28. Juli 2005

Theater um gefährdete Seele

„Hatschi!“ Nochmals. Niemand wünscht dem Unsterblichen Gesundheit. Der Teufel niest und weiß zu genießen. Ein geschniegelter Elegant im Anzug, optisch jung an Jahren, von Pferdefuß und Hörnern keine Spur. (Was wollen Sie, auch unser guter alter Satan bleibt von der Zeit und ihren Moden nicht unbeleckt.) Wir schreiben den 3. Juli 2005 und in der gut gefüllten Black Box im Münchner Gasteig kommt Gheorghe Sasarmans Theaterstück „Deus ex machina“ (aus dem Rumänischen ins Deutsche übersetzt von Gerhardt Csejka) zur Erstaufführung. Unter der Regie der siebenbürgischen Theatermacherin Brigitte Drodtloff erscheint gerade der Leibhaftige (alias Felix Kuhn) auf der Leinwand.
Auf der Bühne, ihm vis-à-vis, traf eben noch „Uomo“ (Wolfgang Ernst), welk und invalid, Anstalten, sich in selbstmörderischer Absicht den Strick um den Hals zu legen. Gott sei Dank interveniert Belzebub, um diese kostbare Seele zu ergattern. Erst ist der Lebensmüde irritiert von dieser gar nicht Furcht einflößenden Gestalt. Zu verlieren hat er schließlich aber nichts mehr und so lässt sich der Greis auf ein Spiel mit dem Höllenfürsten ein. Man feilscht: „Du willst meine Seele, was gibst du mir jetzt dafür?“ Auf seinem Hocker erwägt der Alte die teuflischen Offerten. Reichtum? – Klare Absage. Macht? – Reizt ihn nicht. Universalgenie? Satan pokert hoch. Umsonst. Der Handel droht zu platzen. Geradezu verwegen schlägt der Alte Angebot um Angebot aus. Er scheint Gefallen zu finden an diesem Dialog. Bevor sie Einigung erzielen können, blendet sich ein Engel in die Szene ein. In höchster Sorge um das bedrohte Seelenheil bietet Schutzengel „Angela“ (Daniela D. König) Luzifer die Stirn, Seit an Seit auf der Leinwand. Sogleich entspinnt sich mit Uomo ein irdisch-höllisch-himmlischer „Trilog“.



Sonnenblumen und Schlussapplaus für Wolfgang Ernst, Daniela D. König und Felix Kuhn (von links nach rechts). Foto: Christian Schoger
Sonnenblumen und Schlussapplaus für Wolfgang Ernst, Daniela D. König und Felix Kuhn (von links nach rechts). Foto: Christian Schoger


Alles bloß ein Hirngespinst? Die äußere, die Rahmenhandlung ist der Selbstmordversuch des alten Mannes. Er selbst beschwichtigt sich, indem er auf seinen Kopf tippt: „Engel wie Dämonen existieren einzig und allein hier in diesem Kürbis da.“ Ebenso gut könnte also, was da filmisch abläuft, die projizierte Ausgeburt eines Fiebertraums des erschöpften, ja gebrochenen Uomo sein. Die Inszenierung lässt diese „phantastische“ Lesart zu. Den Kontrast zwischen existenzieller Düsternis und Versuchung unterstreicht das spartanische Bühnenbild, das auf jedes ablenkende Accessoire verzichtet. Durch Drodtloffs Regieeinfall, Theater- und Filmschauspiel multimedial zusammenzuführen in einer raffinierten Gegenüberstellung des Irdischen (Live-Spiel auf der Bühne) und des Überirdischen (Videoeinspielungen auf der Leinwand), gewinnt „Deus ex machina“. Denn die Handlung ist nicht unbedingt originell, das Motiv ist der klassischen Literatur entlehnt. Das Stück ist ähnlich dem Dialog verhaftet, wie dessen Protagonist am zur Last gewordenen Leben klebt.

Sprechtheater, das besonders im ersten Akt amüsiert, wenn Wolfgang Ernst, Doyen des Hermannstädter Nationaltheaters „Radu Stanca“, aus finaler Verzweiflung spielerisch übergeht zu trotziger Gelassenheit, bis er mit seinem „Poker Face“ den Teufel gar provoziert. Pausen überbrückt er mit Improvisationsgeschick. Das Duell wird zwar nicht mit feinem Florett ausgetragen, stellenweise holpert der Sprachstil etwas, aber beide Parteien wissen immer wieder gewitzte Pointen zu setzen. Felix Kuhn, von einnehmender Präsenz, mimt den charismatischen (Video)Teufel, mit dem sich handeln lässt. Diesem Luzifer (beinahe ein Hänfling, dem brachiale Gewalt nicht auf den Leib geschneidert scheint) funkelt nur dann das Böse aus den Augen, wenn er sich seiner Bestimmung bewusst wird. Kuhn verkörpert das Mephistophelische überzeugend: mal eiskalt taktierender Diplomat, gegenüber der verführerischen Angela ein blutvoller Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. In der Rolle des Engels macht Daniela D. König eine gute Figur. Im zweiten Akt profiliert sie sich als Luzifers Gegenspielerin. Von diesem aufgefor dert, ebenfalls zu verführen, lässt sie sich auf ein kurzes Tête-à-tête mit dem gefallenen Engel ein, das in einer Tanzszene gipfelt (zur Musik der Londoner Filmkomponistin Anne Nikitin). Die technischen Herausforderungen der Inszenierung meistern alle drei Akteure. Das Timing stimmt. Das Spiel ist weitgehend flüssig. Brigitte Drodtloffs Konzept ging somit auf. Die Videosequenzen bergen einige verblüffende Effekte. So wirkt die Katze in den Armen Luzifers derart real, als könnte sie im nächsten Augenblick aus der Projektionsfläche ins Publikum springen.

Letztlich verbinden sich die Prinzipien des Guten und Bösen nicht. Den Engel befallen quälende Kopfschmerzen, die ärztlich behandelt werden müssen. Gott ist auch im Spiel. Ein stummer „Deus ex machina“. Wenn alle abtreten, steht Uomo wieder mutterseelenallein im Rampenlicht. Ohnehin bleibt ihm in dem gegenüber dem ersten etwas gedehnten zweiten Akt kaum mehr als eine Statistenrolle vorbehalten, indes Angela und Luzifer die Handlung vorantragen. Der Alte will da wieder anknüpfen, wo er vordem unterbrochen worden war. Das Licht geht aus und wieder an. Nein, er hat sich nicht aufgehängt. „Der wahre Pakt mit dem Teufel“, bricht es aus ihm hervor, „ist das Leben!“ Wohl dem, der einen Schutzengel hat. An diesem Theaterabend brauchte man ihn gottlob nicht anzurufen.

Christian Schoger


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