30. November 2004

Wichtige Änderungen im Rentenrecht

Mit Beginn des Jahres 2005 werden durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) einige Änderungen wirksam. Betroffene sollten prüfen, ob sie noch bis Jahresende 2004 handeln müssen.
1) Abschaffung der Höherbewertung der ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten: Für die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten eines Versicherten ist mit der Rentenreform 1992 eine pauschale Höherbewertung eingeführt worden. Diese führte dazu, dass unabhängig von der eigenen Tätigkeit diese ersten drei Jahre nach Beendigung der Schule und Aufnahme einer Berufsausbildung oder Tätigkeit auf 75% des individuellen Durchschnittsverdienstes (höchstens 75% des Durchschnitts aller Versicherten) angehoben wurden. Damit sollte ein Ausgleich für geringe Verdienste am Anfang eines Berufslebens geschaffen werden. Für Neurentner ab 2005 entfällt diese Regelung ohne Übergangsfrist, wenn diesen Zeiten nicht Pflichtbeiträge wegen beruflicher Ausbildung zugrunde liegen. Die bisherige pauschale Anhebung der ersten 36 Pflichtbeiträge wird damit auf Zeiten einer tatsächlichen Berufsausbildung konzentriert. Betroffene, die z.B. im Rahmen der Kontenklärung keine Belege für eine Berufsausbildung am Anfang des Berufslebens erbracht haben (weil die ersten drei Jahre nach dem bis 31.12.2004 geltenden Recht sowieso entsprechend angehoben wurden), müssen nun die tatsächliche Berufsausbildung durch Unterlagen oder Zeugenaussagen glaubhaft machen. Der Unterschied kann bis zu rund 58 Euro monatlicher Rente (2,25 Entgeltpunkte/EP) ausmachen.

2) Abschaffung der bewerteten Anrechnungszeiten bei schulischer Ausbildung: Seit 2002 werden bis zu acht Jahre der schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres als Anrechnungszeiten berücksichtigt. Hiervon werden derzeit drei Jahre als bewertete Anrechnungszeit rentensteigernd berücksichtigt, und zwar mit 75% des Durchschnittsverdienstes. Damit können maximal 2,25 EP Anwartschaften erworben werden. Die restlichen fünf Jahre stellen keine Lücke dar und werden für die Wartezeit berücksichtigt, allerdings ohne rentensteigernde Wirkung.

Nunmehr wird durch die Änderung des § 74 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) die Bewertung für Neurentner ab 2005 mit dreijähriger Übergangsfrist abgeschafft. Nach Meinung des Gesetzgebers soll mit der Abschaffung der bewerteten schulischen Anrechnungszeiten die bisherige rentenrechtliche Besserstellung von Versicherten mit Zeiten schulischer Ausbildung nach dem 17. Lebensjahr beseitigt werden. Vor dem Hintergrund steigender demografisch bedingter Belastungen der Alterssicherungssysteme könne es nicht länger Aufgabe der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung sein, Zeiten der Schul-, Fachhochschul- und Hochschulausbildung, also Zeiten, in denen keine Beitragszahlung erfolgt, rentenrechtlich auszugleichen - so die Gesetzesbegründung.

3) Auslaufen der Möglichkeit zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge für Ausbildungszeiten (§ 207 SGB VI) für Personen, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, zum 31.12.2004: Für Zeiten der schulischen Ausbildung nach Vollendung des 16. Lebensjahres, die nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden können, besteht die grundsätzliche Möglichkeit, freiwillig Beiträge zur Schließung der Lücken nachzuzahlen (§ 207 SGB VI). Diese Zahlung ist zwar für sich betrachtet wegen der schlechten Rendite nicht empfehlenswert. In gewissen Konstellationen kann die Zahlung jedoch zu einem erheblichen Rentenzuwachs führen, wenn dadurch erst eine Wartezeit erfüllt oder die Voraussetzungen für eine Höherbewertung mit Mindestentgeltpunkten geschaffen werden. Wenn jemand zur Erreichung der erforderlichen Grenze von 35 Jahren (420 Monaten) nur noch wenige Monate benötigt, dann kann es sehr lukrativ sein, für diese noch fehlenden Monate einen freiwilligen Beitrag nachzuzahlen und damit die Vorteile der erreichten 420-Monate-Grenze auszuschöpfen. So kann - z.B. wenn der Betroffene 34 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten erworben hat und daher nur ein Monat zur Erreichung der Anwendungsgrenze des § 262 SGB VI fehlt - durch Zahlung eines freiwilligen Beitrages in Höhe von 78 Euro (Mindestbeitrag) die Anwendung des § 262 SGBVI herbeigeführt und eine monatliche Rentensteigerung von bis zu einigen Hundert Euro bewirkt werden. Personen, die das 45. Lebensjahr bereits vollendet haben, können diesen Antrag nur noch bis zum 31.12.2004 stellen. Personen, denen zur Erreichung von 35 Jahren an rentenrechtlichen Zeiten bei Rentenbeginn wenige Monate fehlen, sollten daher prüfen, ob in ihrem Fall eine solche Nachzahlung zu beantragen ist.

4) Reduzierung der Anspruchsdauer in der Arbeitslosenversicherung: In § 127 Sozialgesetzbuch III (SGB III) wurde geregelt, dass mit Beginn vom 1.2.2006 die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld von bis zu 32 Monaten auf 12 bzw. für Personen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, auf 18 Monate reduziert wird. Wenn bereits jetzt absehbar ist, dass ab dem Jahre 2006 eine Arbeitslosigkeit als Übergang zur Rente vorliegen wird (z.B. wenn auf medizinischen Rat die Tätigkeit aufgegeben werden soll, aber die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt sind), dann sollte auf einen Beginn der Arbeitslosigkeit noch vor dem 31.1.2006 geachtet werden, weil sonst die Anspruchsdauer erheblich reduziert wird. Da in einigen Fällen die Kündigungsfristen auch zwölf Monate betragen können, müssten Betroffene noch kurzfristig entsprechende Dispositionen treffen, damit der Stichtag bei Beachtung der Kündigungsfristen nicht überschritten wird.

Hilfestellung erteilen Anwälte mit besonderer Erfahrung im Sozialrecht und im Fremdrentenrecht.

Rechtsanwalt Dr. Bernd Fabritius

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2004, Seite 4)

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