9. August 2004

Rettungsaktion für Gundelsheim geplant

Den drohenden Zusammenbruch der Siebenbürgischen Bibliothek und des Archivs in Gundelsheim will die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen durch eine gezielte Spendenaktion in der Siebenbürgischen Zeitung und weitere Verhandlungen mit Politikern abwenden. Die Spenden sollen zunächst dem Erhalt der Geschäftsstelle des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates dienen (siehe Siebenbürgische Zeitung vom 8. August 2004). Dies hat der Geschäftsführende Bundesvorstand der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in einer Sitzung am 24. Juli 2004 im Richard-Langer-Saal auf Schloss Horneck in Gundelsheim beschlossen.
Nach der Begrüßung durch Heimleiter Gerhard Schmidt, der die Grüße des Vorsitzenden des Hilfsvereins „Johannes Honterus“, Dr. Christian Phleps, überbrachte, wurden unter der Tagungsleitung des ehrenamtlich Verantwortung tragenden Bundesvorsitzenden Volker Dürr die aktuelle Lage der Einrichtungen in Gundelsheim und landsmannschaftliche Fragen erörtert.

Der Bundesvorsitzende Volker Dürr stellte fest, dass eine Stabilisierung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim gelungen sei. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) habe, wie vereinbart, 80 000 Euro für die Umbauarbeiten des alten Rathauses in der Schlossstraße zur Verfügung gestellt. Ein zehnjähriger Mietvertrag mit der Stadt sei zu guten Konditionen abgeschlossen worden. Die Umbauarbeiten im Rathaus seien fast abgeschlossen, zudem sollen in einer zweiten Etappe weitere Räumlichkeiten für Wechselausstellungen im Schloss Horneck ausgebaut werden. Das ist notwendig geworden, da die ehemalige Tabakfabrik in der Heilbronner Straße 13 in Kürze aufgegeben werden muss.

Die Volkskundlerin Dr. Irmgard Sedler, ehrenamtliche Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum, wies auf die große Verantwortung des Museumvereins hin, die wertvollen Bestände auf lange Sicht zu sichern. Viele Siebenbürger Sachsen würden ihre Gegenstände dem Museum anvertrauen. „Museumsleute denken in großen zeitlichen Zusammenhängen. Wir haben einen enormen, wertvollen Bestand, zum Teil von nationaler Bedeutung. Dies ist ein gewichtiges Argument auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit.“ Priorität habe zunächst die Bestandssicherung und -erfassung. Da nur ein wissenschaftlicher Mitarbeiter in Gundelsheim verbleibt, könnten die Bestände nur in kleinen Schritten wissenschaftlich erschlossen werden. Mit den Exponaten wolle man auch „nach außen“ gehen. „Die Hintergründe unserer Kultur und Aussiedlung könnten beispielsweise auch in Landes- und Kreisgruppen gezeigt werden“, regte der Bundesvorsitzende Volker Dürr an. Zudem plant das Museum weitere grenzüberschreitende Projekte. Diesbezügliche Erfolge wurden bereits mit der Ausstellung Henri Nouveau (Heinrich Neugeboren), der Ikonenausstellung und in gemeinsamen Vorhaben mit dem Freilichtmuseum ASTRA in Hermannstadt erreicht.

Spenden gegen drohenden Zusammenbruch

Wesentlich dramatischer stellt sich die Situation der Siebenbürgischen Bibliothek und des Archivs in Gundelsheim dar. Gustav Binder, Geschäftsführer des Kulturrates, erläuterte die seit 2003 zwar erweiterte aber dadurch nicht zahlungskräftiger gewordene Mitgliederstruktur und die Entwicklung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, der die Dokumentations- und Forschungsarbeiten auf Schloss Horneck trägt und koordiniert. Dem Siebenbürgen-Institut sei es in den zurückliegenden Jahren gelungen, jeweils einen mehrfachen Betrag der institutionellen Förderung auf dem Projektwege bei öffentlichen und privaten Förderungen einzuwerben. Mit diesen Fördermitteln wurden Sicherungsprojekte an Kirchen in Siebenbürgen (Alarmanlagen, Fenstergitter) durchgeführt, die evangelischen Gemeindearchive in Rumänien erschlossen, das Nordsiebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch verfasst, Denkmalschutzkonzepte für Städte und Gemeinden in Siebenbürgen (Hermannstadt, Schäßburg, Burzenland) erstellt, Stipendien, Tagungen, Publikationen ermöglicht. Dies alles drohe nun zusammenzubrechen, nachdem das Patenland Nordrhein-Westfalen ab 1. Januar 2005 seine institutionelle Förderung streicht. Die Folgen seien absehbar: Bestenfalls könne die Bibliothek als Einmannbetrieb weiterbestehen. „Die wissenschaftliche Arbeit, Forschung, Dokumentation, die Publikationen, die Tagungen, länderübergreifende Koordination der kulturellen Anliegen etc. könnten nicht mehr durchgeführt werden. Es brächen Serviceleistungen in Bibliothek und Archiv weg, Öffnungszeiten dürften drastisch verkürzt werden, Wartezeiten würden unabsehbar, erhebliche Gebühren müssten erhoben werden. Ab nächstem Jahr öffnet keiner mehr Ihre Post und keiner hebt den Telefonhörer ab. Es wäre ein erheblicher Verlust an Kompetenzen und Verbindungen u.a. auch nach Ostmitteleuropa zu verzeichnen.“

Um den drohenden Zusammenbruch der Strukturen in Gundelsheim zumindest teilweise zu verhindern, beschloss der Geschäftsführende Bundesvorstand der Landsmannschaft eine Spendenaktion in dieser Zeitung zu starten (siehe Spendenaufruf in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 8. August 2004). Auch die Mitgliedsvereine des Kulturrates stehen in der Pflicht. Zudem sollen weitere Verhandlungen mit Politikern geführt und verstärkt Projektanträge, auch in Zusammenarbeit mit dem Museum, gestellt werden. Der Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg, Alfred Mrass, will zusätzliche Fördermöglichkeiten im Land ausloten.

Verbandsfragen erörtert

Bei aller Offenheit für die Probleme der Kultureinrichtungen in Gundelsheim stellte der Bundesvorsitzende Volker Dürr ein übriges Mal die Frage, „wie wir unsere Kulturarbeit in Zukunft fördern werden“. Es sei zu hinterfragen, ob die Landsmannschaft mit ihrem Sozialwerk weiterhin ihre intensive Hilfe und Unterstützung in Rumänien fortsetzen könne, ohne die verbandseigenen Anliegen, wie z.B. die Kulturarbeit zu vernachlässigen. Diese grundsätzlichen Fragen sollten in der nächsten Bundesvorstandssitzung erörtert werden.

Die diesjährigen Maßnahmen im Bereich der kulturellen Breitenarbeit wurden besprochen. Die Bilanz des Heimattages in Dinkelsbühl fällt - auch in finanzieller Hinsicht - positiv aus. Die Jugendtanzgruppe Heilbronn und „Amazonas Express“ traten im Rahmen des Kulturaustausches der Föderation der Siebenbürger Sachsen in Nordamerika auf. Einen nordsiebenbürgischen Schwerpunkt setzen die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage im September in Nürnberg. Die Trachtengruppe Schönau vertritt die Siebenbürger Sachsen beim Oktoberfestumzug am 19. September in München. Für den 22. bis 24. Oktober ist in Gundelsheim die Tagung der landsmannschaftlichen Kulturreferenten vorgesehen.

Mitte Januar 2005 wollen die Siebenbürger Sachsen gemeinsam mit den Banater und Sathmarer Schwaben in einer zentralen Veranstaltung und Ausstellungen in Ulm des 60. Jahrestages seit der Deportation in die Sowjetunion gedenken. Dieses Thema soll auch Schwerpunkt der Veranstaltungen im Rahmen des Heimattages 2005 in Dinkelsbühl bilden, der von den Landesgruppen Berlin/Neue Bundesländer, Hamburg/Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen/Bremen und Rheinland Pfalz/Saarland ausgerichtet wird.

Die aktuelle Situation der Siebenbürgischen Zeitung wurde anhand einer Tischvorlage von Siegbert Bruss besprochen. Höchste Priorität genieße zurzeit die elektronische Seitengestaltung der Zeitung, wobei Fortschritte und erhebliche Einsparungen erzielt wurden. Auch der Umfang der Zeitung sei leicht zurückgenommen worden, was ebenfalls zu einer verbesserten Finanzgebarung beitrage. Auf Initiative der stellvertretenden Bundesvorsitzenden, Karin Servatius-Speck, beschloss der geschäftsführende Bundesvorstand, dass die Redaktion Praktikanten aufnehmen könne, wenn hierdurch eine Entlastung der Redaktion zu erwarten sei.

Eine erfreuliche Nachfrage verzeichnet der Internetauftritt der Landsmannschaft. Das belegte Günther Melzer, einer der drei Administratoren von www.siebenbuerger.de, anhand von Zahlen. Der Auftritt sei inzwischen 30 000 Webseiten stark, monatlich werden 800 000 Seitenabrufe verzeichnet. Bereichert wird die Internetpräsenz demnächst durch eine Informationsplattform für den weltweiten Jugendaustausch im Rahmen der Föderation der Siebenbürger Sachsen. "Leider ist die von der Landsmannschaft bisher vorfinanzierte Einrichtung von HOG-Portalen durch noch fehlende Finanzierungszusagen der Heimatortsgemeinschaften nicht gesichert", erklärte der Bundesvorsitzende Volker Dürr.

Des Weiteren zog der geschäftsführende Bundesvorstand eine erste Zwischenbilanz über die Unterstützung der Heimatortsgemeinschaften für die Rubrik "HOG-Nachrichten" der Siebenbürgischen Zeitung durch Spendenbeiträge. Es wurde festgestellt, dass die technische Umsetzung schwierig sei und auch wegen schlechter Akzeptanz verbessert werden müsse. Der HOG-Vorsitzende Michael Konnerth stellte vorsorglich einen Antrag an den Bundesvorstand der Landsmannschaft, das Spendenmodell bis zum Jahresende auslaufen zu lassen. Dadurch erhofft man sich eine bessere Stimmung für eine gemeinsam mit der Landsmannschaft betriebene Mitgliederwerbung.

Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) bemüht sich, ihr Mitgliederkonzept dahingehend zu vereinfachen, dass vermehrt Jugendliche in die Nachwuchsorganisation der Landsmannschaft eintreten. Ein Ausschuss an der Spitze mit Rainer Lehni, Bundesjugendleiter und stellvertretender Bundesvorsitzender, soll einen diesbezüglichen Entwurf erarbeiten. Auch die Landesgruppe Bayern wird sich in die Jugendförderung einbringen. Wie Rechtsanwalt Dr. Bernd Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender und Vorsitzender der Landesgruppe Bayern, berichtete, wurde auf Landesebene ein „Jugendsolidaritätsfonds“ eingerichtet, so dass die Kreisgruppen über einen „Jugendetat“ verfügen. Rainer Lehni betonte, dass die junge Generation eine entscheidende Rolle beim Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Traditionen und Werte spiele. Er äußerte die Hoffnung, dass die Kreisgruppen die Bedeutung des Nachwuchses erkennen und die Aufnahme möglichst vieler neuer Mitglieder in die Jugendorganisation der Landsmannschaft aktiv unterstützen und verwies auf zwei wichtige Ereignisse, den Volkstanzwettbewerb und den Jungsachsentag, die am 23.-24. Oktober 2004 in Landshut stattfinden werden.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2004, Seite 1-2)

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