25. November 2004

Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen: Aufgaben von großer Tragweite

Aus Anlass der 15 Jahre seit der Wende zog der Bundesvorsitzende Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr eine Bilanz der Verbandsarbeit und hielt Vorausschau auf die künftigen Ziele der Landsmannschaft. Mit diesen Grundsatzfragen begann die Bundesvorstandssitzung der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland am 13. November im Hotel Wessinger in Neu-Isenburg (Hessen). Eine prall gefüllte Tagesordnung bewältigten die Vorstandsmitglieder anhand von Tischvorlagen und in konstruktiven Diskussionen, angefangen von der finanziellen Not der Kultureinrichtungen in Gundelsheim über die Rentenfrage, Aussiedleraufnahme, Finanzierung der Siebenbürgischen Zeitung bis hin zur Kultur- und Jugendarbeit der Landsmannschaft.
An der Tagung beteiligten sich die Bundesvorstandsmitglieder, der Ehrenvorsitzende Dr. Wolfgang Bonfert, der geschäftsführende Vorsitzende des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, Dekan i.R. Hermann Schuller, Rainer Lehni, der wiedergewählte Vorsitzende der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland, und der Vorsitzende des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, Michael Konnerth. Aus Siebenbürgen war der ständige Vertreter des Siebenbürgenforums, Daniel Thellmann, angereist. Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft und Vorsitzende der Föderation der Siebenbürger Sachsen, Volker Dürr, gratulierte Thellmann für seine Wahl als Bürgermeister von Mediasch und wünschte ihm viel Kraft für die schwere Aufgaben, die ihn in verantwortungsvoller Position erwarten. Als neue Mitglieder des Bundesvorstandes wurden Ortwin Gunne, Vorsitzender der Landesgruppe Rheinland-Pfalz, und Dekan i.R. Hermann Schuller begrüßt. Nach dem Rücktritt von Pfarrer i.R. Kurt Franchy hat Schuller den geschäftsführenden Vorsitz des Hilfskomitees übernommen. Mit seiner langjährigen Erfahrung will er die Kontinuität im Vorstand des Hilfskomitees sichern und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft fortsetzen: „Wir ziehen in gleicher Weise am gleichen Strang.“


Die Teilnehmer der Bundesvorstandssitzung in Neu-Isenburg, jeweils von links nach rechts, erste Reihe: Harald und Enni Janesch, Volker Dürr, Karin Servatius-Speck, Bernd Fabritius; zweite Reihe: Erhard Graeff, Michael Konnerth, Helmut Beer, Ingwelde Juchum, Ines Wenzel, Robert Sonnleitner, Hannes Schuster, Volkmar Gerger, Günther Tontsch, Ernst Bruckner; dritte Reihe: Hans-Werner Schuster, Rainer Lehni, Herman Schuller, Johann Schmidt, Ortwin Gunne, Alfred Mrass; vierte Reihe: Rudolf Kartmann, Wilhelm Folberth, Wolfgang Bonfert, Peter Pastior und Daniel Thellmann. Foto: Siegbert Bruss
Die Teilnehmer der Bundesvorstandssitzung in Neu-Isenburg, jeweils von links nach rechts, erste Reihe: Harald und Enni Janesch, Volker Dürr, Karin Servatius-Speck, Bernd Fabritius; zweite Reihe: Erhard Graeff, Michael Konnerth, Helmut Beer, Ingwelde Juchum, Ines Wenzel, Robert Sonnleitner, Hannes Schuster, Volkmar Gerger, Günther Tontsch, Ernst Bruckner; dritte Reihe: Hans-Werner Schuster, Rainer Lehni, Herman Schuller, Johann Schmidt, Ortwin Gunne, Alfred Mrass; vierte Reihe: Rudolf Kartmann, Wilhelm Folberth, Wolfgang Bonfert, Peter Pastior und Daniel Thellmann. Foto: Siegbert Bruss

Bundesvorsitzender Volker Dürr bot in seiner Ansprache einen Gesamtüberblick über den Verband. Er hinterfragte, was die Landsmannschaft in den 15 Jahren nach der Wende unternommen habe, um unsere Gemeinschaft zukunftsfähig auszurichten, und antwortete: „Wir haben vor allem gezeigt, dass wir schnell und zügig handeln können, denn es galt, sehr viele Landsleute in Deutschland zu integrieren.“ Für die Rechte der Landsleute habe man sich auch durch die 1996 gegründete „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ engagiert. Aus eigener Kraft habe die Landsmannschaft im Jahr 2000 eine Begegnungsstätte in München erworben und dort alle Dienste des Verbandes zusammengeführt. Das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen habe durch die vielfältige Siebenbürgenhilfe „Tragfähigkeit nach vorne“ bewiesen. „Wir sind weiterhin Brückenbauer zwischen West und Ost und wollen vor allem den Pfeiler in Deutschland stärken“, betonte der Bundesvorsitzende. Es sei wichtig, „die Integration ohne Identitätsverlust zu intensivieren, den Sozial- und Kulturfonds der Landsmannschaft zu erweitern und die Qualität und Kostenentwicklung der Siebenbürgischen Zeitung zukunftsfähig zu gestalten“. (Lesen Sie ein Interview mit Volker Dürr in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. Dezember 2004.)

Große Solidarität mit Gundelsheim

„Strukturen, die in den letzten fünf Jahrzehnten aufgebaut wurden, drohen zu bröckeln“, bedauerte der Bundesvorsitzende mit Blick auf die Kultureinrichtungen in Gundelsheim am Neckar. Eine Stabilisierung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim sei gelungen. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) habe die Umbauarbeiten des alten Rathauses in der Schlossstraße bezuschusst und eine Projektförderung für 2005 zugesagt. Die Einweihung des umgebauten Rathauses sei für Januar 2005 geplant. Auf Schloss Horneck solle das Siebenbürgische Museum erweitert werden, um neue Räumlichkeiten für Wechselausstellungen zu erschließen. Das ist notwendig geworden, nachdem die Dépendence des Museums in der ehemaligen Tabakfabrik aufgegeben werden musste.

Wesentlich dramatischer stellt sich die Situation der Siebenbürgischen Bibliothek und des Archivs in Gundelsheim dar. Das Patenland Nordrhein-Westfalen streicht seine institutionelle Förderung ab 1. Januar 2005. Die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen ist besonders durch den Wegfall der Geschäftsstelle des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats gefährdet, die den Kontakt nach außen und die Koordination nach innen zu gewährleisten hat. Um den drohenden Zusammenbruch der Strukturen des Kulturrats in Gundelsheim zu verhindern, hatte der Bundesvorstand bereits im März dieses Jahres eine Spendenaktion in dieser Zeitung gestartet. Eine außerordentliche Hilfsbereitschaft haben beispielsweise die Landesgruppen Baden-Württemberg und Hessen der siebenbürgischen Landsmannschaft bewiesen. Diesen und den vielen anderen Spendern dankte Dr. Günther Tontsch, Beisitzer des Bundesvorstandes. Die Spenden hätten sich durch Aufrufe in der Siebenbürgischen Zeitung seit Frühjahr bis Ende November 2004 auf rund 80 000 Euro gegenüber dem Vorjahr vervierfacht. Dr. Tontsch berichtete über die „Bettelbriefe“, die er an 70 bis 75 Personen geschrieben hatte, die sich besonders stark mit den in Jahrzehnten gewachsenen Kultureinrichtungen in Gundelsheim verbunden fühlen. 35 Spendern sagten eine Summe von knapp 100 000 Euro für einen Zeitraum von drei Jahren zu. Die „Feuerwehraktion“ sei zwar gelungen, aber die Finanznot in Gundelsheim „wird uns weiter begleiten“. Günther Tontsch rief dazu auf, „Gundelsheim“ stärker in das Bewusstsein der Landsleute zu rücken: „Unser siebenbürgisches Kulturzentrum in Gundelsheim ist unser kollektives Gedächtnis und das unserer nachwachsenden Generationen.“

Einigen Angestellten musste bereits gekündigt werden. Deshalb sind weitere Initiativen geplant, sowohl politische Gespräche mit Bund und Ländern als auch Spendenaktionen, um den Kulturrat, die Bibliothek und das Archiv wieder funktionsfähig zu machen.

Dem „Zentrum gegen Vertreibungen“, das in Berlin entstehen soll, steht die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen positiv gegenüber. Über eine angemessene finanzielle Unterstützung wird der Bundesvorstand zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Des Weiteren wurde die erfreulich gute Arbeit Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) gewürdigt. Rainer Lehni, Stellvertretender Bundesvorsitzender und SJD-Bundesjugendleiter, berichtete über den Tanzwettbewerb in Mirskofen und Jungsachsentag in Landshut, die Weichen gestellt haben für die künftige Jugendarbeit. Es sei gelungen, neue Mitglieder vor allem durch „Mundpropaganda“ zu gewinnen.

Über die Rechtslage bei der Aussiedleraufnahme berichtete der zuständige Bundesrechtsreferent Dr. Johann Schmidt. Besorgnis erregend sei die Situation in Bayern. Erstinstanzliche positive Urteile werden von der Berufungsinstanz sowohl in Ansbach als auch in München regelmäßig zu Lasten der Antragsteller korrigiert. Der Bundesvorstand hatte sich in dieser Sache an den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gewandt. Die Antwort des Leiters der Bayerischen Staatskanzlei, MdL Erwin Huber (siehe Bericht in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 16. August 2004), ließ eine „harte Gangart des Freistaates erkennen, die wir mit Bedauern zur Kenntnis nehmen“, erklärte Dr. Johann Schmidt. Der Bundesrechtsreferent wies auf das neue Zuwanderungsgesetz hin, das am 1. Januar 2005 in Kraft treten, aber keine wesentlichen Änderungen für die bereits restriktive Aussiedleraufnahme der Deutschen aus Rumänien mit sich bringen werde.

Entscheidung über Rentefrage frühestens 2005

Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe über die Fremdrentenkürzungen sei in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen, berichtete Bundesrechtsreferent Ernst Bruckner. Das Gericht hatte geplant, die Verfassungsklage gegen Fremdrentenkürzungen 2004 zu erörtern. Das Bundessozialgericht habe nämlich im September 2004 eine erneute (ca. 90 Seiten lange) Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erlassen. „Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine Frist zu einer Stellungnahme bis Ende dieses Jahres eingeräumt, so dass frühestens im nächsten Jahr in allen Fällen gemeinsam entschieden werden kann“, erklärte Rechtsanwalt Ernst Bruckner. Damit verfügt die „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ über zwei Gutachten und drei positive Vorlagen des Bundessozialgerichts.

Bei der elektronischen Erstellung der Siebenbürgischen Zeitung wurden große Fortschritte erzielt. Bundesvorsitzender Volker Dürr und weitere Bundesvorstandsmitglieder lobten die inhaltliche Qualität und die finanzielle Konsolidierung der Zeitung. Es sei gelungen, „die Siebenbürgische Zeitung schlanker zu machen und die Kosten auf ein wirtschaftliches Maß zu reduzieren“. Die Mitarbeiter würden sich fortlaufend technisches Fachwissen aneignen, was zu Einsparungen bei den Druckkosten geführt habe, sagte der verantwortliche Redakteur Siegbert Bruss. Im Dezember 2002 wurden die ersten Seiten der Siebenbürgischen Zeitung am Bildschirm umbrochen. Im Jahr 2003 wurden 87 Seiten mit QuarkXpress erstellt und in den ersten 18 Folgen dieses Jahres bereits 166 Seiten. Die Mitglieder des Bundesvorstands zeigten viel Verständnis für das hohe Arbeitspensum der beiden Redakteure, sprachen sich aber nachdrücklich für eine zügige Fortsetzung der elektronischen Umstellung der Zeitung aus.

Neue Regelung für Heimatortsgemeinschaften

Die bisherige Regelung, wonach die Heimatortsgemeinschaften die Rubrik „HOG-Nachrichten“ der Siebenbürgischen Zeitung durch Spendenbeiträge mitfinanzieren, läuft zum Jahresende 2004 aus. Einem diesbezüglichen Antrag des Vorsitzenden des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, Michael Konnerth, gab der Bundesvorstand „mit Bedauern“ statt. Konnerth hatte seinen Antrag damit begründet, dass die „Stimmung an der Basis“ schlecht und der HOG-Verband handlungs- und zahlungsunfähig geworden sei. Der Bundesvorsitzende Volker Dürr dankte den Heimatortsgemeinschaften, die mitgeholfen hätten, sparsamer mit den Ressourcen der Zeitung umzugehen und sich finanziell in die Pflicht nehmen ließen. Der HOG-Verband will gemeinsam mit der Landsmannschaft neue Mitglieder werben, aber auch Spenden akquirieren, um die finanzielle Grundlage der Zeitung zu stärken. Mit den Kapazitäten der Zeitung will man also weiterhin behutsam umgehen. Diese neue Regelung gilt zunächst bis Ende 2005.

Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster, der auch den Bildschirmumbruch der Zeitung maßgeblich mitgestaltet, berichtete über die kulturelle Breitenarbeit dieses Jahres und stellte die Projekte 2005 vor. Die Bilanz des diesjährigen Heimattages in Dinkelsbühl fiel durchwegs positiv aus. Bei den Heimat- und Kulturtagen von Chicago bis Birthälm wurde mit den Themen 60 Jahre Flucht und Evakuierung aus Nordsiebenbürgen sowie 270 Jahre seit der Transmigration der Landler nach Siebenbürgen ein „weltweiter Bogen“ gespannt. Dies sei auch von bundesdeutschen Politikern anerkennend zur Kenntnis genommen worden, berichtete der Bundesvorsitzende. Für den 14.-15. Januar 2005 ist gemeinsam mit den Donauschwaben und anderen Deutschen Südosteuropas eine zentrale Gedenkveranstaltung in Ulm an der Donau geplant. Das Gedenken an die Verschleppung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion vor 60 Jahren wird auch im Mittelpunkt des Heimattages 2005 in Dinkelsbühl stehen.

Da die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage oft kurzfristig geplant und durchgeführt werden, beschloss der Bundesvorstand, diese Veranstaltungen künftig nur noch jedes zweite Jahr abzuhalten. Dadurch will man zuverlässiger planen und die Fördermöglichkeiten auch durch die Kulturreferentin des Donauschwäbischen Zentralmuseums bzw. das BKM in Anspruch nehmen. In den Jahren dazwischen sollen kulturelle Veranstaltungen gemeinsam mit partnerschaftlichen Organisationen wie dem Hilfskomitee, den siebenbürgischen Kultureinrichtungen in Gundelsheim oder den Heimatortsgemeinschaften ausgerichtet werden.

Erfolgreicher Internetauftritt

Sehr erfolgreich ist der im Oktober 2000 gestartete Internetauftritt unter www.siebenbuerger.de, wobei zurzeit rund 18 000 Zugriffe pro Tag gezählt werden. Internetreferent Robert Sonnleitner wies auf die hohe Akzeptanz dieser landsmannschaftlichen Kommunikationsplattform hin, die auch die breite Öffentlichkeit, viele Behörden und Journalisten erreiche. Der Bundesvorstand beschloss, angesichts des wachsenden Umfangs des Internetauftritts den nötigen Speicherplatz zu erweitern.

Des Weiteren billigte der Bundesvorstand den Haushaltsentwurf 2005. Die nächste Bundesvorstandssitzung ist den 12. März 2005 in München geplant.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2004, Leitartikel)

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