15. April 2005

Wertvolle Trachtenlandschaft in Südmähren

Die schöne und vielfältige Tracht der ehemaligen deutschen Sprachinsel bei Wischau (etwa 30 km östlich der früheren Landeshauptstadt Brünn) wurde im Juni 2004 im Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München präsentiert.
Rosina Reim, die 2. Vorsitzende der seit 1949 bestehenden „Gemeinschaft Wischauer Sprachinsel“ (Verein zur Bewahrung und Pflege des Heimatgutes), stellte mit ihrer Familie und weiteren Vereinsmitgliedern die ehemalige deutsche Sprachinsel in München vor.

Am 14. März 2005 war das Ehepaar Rosina und Wilhelm Reim bei der Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen in Geretsried zu Gast. Anhand von Trachtenpuppen und vieler Stickereien erläuterte Frau Reim das Besondere dieser Trachtenlandschaft. Zwei große Fotoalben mit Bildern aus den letzten 60-80 Jahren dieser deutschen Sprachinsel zählten neben Broschüren und Faltblättern zum Informationsangebot.

Wegen der schönen Bauerntrachten, vor allem der Frauentracht mit dem „Tatzl“, einer gestärkten Halskrause, galt die Sprachinsel mit ihren Bewohnern in der Zwischenkriegszeit als „lebendes Museum“. Leider ist diese Trachtenlandschaft heute öffentlich kaum präsent, abgesehen von einigen Heimatstuben. Die Exponate sind in deutschen Museen hinterlegt, lagern im Depot. Umso mehr sind die Vorführungen der Familie Reim aus München auch anderen interessierten Kreisgruppen zu empfehlen. In einer Daueraustellung sind diese Trachtenteile im 1. und 2. Stock im Haus des Deutschen Ostens (Am Lilienberg 5, 81669 München) zu sehen.

Die heutige Bezirksstadt Wischau am Rande der Hanna-Ebene, der Kornkammer Mährens, ist eine ehemals deutsch geprägte Kleinstadt. Um sie herum lagen bis ins 18. Jahrhundert rund 60 deutsche Dörfer. Bereits im 11. Jahrhundert waren baierische Siedler (vorwiegend Bauern und Handwerker) in das Gebiet mit slawischer Bevölkerung gekommen. Es bildete sich ein relativ geschlossenes deutsches Sprachgebiet über Brünn, Wischau und Deutsch-Pruss. Die Dörfer der Sprachinsel waren verschiedenen geistlichen Orden unterstellt und ihre Bewohner blieben bis zuletzt streng katholische Kirchenmitglieder. Die Menschen haben sich über die Jahrhunderte zur Wahrung ihrer Identität immer mehr gegenüber der tschechischen Bevölkerung abgegrenzt. Die Wischauer Sprachinsel entwickelte sich zu einer geschlossenen Gesellschaft mit altbairischem Dialekt, eigenen Trachten, Sitten und Bräuchen und besonderen Regeln des Zusammenlebens. Den Bestand der Sprachinsel bedrohte die Gründung eines tschechischen Nationalstaats Ende des 1. Weltkriegs und die damit verbundene Tschechisierung. Gleich nach Ende des 2. Weltkriegs wurden die Deutschen von Haus und Hof vertrieben und in Auffanglager verbracht. Die endgültige Vertreibung erfolgte 1946. Die Wischauer Sprachinsel wurde für immer ausgelöscht. Die Angehörigen dieser Vertriebenengruppe leben heute verstreut u.a. in der Patenstadt Aalen, in München, Karlsruhe und Stuttgart.

Walter Klemm

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2005, Seite 8)

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