8. Oktober 2004

Landler beim Sachsentreffen in Birthälm gewürdigt

So viele Ehrengäste hat man bislang bei einem Sachsentreffen in Birthälm wohl kaum gesehen. Das altehrwürdige Gestühl im Chorraum, aber auch die Stühle davor waren am 25. September bis auf den letzten Platz besetzt. Diplomaten, hohe Würden- und Bürdenträger der Siebenbürger Sachsen sowie Freunde von überall scharten sich gemeinsam mit den jungen Trachtenträgern um das bronzene Taufbecken und vor der mit feinsten Intarsien versehenen Sakristeitür im Chorraum der Marienkiche.
Alle beim Namen zu nennen, war auch für den Bischof der Landeskirche, D. Dr. Christoph Klein, in seinem Grußwort so einfach nicht. Geehrt wurden beim diesjährigen Sachsentag nicht ein Sachse oder ein für die Sachsen wichtiges historisches Datum. Erstmals gedachte man einer Bevölkerungsgruppe, „die sich nicht als Sachsen bezeichnet und in der Vergangenheit eher auf Abgrenzung bedacht war. Vor allen den Sachsen gegenüber“, so der Landler Festredner Martin Bottesch, derzeit auch Vorsitzender des Hermannstädter Kreisrates. Aber „Vorbilder der Glaubenstreue“ waren sie, die Landler, allemal für die Sachsen, wie der Neppendorfer Pfarrer und Berzirksdechant Dietrich Galter in seiner Festpredigt unterstrich. Denn um des Wortes Willen haben sie ihre einst angestammte Heimat in Oberösterreich, in der Steiermark sowie in Kärnten aufgegeben und sind in Richtung Siebenbürgen zu den protestantischen Sachsen ausgezogen. Zwangsweise allerdings.


Beim Sachsentreffen in Birthälm war die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt. Foto: Martin Ohnweiler
Beim Sachsentreffen in Birthälm war die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt. Foto: Martin Ohnweiler

„Das Wort sie sollen lassen stahn...“, lautete daher auch das Motto des nunmehr 14. Sachsentreffens im ehemaligen Bischofssitz. Eine kleine Abordnung aus Neppendorf in Landlertracht sowie eine 30-köpfige Delegation aus Oberösterreich sind denn auch angerückt. Ansonsten jedoch waren es die Sachsen, die diesen ihren Festtag mit Gottesdienst, mit einem beeindruckenden Trachtenumzug, mit Tänzen, Theateraufführungen, Vorträgen und Ständen der Handarbeitskreise sowie vieler Kleinunternehmer erneut bestimmten.

Allein, ein Sachse wurde trotzdem geehrt: Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr erhielt in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der weltweiten Föderation sowie der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland vom Vorsitzenden des Siebenbürgensforums (DFDS), Dr. Paul Jürgen Porr, in diesem festlichen Rahmen die DFDS-Honterus-Gedenkmedaille. Dazu der DFDS-Vorsitzende: „Trotz seines sprichwörtlichen 48-Stunden-Tages und seines vorbildlichen Familienlebens fand der erfolgreiche Architekt und Städtebauer Zeit für die Belange seiner siebenbürgischen Landsleute.“



Bundesvorsitzender Volker Dürr (links) wurde die Honterus-Medaille von Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, überreicht. Foto: Martin Ohnweiler
Bundesvorsitzender Volker Dürr (links) wurde die Honterus-Medaille von Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, überreicht. Foto: Martin Ohnweiler
In seinem Gruß- und Dankeswort unterstrich Dürr: „Die mir soeben von Ihnen überreichte Honterus-Medaille nehme ich auch im Namen meiner ehrenamtlich und auch hauptamtlich in unserem landsmannschaftlichen Verband engagierten Mitglieder mit herzlichem Dank entgegen. Ich fasse diese Auszeichnung für uns alle gleichzeitig als Ansporn auf: Wir wollen weiterhin Träger und Künder der Ideen und Traditionen sein, für die unsere Vorfahren gelebt und auch gelitten haben, und wir wollen weiterhin verlässliche Partner bei dem Ausbau und der Festigung unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg sein.“ Dürr erinnerte in seiner Rede an das Schicksal jener etwa 45 000 Landsleute, die vor 60 Jahren ihre Heimat in Nordsiebenbürgen, Bistritz und dem Reenergebiet durch Flucht oder Evakuierung verlassen mussten: „Die anlässlich der diesjährigen Heimattage in Dinkelsbühl, in Chicago, in Wels und auch hier in Birthälm stattfindenden Veranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen stehen nicht nur für das Erinnern, sondern definieren gleichzeitig die zukunftsweisenden Aufgaben für uns Siebenbürger Sachsen, davon eine grundsätzliche: Wir alle können und sollen auf der Grundlage des Gemeinsinns und der Toleranzerfahrung, in jahrhundertelang praktiziertem Zusammenleben mit mehreren Volksgruppen gewachsen, auch künftig unseren Beitrag zum Zusammenwachsen Europas leisten.“ Als Gastgeschenk überbrachte Volker Dürr dem Siebenbürgenforum eine Spende mit den „herzlichen Grüßen meiner Landsleute in Deutschland“.

Aber auch der kleine Festsaal der Birthälmer Schule erwies sich daraufhin als viel zu klein für die große Anzahl von Interessenten an dem Fest- und Diavortrag des Landlerehepaars Dr. Johanna und Martin Bottesch. Selbst zusätzlich herbeigeschaffte Stühle waren nicht ausreichend und Stehplätze gerade noch im Vorraum zu haben. Doch damit war das Thema des diesjährigen Sachsentreffens abermals gerechtfertigt, die Jahresfeier der Landler in den Mittelpunkt einer sächsischen Veranstaltung zu rücken.

Auch wenn etwas „großpoldlästig“ (Johanna Bottesch) gehalten, so ging das Tandem Bottesch in seinem gut dokumentierten und oftmals pointierten Vortrag mit der Rechtfertigung dann noch einige Schritte weiter. Die Landler hatten zwar im Vergleich zu der viel größeren Bevölkerungsgruppe der Siebenbürger Sachsen, so Martin Bottesch, „eine geringe Dimension“, doch die drei großen Landlergemeinden (Neppendorf, Großau und Großpold) „hatten sowohl durch ihre Handwerker.... als auch durch die aus ihrer Mitte aufgestiegenen Persönlichkeiten eine über ihre Ortschaften hinausgehende Bedeutung“. Nicht nur nahe dem Unterwald, sondern in etwa 20 Ortschaften Siebenbürgens haben sich während der Transmigration Österreicher im 18. Jahrhundert niedergelassen, wurden allerdings von den Sachsen nach und nach assimiliert. So kommt es aber, dass, laut Schätzungen, „jede dritte alteingesessene Hermannstädter deutsche Familie auch landlerische Vorfahren hat“, gab der Festredner bekannt. Und im 20. Jahrhundert soll es wohl kaum einen Evangelischen in den drei Landlergemeinden gegeben haben, „der nicht sowohl landlerische als auch sächsische Vorfahren hatte.“ Das Fazit: Die Landler haben eine siebenbürgische Entwicklung durchgemacht und zwar eine ähnliche wie die der Siebenbürger Sachsen, denn sie befanden sich schließlich im siebenbürgisch-sächsischen Boot, auch wenn sie zuweilen eine eigene Flagge hissten, schlussfolgerte Martin Bottesch.

Auch in Birthälm haben sie zu dem Motto des Heimattages „Das Wort sie sollen lassen stahn...“ Flagge gezeigt. Die Festpredigt hielt nämlich der Seelsorger dieser drei Landlergemeinden, Dechant Dietrich Galter. Die Abordnung aus Oberösterreich, dem „Hauptherkunftsland der Landler“ (Otto Gumpinger), kam eigens nach Birthälm, um den 270. Jahrestag seit der Ansiedlung der Landler in Siebenbürgen festlich zu begehen (davor und danach war man in den Landlergemeinden zu Gast), und zum Volksredner auserkoren wurde heuer Mathias Krauss, Kirchenkurator in Großau. Der tüchtige Geschäftsmann und Rücksiedler versicherte in Anlehnung an das Gleichnis des Volksredners aus Reichesdorf vor zwei Jahren zum gleichen Anlass: „Aus der Wurzel der alten Akazie ist ein kleiner Baum gewachsen. Er blüht zwar noch nicht, aber er wächst.“

Den „Aufbauwillen“ (Paul Philippi) der Landler haben alle Redner in ihren Grußworten gerühmt, die „heimatpolitische Bedeutung des Sachsentreffens“ (Wolfgang Wittstock) von daher auch als treffend bezeichnet. Und bezeichnend nicht nur für die Vergangenheit, sondern erst recht für die Gegenwart und Zukunft dieses Landstrichs waren jene Vorbilder der Glaubenstreue. Siebenbürgen erwies sich im 18. Jahrhundert bereits als ein Land der Toleranz, offen für andere Menschen, Kulturen und Religionen, so Bischof D. Dr. Christoph Klein, der mahnte, „diese Werte auch weiterhin zu bewahren angesichts der heutigen Herausforderungen“. Überdies haben die Landler damals, ähnlich wie heute die Rück- und Neusiedler, „unsere eigenen Lücken gefüllt“ (Bischof Klein). Lediglich um des Wortes Willen muss zwar heute niemand mehr hierzulande seine Heimat verlassen, jedoch in anderen Regionen werden immer noch deshalb Opfer gebracht, beklagte das Kirchenoberhaupt.

Und die Härte der Transmigration, aber auch jene der Siebenbürger Sachsen den damaligen Neuankömmlingen gegenüber, hat in aller Schärfe Magister Volker Petri, Bundesobmann der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich, verurteilt, sich bei den Landlern im Namen seiner Landsleute dafür am Sachsentag förmlich entschuldigt. Unfassbar für Petri war auch die Tatsache, dass die Landler nach 1990 in ihrem Herkunftsland nicht aufgenommen wurden, Wien sich dabei gegen den Willen Kärntens und Oberösterreichs sträubte. „Der Geschichte wurde hiermit eine große Chance genommen“ (Petri).

Martin Ohnweiler

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2004, Seite 1-2)

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