen Fremdenverkehr in Hermannstadt und der Nordmoldau bezieht. Vertreter der Münchner Beratungsfirma Futour berichteten über ein Projekt, das im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der rumänischen Regierung den regionalen Tourismus in Siebenbürgen und dem Banat entwickelt. Der Banater Schwabe Robert Kerker präsentierte die spektakulären Ergebnisse der Firma Outdoor Trekking Tours (OTT), die auf Aktivreisen in Rumänien spezialisiert ist. Das Karpatenland hat zwar in Deutschland mit einem schlechten Image zu kämpfen, doch erfolgreiche Nischenprodukte wie das von OTT machen Mut, bestehende Vorurteile abzubauen und im Bereich des rumänischen Fremdenverkehrs aktiv zu werden.
In einer optimistischen Stimmung endete auch der Workshop insgesamt. Ministerialrat Bruno Lischke freute sich über den gelungenen Erfahrungsaustausch und kündigte eine zweite Runde zum Projekt einer Jugendbegegnungsstätte und –agentur in Rumänien für den kommenden Herbst an. Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD), die diesmal aus Termingründen nicht vertreten war, wolle dann auf jeden Fall mit von der Partie sein, versicherte SJD-Pressereferent Rainer Lehni gegenüber dieser Zeitung.

Siegbert Bruss


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2001, Seite 10)

Weitere Artikel zum Thema Tourismus in der Siebenbürgischen Zeitung ONLINE:
Aktuelle Liste der Gästehäuser in Siebenbürgen

Aktivreisen von "Outdoor Trekking Tours"

Ehrgeizige Vorhaben im rumänischen Tourismus

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