18. Dezember 2005

Unverzichtbares Kompendium zur Schulgeschichte Siebenbürgens

Rezension des Bandes Walter König: "Schola seminarium rei publicae. Aufsätze zur Geschichte und Gegenwart des Schulwesens in Siebenbürgen", Siebenbürgisches Archiv Band 38, herausgegeben von Harald Roth und Ulrich Wien, Böhlau Verlag Köln, 2005, 391 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 3-412-17305-3.
Den Band brachte der Vorstand des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde als "Festgabe zum 80. Geburtstag" von Walter König (am 25. Mai 2005) heraus. 223 Einträge verzeichnet die Tabula gratulatoria, ein namentlich gezeichneter Beweis für die Wertschätzung, deren sich der leidenschaftliche und nimmermüde Professor für Pädagogik und Schulhistoriker König erfreut.


Die hier gebündelten 18 Aufsätze zur Schulgeschichte seines Herkunftslandes entstanden zum größten Teil außerhalb seiner Berufstätigkeit als Professor für Schulpädagogik an den Pädagogischen Hochschulen Reutlingen und Ludwigsburg und stellen lediglich eine Auswahl aus den unzähligen und mannigfaltigen, während mehr als zweieinhalb Jahrzehnten veröffentlichten Arbeiten dar. Sie skizzieren sozusagen eine Geschichte des siebenbürgisch-sächsischen konfessionellen Schulwesens von seinen denkwürdigen Anfängen mit Johannes Honterus über dessen differenzierten Ausbau unter den (fast müsste man sagen "trotz" der) für den Unterricht zuständigen ungarischen und rumänischen Staatsbehörden im Laufe der Jahrhunderte bis 1945, das "Volksgruppen-Interregnum", die Verstaatlichung der Schulen 1948 und die kommunistische Diktatur bis zur heutigen Situation der deutschen Minderheitenschulen in Rumänien. Auch drei Erstveröffentlichungen enthält die Festschrift.

Fast ausnahmslos stellen die Beiträge unter Beweis, dass es König gelungen ist, seine berufliche Tätigkeit mit der außerberuflichen Leidenschaft für die Schulgeschichte Siebenbürgens fruchtbringend zu verbinden, so dass sie sich wie selbstverständlich gegenseitig ergänzen. In diesem Sinne wird die siebenbürgisch-sächsische Schule in einen europäischen Kontext (den deutschen Kulturraum) gestellt und innerhalb dessen infolge eigendynamischer Entwicklung als ein Sonderfall dargestellt.

Nicht nur umfassende Quellenstudien und -kenntnisse zur und über die Schulgeschichte der Siebenbürger Sachsen verraten die Arbeiten des Forschers; sie verraten auch, dass seine Berufung 1972 in die Deutsch-Rumänische Schulbuchkommission, seine konsultative Tätigkeit für das Georg-Eckart-Institut für Schulbuchforschung in Braunschweig und innerhalb der Baden-Württembergischen Lehrergilde seiner Forschertätigkeit zugute kamen. Regelmäßige Besuche in Rumänien auch während kommunistischer Zeit, seine interessierte Teilnahme am dortigen Schulgeschehen, die eine quasi lückenlose Kenntnis offizieller Verlautbarungen der zuständigen Schulbehörden des Landes sowie der fachspezifischen Publikationen in der deutschen und rumänischen Presse zum Thema Schule und Unterricht einschließt, unzählige Gespräche mit Schulleitern und Unterrichtenden aller Stufen, inklusive des Kindergartens, fanden ihren Niederschlag in den Beiträgen. Seine vielfältigen Informationskanäle hat König geschickt zu nutzen und zu verbinden verstanden, so dass er heute als wichtiger Wissensträger und Experte auf dem Gebiet siebenbürgischer Schulgeschichte gilt.

Die auf seine Initiative in den letzten sechs Jahren in Folge im Haus des Deutschen Ostens/ München und mit dessen finanzieller Unterstützung organisierten Seminare der Sektion Schulgeschichte des AKSL (zuletzt vom 22. bis 23. Oktober 2005) schufen eine Plattform für die kritische Auseinandersetzung besonders mit Schulthemen des 20. Jahrhunderts. Quellenstudium und Zeitzeugenberichte zur Schule in der Diktatur, ihren Möglichkeiten und "Unmöglichkeiten" Traditionen fortzusetzen, und die damit im Zusammenhang diskutierten Perspektiven der heutigen "Schulen der deutschen Minderheit" in Rumänien, sind Fragen, die König immer noch umtreiben. Dabei ist die Perspektive in all seinen Arbeiten, wie er selbst in dem Beitrag aus dem Jahre 1977 Die gegenwärtigen Schulverhältnisse der Deutschen in Rumänien (S. 283) schreibt, "die eines engagierten, aber zugleich um Distanz bemühten Beobachters, der sachlich-abwägend versucht, Gerüchte von Tatsachen zu trennen, Einzelfälle nicht zu generalisieren und keine vorschnellen Pauschalurteile zu fällen". Gerade der genannte Beitrag stellt ein wichtiges Zeitdokument dar dank akribischer Erfassung statistischer Daten und einer umfassenden Strukturanalyse mit vorsichtigen Einschätzungen des rumänischen Schulwesens, seiner negativen, aber auch positiven Auswirkungen und Folgen für die deutsche Minderheit. Zusammen mit den beiden anderen Beiträgen Muttersprachlicher Unterricht bei durchgehender Zweisprachigkeit (von 1985) und Der deutschsprachige Kindergarten in Siebenbürgen nach 1948 liefert der Autor gleichzeitig eine unverzichtbare Ausgangsbasis für nachfolgende Forschungen zu einem schwierigen Thema der Nachkriegsgeschichte bis zur Wende 1989.

Das berufsbildende Schulwesen der Siebenbürger Sachsen (aus dem Jahre 1994) und Der Einfluss des Nationalsozialismus auf die siebenbürgisch-sächsische Lehrerschaft (2000) sind zwei weitere Aufsätze, in denen sich König mit noch wenig erforschten Themen befasst. Ersteres stand und steht, vor allem aus heutiger Sicht völlig zu Unrecht, im Schatten der "glorreichen Tradition" der dortigen deutschen unter der Obhut der Evangelischen Kirche befindlichen Gymnasien und Volksschulen, und Letzteres gehört in die Kategorie jener heißen Eisen, die die Geschichtsforschung aus objektiven wie subjektiven Gründen nur zögerlich und spät anfasste.

Der Autor weist im erstgenannten Aufsatz nach, wie Initiative und materielle Leistung bei dem erstaunlich gut ausgebildeten Netz berufsvorbereitender und -bildender Schulen fast ausschließlich "von unten" ausgingen und als prompte Antwort auf konkrete Herausforderungen durch veränderte wirtschaftliche und gesellschaftliche Situationen in Siebenbürgen zustande kamen. Dass die Zerschlagung einer gewachsenen und erfolgreichen Struktur nach 1948 durch den Staat einem stümperhafter und auch folgenschweren Eingriff gleichkam, ist dabei nicht zu übersehen, besonders auch deshalb, weil dieses ausgebaute Schulnetz allen Bevölkerungsteilen zugute kam (in gewissen Einrichtungen wurden z.B. bis zur Hälfte der Schüler rumänischer und ungarischer Volkszugehörigkeit ausgebildet).

Auf alle Aufsätze des Bandes einzugehen, kann hier nicht versucht werden. Hervorgehoben werden soll jedoch, dass es dem Autor und den Herausgebern gelungen ist, trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Thematik, die jede für sich genommen interessant genug ist, durch Auswahl und Gruppierung der Texte dem Leser nicht nur eine Art roten Faden durch die Geschichte der deutschen Schulen in Siebenbürgen, sondern auch einen Einblick in die vielfältige Forschertätigkeit des Verfassers zu ermöglichen. Sehr hilfreich und förderlich in diesem Sinne sind freilich auch dessen fast in jedem Aufsatz angestellten synthetisierenden Betrachtungen und Zusammenfassungen sozusagen in gediegener und guter "Lehrermanier" (z.B. seine Thesen zur Bildungsreform im 19. Jahrhundert u.a.). Da die Aufsätze zu unterschiedlichen Zeiten und für unterschiedliches Hörer- oder Leserpublikum verfasst worden sind und hier sozusagen in ihrer ursprünglichen Form übernommen wurden, ergeben sich öfters Wiederholungen von Gedanken und Formulierungen, die nur bei einer Neuredaktion der Texte hätten vermieden werden können. Diese haben die Herausgeber ausdrücklich nicht vorgenommen und verweisen damit sozusagen auch auf den konkreten Zeitpunkt ihrer Entstehung.

Dank gründlicher Recherche, professioneller Redlichkeit und des bekennenden Engagements ihres Verfassers verbinden sich die Arbeiten dieses Bandes zu einem informativen und wichtigen Handbuch der Schulgeschichte und wirken hoffentlich anregend und anspornend zum Nach- und Weiterdenken gemäß seines anlässlich der Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises (2002 in Dinkelsbühl) ausgesprochenen Credos: "[...] als Pädagoge vertraue ich auf die ansteckende Wirkung von Engagement und Interesse".

Drucknachweise, die Liste von Königs Veröffentlichungen zur siebenbürgischen Landeskunde sowie Personenregister erleichtern dem Leser vorliegender Sammlung das "Nach-Forschen" oder gewähren ihm auch nur tieferen Einblick in eine langjährige und verdienstvolle Forschertätigkeit.

Gudrun Schuster

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2005, Seite 8)

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