4. Dezember 2005

Alt-Hermannstadt-Kalender 2006

Nach „Treppen, Tore, Türme“ (2004) und „Zu Gast in Alt-Hermannstadt“ (2005) ist im Johannis-Reeg-Verlag pünktlich zum Herbst wieder der Alt-Hermannstadt-Kalender erschienen. „Alt-Hermannstadt erfahren!“ heißt der dritte Kalender. Der Postkartenkalender (ISBN 3-937320-72-5) ist zum Preis von 7 Euro (nebst Versandkosten) über die Siebenbuerger.de-Shopseite des Johannis Reeg Verlages zu beziehen.
Die ältesten Fotos von Hermannstadt um 1850 verdanken wir dem Landschaftsmaler und Fotografen T. Glatz (1818-1871). Es folgen viele andere Fotografen wie Camilla Asboth, J. K. Briegel, J. Herter, W. Mann, A. Schuster, Wilhelm Auerlich sowie Emil und Josef Fischer. In den Büchern, Bildersammlungen und Mappen von Emil Sigerus finden wir viele wertvolle alte Fotos mit Hermannstädter Motiven. In den „goldenen Jahren“ der Ansichtskarte (1897-1918) boomt der Verkauf von Ansichts- und Fotopostkarten und stellt eine wichtige Quelle dar, um die baugeschichtlichen Veränderungen der Stadt am Zibin zu verfolgen. 1892 brachte der Buchhändler Karl Graef erstmals farbige Ansichtskarten („Chromolithographien“) auf den Markt. Um 1900 begann dann der Siegeszug der Lichtdruckkarten, die nicht nur preiswerter waren, sondern die Fotografien auch detailgetreuer wiedergeben konnten.

Zur gleichen Zeit erfasste der „Sport des Ansichtskartensammelns“ Siebenbürgen und damit auch Hermannstadt. Viele Hermannstädter hatten ihre große Freude am Sammeln von Karten mit interessanten Heimatmotiven. Mancher unterhielt einen regen Ansichtskarten-Tauschverkehr mit Personen oder Sammlervereinen aus dem Ausland. Nach dem Ersten Weltkrieg flaute der Ansichtskartenboom etwas ab. Ursachen waren der Vormarsch des Telefons, das Aufkommen preiswerter Illustrierter und der durch die Umstellung vom Lichtdruck auf Offsetdruck bedingte Qualitätsrückgang. In den sechziger Jahren erfolgte die Wiederentdeckung der Ansichtskarte als Sammelobjekt. Leider ging durch die Massenauswanderung der Siebenbürger Sachsen viel Ansichtskarten- und Fotomaterial von Hermannstadt verloren. Doch liegt noch reichlich Bildmaterial in vielen Familien als unentdeckter Schatz herum. Beschriftete Ansichtskarten haben einen großen Wert, weil sie wichtige familiengeschichtliche Daten enthalten: Grüße von einer Reise oder einem Urlaubsaufenthalt, Grüße an Familienangehörige als Feldpost von Kriegsschauplätzen.



Bei den monatlichen Treffen des Hermannstädter Stammtischs in Heilbronn hat sich eine kleine Gruppe von Sammlern gebildet, die unter anderem Neuigkeiten und Informationen über Ansichtskarten austauschen. Dubletten und Kopien von alten Postkarten und Fotos wechseln den Besitzer, die im Internet ersteigerten Karten werden herumgereicht, alte Fotos versucht man zu datieren und die unbekannten Personen zu identifizieren. Beim November-Treffen war die Freude der Sammlergruppe groß, da der „Alt-Hermannstadt-Kalender 2006“ zum Verkauf angeboten wurde. Nicht nur die Sammler unter den Hermannstädtern werden Freude an diesem Kalender haben. Er enthält Karten aus dem Siebenbürgen-Institut Gundelsheim sowie aus den Sammlungen Christian Reinerth und Roland Zink. Die Auswahl besorgte das Verlegergespann Zink/ Weinrich. Sie legen Wert darauf, dass neben bekannten auch weniger bekannte Motive abgebildet werden. Schade nur, dass einige Ansichtskarten nicht in Farbe wiedergegeben werden können.

„Alt-Hermannstadt erfahren“ enthält acht Ansichts- bzw. Postkarten mit Motiven aus der Unterstadt (1), der Oberstadt (5), dem Erlenpark (1) und dem Jungen Wald (1) sowie drei mit besonderen Ereignissen (1. Omnibus der neuen elektrischen Straßenbahn, Zeppelinflug über Hermannstadt am 17. Oktober 1929) und eine Karte mit einem „Lica“-Fahrzeug.

Sehen wir uns die Fotopostkarte mit der Saggasse etwas genauer an (Bild: Januar 2006). Familien, die auf dieser Straßenseite gewohnt haben, erkennen ihr Haus, wie es früher einmal ausgesehen hat. Aber wann wurde dieses Foto gemacht? Ein erster Hinweis auf die Datierung ist die Straßenbahn. Seit dem 10. August 1912 fährt die Unterstadt „elektrisch“ vom Bahnhof bis zum Bauholzplatz (Markt am Zibin), ab 1929 dann über den Konradtplatz nach Neppendorf. Links am Eckhaus zur Großbachgasse liest man den Firmennamen J. M. BINDER. Laut Hermannstädter Adressbuch von 1911 wohnte ein Johann Michael Binder, von Beruf Wirt, Seifensieder, Spiritusverschleiß, in der Saggasse Nr. 38 (heute Saggasse Nr. 30). Im Adressbuch aus den zwanziger Jahren erscheint der Name nicht mehr, so dass dieses Foto vermutlich in der Zeitspanne 1912 bis 1926 gemacht wurde. Nach meiner Einschätzung stammt das Bild etwa aus dem Jahr 1918, denn auf meiner Fotopostkarte wird die Saggasse zuerst rumänisch, dann deutsch und ungarisch bezeichnet, ein Hinweis, dass die Karte nach 1919 (wieder) gedruckt wurde.

Nicht nur schön – auch informativ


Wie interessant doch die akribische Beschäftigung mit den Motiven der Postkarten sein kann. Der Zauber der alten Ansichtskarten entführt uns an jene Plätze des alten Hermannstadt, wo Erinnerungen an vergangene Zeiten wieder lebendig werden. Ein schöner Gedanke, dass das alte Hermannstadt nicht nur in unseren Erinnerungen, sondern auch in den Ansichtskarten fortlebt.

Wer sich über die besprochene Ansichtskarte oder allgemein in Sachen Postkartensammeln mit dem Verfasser in Verbindung setzen möchte, wende sich bitte an: Helmut Wolff, Telefon: (0 71 44) 9 74 20.

Helmut Wolff


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