17. Januar 2005

Ernst Irtel: Schönheit tausendfach verschenkt

Eine Bronzebüste des siebenbürgisch-sächsischen Komponisten und Musikpädagogen Ernst Irtel wurde am 8. Januar 2005 auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar enthüllt. Vor zahlreichem Publikum, darunter vielen Heimbewohnern, würdigte Hannes Schuster in einer bewegenden Ansprache zunächst das Bildwerk von Kurtfritz Handel, das „uns in anrührender Weise einen Mann gegenwärtig werden lässt, dem wir uns, noch über seinen Tod hinaus, in dauerhafter Anhänglichkeit verbunden fühlen“.
Die Büste hätte keinen besseren Platz finden können als im Festsaal auf Schloss Horneck, denn hier hielt Ernst Irtel zuletzt seine geschätzten musikhistorischen Vorträge, bis nur wenige Wochen vor seinem Tod am 8. Juli 2003 in Gundelsheim. Mit ihr geehrt werde, betonte Hannes Schuster, „neben ihrem Bildner und ihren Stiftern, der Mensch Ernst Irtel, den der Bronzekopf in lebendige Erinnerung ruft, vor allem und allen anderen aber sein Tun zur Förderung des Schönen, die Generosität, mit der er trotz windiger Zeitläufte, die er und wir zu durchleben hatten, trotz vielfachen Sinnverlusts und zunehmender Kälte in unserer entgötterten wie entpersönlichten Welt dem Wohlklang Raum geschaffen hat in unserem Fühlen und Denken.“


Ernst Irtel. Bronzebüste von Kurtfritz Handel. Foto: Petra Reiner
Ernst Irtel. Bronzebüste von Kurtfritz Handel. Foto: Petra Reiner
Der ehemalige Irtel-Schüler und nachmalige Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, Hannes Schuster, zeichnete ein einfühlsames Bild des Menschen Ernst Irtel, der zwar „eine aristokratisch gehobene Wortwahl pflegte“, wenn er etwa von bedeutenden Werken der Musik, der Literatur oder der Kunst sprach, dem aber „aller Schwulst und Bombast widerwärtig“ gewesen seien. Der am 9. Februar 1917 in Mühlbach geborene Musiklehrer habe „viel auf geistige Reinlichkeit, auf intellektuelle Sauberkeit und damit auch auf sittliche Integrität“ gehalten und sei damit zu einer Art moralischer Instanz für viele seiner Schüler und Freunde geworden.

„Ehrende Erinnerung“ gebühre Irtel in erster Linie für das, was er getan habe, sagte Hannes Schuster, nämlich dies: „Er hat Schönheit verschenkt, und das hundert-, ja tausendfach. Er tat es als Komponist, als Tondichter, wobei der Akzent auf beide Komponenten dieser Wortverbindung, auf die musikalische und die literarische zu fallen hat. Denn die meisten seiner Tonschöpfüngen sind in ihrer Entstehung von dichterischen Vorlagen angeregt worden, wie ihm überhaupt die Literatur eine zweite ‚geistige Lebensform‘ war. Er hat Verse von Storm, Lulu von Strauß und Torney, von Mörike und Hans Carossa, auch solche aus der siebenbürgisch-sächsischen Volksdichtung in Musik gesetzt.“ Den Tongebilden sei eine Textnähe eigen, dass man zu meinen verführt sei, die Verse seien auf die Musik und nicht umgekehrt, die Musik auf die Verse geschrieben worden. „So ist wohl keinem Gedicht der siebenbürgischen Literatur eine kongenialere musikalische Umsetzung widerfahren als der ‚Siebenbürgischen Elegie‘ von Adolf Meschendörfer durch die Vertonung Ernst Irtels: Modus und Duktus der hier eigenartig sich vollziehenden, auf engem Raum in sich geschlossenen Klangwelt legen den ganzen Zeichenwert der Sprache des Gedichts offen, machen ihn überdeutlich und nachvollziehbar, indem sie ihn bis in seine letzten Anklänge hörbar werden lassen“, führte Schuster aus.



Hannes Schuster während seiner Ansprache in Gundelsheim. Foto: Petra Reiner
Hannes Schuster während seiner Ansprache in Gundelsheim. Foto: Petra Reiner
„Schönheit vielfach verschenkt“ habe Ernst Irtel zudem als Musiklehrer und Chorleiter in Mühlbach, Hermannstadt, Schäßburg und Mediasch. „Durch seine Hände sind Generationen siebenbürgischer Schüler gegangen, denen er in seinen lebendig gestalteten Unterrichtsstunden und den mitreißenden Chorproben gesangstechnisches, musiktheoretisches und musikgeschichtliches Rüstzeug mit auf den Lebensweg gegeben und sie dadurch befähigt hat, die Schönheiten der Tonkunst nicht nur wahrzunehmen und in ihrer Eigenwelt zu begreifen, sondern sie später als Multiplikatoren auch weiterzureichen.“ Und abermals Schönheit habe Irtel „verschenkt in seinen mit ausgewählten Klangbeispielen angereicherten musikhistorischen Vorträgen“, die er in Schäßburg, Mediasch und schließlich auf Schloss Horneck regelmäßig gehalten habe.

Die Zuhörer in Gundelsheim durften sich der Schönheit der exemplarischen Tondichtung „Siebenbürgische Elegie“ in der vorzüglichen Interpretation durch den Sänger Dieter Rell und die Pianistin Angela Seiwerth erfreuen. Zudem wurde die Feierstunde mit Irtels Kompositionen auf Verse von Theodor Storm und Hermann Hesse musikalisch umrahmt.

Initiator der Einweihung, die im Rahmen des traditionellen Neujahrsempfangs des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates stattfand, war Rudolf Hann, Vorsitzender der HOG Mühlbach. Als Stifter hatten sich zudem die Heimatortsgemeinschaften Schäßburg, Mediasch und Hermannstadt, das Heimathaus „Siebenbürgen“ und der „Johannes Honterus“-Trägerverein, das Sozialwerk der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen sowie Freunde und ehemalige Schüler Ernst Irtels für den Erwerb der Bronzebüste und ihre Aufstellung im Festsaal des Heimathauses eingesetzt. Ihren Platz findet neben der Büste ein Wandbehang mit der „Siebenbürgischen Elegie“, den Edith Drohtler, geb. Fischer, in mühevoller Arbeit gestickt hat.

Ebenfalls in Gundelsheim wurde Ernst Irtel am 2. November 2002 für seinen selbstlosen Einsatz für die Pflege siebenbürgisch-sächsischer Kultur mit der Stephan-Ludwig-Roth-Medaille der Landsmannschaft gewürdigt. Die Auszeichnung wurde vom Bundesvorsitzenden Volker Dürr in der Deutschmeisterhalle überreicht.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 1 vom 20. Januar 2005, Seite 5)

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