16. Juli 2001

Dinkelsbühl und Schäßburg streben Partnerschaft an

Eine Abordnung der mittelfränkischen Stadt Dinkelsbühl hat bei einem Besuch in Schäßburg Möglichkeiten ausgelotet, eine Partnerschaft mit der siebenbürgischen Stadt einzugehen. Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen nimmt dabei eine aktive Brückenfunktion wahr.
Werden sie dem Beispiel vieler Kommunen in Europa folgen, die beiden durch Ähnlichkeiten verbundenen Städte Dinkelsbühl und Schäßburg? Werden auch sie das eingehen, was man unter einer Partnerschaft versteht? Reichen erste Besuchsaustausche der Bürgermeister und Stadträte dazu aus? Oder wird noch ein Ausloten der möglichen und machbaren Beziehungen zwischen den Institutionen, Jugendgruppen und Vereinen nötig sein, bis die Sache Gestalt annimmt und unterschriftsreif ist? Die nahe Zukunft wird es zeigen. Jedenfalls liegt man im Trend. Erste Schritte wurden getan, und dies ist mit Sicherheit ein guter Anfang.
Auf Initiative der Landsmannschaft und nach einer gemeinsam mit ihrer Partnerstadt Dinkelsbühl ausgesprochenen Einladung war zu Pfingsten der Bürgermeister von Schäßburg, Dipl.-Ing. Dorin Danesan, begleitet von Hermann Baier, dem langjährigen Direktor der Bergschule, und dem Vorsitzenden des örtlichen Deutschen Forums, Christian Elges, Gast des diesjährigen Heimattags der Siebenbürger Sachsen gewesen. Kurz danach, vom 8. bis 10. Juni, stattete eine Abordnung Dinkelsbühls mit Oberbürgermeister Otto Sparrer, Bürgermeisterin Hildegard Beck, den Stadträten Klaus Huber (CSU) und Thomas Sandfuchs (SPD), der Stadträtin Karin Pöppinghaus-Ritter (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Abteilungsleiter Manfred Kiesel und Pressereferentin Ingrid Metzner Schäßburg einen offiziellen Besuch ab. Mitgereist waren der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker E. Dürr und der Ehrenvorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg, Richard Löw, zudem der Vorsitzende des Sozialwerks, Peter Pastior, der Vorsitzende der HOG Schäßburg, Walter Lingner, und andere Persönlichkeiten sowie eine 40 Personen zählende Reisegruppe aus Dinkelsbühl, deren Initiatoren der Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanats Dinkelsbühl, Herbert Reber, und Johann Schuller, Vorsitzender der landsmannschaftlichen Kreisgruppe Dinkelsbühl, gewesen waren.
Aus Hermannstadt kommend, wo sie Begegnungen mit Bürgermeister Klaus Johannis und mit Bischof D. Dr. Christoph Klein hatten, wurden die Gäste in Schäßburg nach allen Regeln siebenbürgischer Gastfreundschaft mit Brot und Salz, mit Musik und Blumen, einem Spalier von Kindern und Jugendlichen in Volkstracht sowie mit einem niveauvollen Folkloreprogramm und Kinderballett zu vorzüglichem Abendessen empfangen. Hervorragend mitgestaltet hatten den Empfang im modernen Kantinensaal des neuen Betriebs „PARAT“, der ehemaligen Maschinenbaufabrik „Nicovala“, die beiden Direktoren des deutsch-rumänischen Musterbetriebs, Harald Gitschner und Olimpiu Langa. Das Volkstanzensemble „Cetate“, das bereits in Deutschland, Frankreich, Russland, den USA, Kanada u. a. Ländern erfolgreich war, konnte seine Meisterschaft ein übriges Mal beweisen. Es war ein schöner Begrüßungsabend, der in eine beschwingte „Perinitza“ einmündete und ebenso wie der Abschiedsabend auf der „Villa Franka“ allen Teilnehmern in angenehmer Erinnerung bleiben wird.
Zu solchen Begegnungen gehören natürlich die obligaten Reden. Dorin Danesan, seit vorigem Jahr im Amt, bezog sich in seiner Begrüßungsansprache auf das Motto unseres diesjährigen Heimattages „Zusammenhalt üben - Partnerschaft stiften“ sowie auf die von Günther Verheugen, dem EU-Kommissar für Osterweiterung, in Dinkelsbühl gehaltene Rede. „Es wurde auch in Dinklesbühl immer wieder hervorgehoben, wie notwendig es ist, sich gegenseitig besser kennen zu lernen, um Vorurteile abbauen zu können“, sagte Danesan. „Wenn wir aber am Abbau der Vorurteile arbeiten wollen, müssen unsere Eindrücke von hier und von dort, die positiven und die negativen, weiter gegeben werden. Und das ist besonders wichtig für die neue Generation, die das vereinte Europa gründen und darin leben soll. Darum ist es von großer Bedeutung, dass auch junge Menschen an solchen Austauschen teilnehmen.“ Ansprachen hielten bei dieser Gelegenheit Otto Sparrer, Volker Dürr und der Vorsitzende des Siebenbürgen-Forums, Dr. Paul Jürgen Porr.
Nach einer Besichtigung der Burg, deren Gesamtanlage seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört (Sonderführung: Hermann Baier), kam es zu einem Empfang im Festsaal des Rathauses, wo Volker Dürr auf die jahrhundertealte Tradition der Siebenbürger Sachsen als europäische Brückenbauer zu sprechen kam und die Anregung zu einer Partnerschaft zwischen den beiden Städten mit der jetzigen Aktivität der Landsmannschaft als „Wiederhersteller von sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Brücken“ verband. Der bekannte Denkmalpfleger und Ehrenbürger von Schäßburg, Dr. Christoph Machat, der als Leiter einer Fachkommission seinen Einfluss bei der UNESCO auch für Dinkelsbühl geltend machen will, beglückwünschte die Kommunalpolitiker zu der Idee, ihre beiden Städte zusammen zu führen.
OB Otto Sparrer erwähnte eine in seinem Büro befindliche Mappe zum Vorgang UNESCO-Weltkulturerbe, die vor Jahren schon mit dem damaligen Generalkonservator von Bayern, Dr. Petzet, angelegt worden war und die nun gemeinsam mit dem neuen Generalkonservator, Dr. Reibl, dessen erste Amtsreise nach Dinkelsbühl führte, weiter bearbeitet wird.
Am Nachmittag fanden an dem großen ovalen Tisch im Sitzungsraum des Schäßburger Stadtrats dreistündige offizielle Gespräche statt. Bürgermeister Danesan hatte acht Mitglieder seines Stadtrats als Vertreter von vier Parteien hinzugeladen. In einem zweisprachig abgefassten Schreiben, das er gleich zu Beginn des Treffens OB Sparrer überreichte, wird eine Partnerschaft der beiden Städte vorgeschlagen. „Wir beabsichtigen nicht bloß, ein Dokument zu unterzeichnen, das bald vergessen ist, auch nicht nur die Schilder an den Einfallstraßen unserer Stadt mit dieser Partnerschaft zu schmücken“, heißt es darin, „sondern wir wünschen vielmehr diese Partnerschaft mit Leben zu erfüllen, durch sie Zusammenhalt zu üben und alles zu tun, was zum Nutzen unserer Städte ist. Wir sind davon überzeugt, dass sich in der Zukunft viele Möglichkeiten und Bereiche für gegenseitige Austausche und Hilfeleistungen finden werden.“
In diesem Sinne wurde dann ausgelotet, welche Beziehungen im Bereich des Schulwesens, der Bildung und der Fachausbildung, der Kultur und des Tourismus geknüpft und ausgebaut werden könnten, nicht zuletzt auch im Bereich der Wirtschaft und der kommunalen Verwaltung. Wenngleich Schäßburg heute noch nicht so viele Vereine hat wie Dinkelsbühl, so besteht da immerhin ein weites Feld von Möglichkeiten des Austauschs und der Zusammenarbeit. Dr. Stelian Larga wies als Leiter der Schäßburger Kulturkommission auf das alljährliche Festival mittelalterlicher Kunst hin, bei welchem er gerne schon im Sommer 2002 Gäste und Darbietungen aus Dinkelsbühl begrüßen würde. Einer der alten Befestigungstürme der Burg soll für Theaterzwecke saniert werden. „Unser Beitrag dazu, hier, außerhalb des deutschen Siedlungsraumes, das Erbe deutscher Kultur zu bewahren, bleibt für uns eine Ehrenpflicht“, sagte Larga.
Nachdem Marius Mandreanu als Baufachmann auf den im Vergleich zu Dinkelsbühl schlechten Zustand einiger Gebäude auf der Burg hingewiesen hatte, berichtete Thomas Sandfuchs, dass in Dinkelsbühl in jedem Jahr ein Turm und ein Abschnitt der insgesamt 2,4 km langen Stadtmauer renoviert werden. Nach jeweils 30 Jahren schließt sich der Kreis. Dass die angestrebte Partnerschaft nicht mit finanzieller Belastung für die Kommunen verbunden sein soll, wurde, um Missverständnissen vorzubeugen, deutlich gesagt.
Der Dinkelsbühler Dekan, Pfarrer Herbert Reber, und Hans Bruno Fröhlich, Stadtpfarrer von Schäßburg, äußerten sich über Möglichkeiten des Zusammenwirkens auf kirchlich-ökumenischem Gebiet sowie im Bereich der Diakonie.
OB Otto Sparrer, der eingangs darauf hinwies, dass Dinkelsbühl bereits zwei Städtepartnerschaften, nämlich mit Guerande in der Bretagne und mit dem finnischen Puorvo, intensiv pflegt, dazu die traditionsreiche Partnerschaft mit der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, meinte, man werde das Angebot aufmerksam und wohlwollend prüfen. Wie bei einer Eheschließung könne diese „Brautschau“ nach einem Jahr mit dem Ja-Wort besiegelt werden. Wenn es dazu komme, dürfe man sich freilich nicht auf ein schriftliches Dokument und regelmäßige Treffen auf Stadtratebene beschränken. Sparrer bedankte sich im Namen der Delegation herzlich für die überragende Gastfreundschaft und das sehr angenehme gegenseitige Kennenlernen. Er versicherte, dass aufgrund seines schriftlichen Berichts an den 24-köpfigen Stadtrat von Dinkelsbühl in dessen nächster Sitzung bzw. noch in diesem Sommer das Schäßburger Angebot erörtert und beantwortet werde.
Als Vorsitzender auch der Föderation der Siebenbürger Sachsen bekundete Volker Dürr seine Freude über die vielversprechenden Gespräche in Schäßburg und über den Anfang einer mit offenen Herzen begonnenen Freundschaft.
Vor ihrer Abreise hatte die Abordnung der Stadt Dinkelsbühl noch einen herzlichen Empfang beim evangelischen Stadtpfarrer von Schäßburg. Während danach die Dinkelsbühler Reisegruppe ihre Rundfahrt durch Siebenbürgen fortsetzte, kehrte die von Dürr, Pastior, Löw und Lingner begleitete Delegation des Dinkelsbühler Stadtrats nach Deutschland zurück. Eine Schäßburger Abordnung wird voraussichtlich noch in diesem Jahr der fränkischen Großen Kreisstadt ihren Gegenbesuch abstatten.

Ewalt Zweyer


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2001, Seite 3)

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