31. Juli 2000

Jugend will Kulturarbeit fortsetzen

"Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) will die kulturelle Breiten- und Jugendarbeit der Siebenbürger Sachsen fortsetzen! Der stellvertretender Bundesvorsitzender Thorsten Schuller kritisiert die Kürzungen der rot-grünen Bundesregierung, weil dadurch die Interessen der jungen Generation auf der Strecke bleiben. Michael Naumann habe es in seiner "Neukonzeption" darauf angelegt, Altes in Museen zu konservieren und einen Schlusspunkt hinter die lebendige Kulturarbeit der Aussiedler zu setzen. Dabei ist die SJD eine der aktivsten Jugendorganisationen innerhalb der Landsmannschaften. Der Bundesvorstand hat beim beim letzten Verbandstag 1999 eine Verjüngungskur erfahren und zählt fünf Mitglieder unter 37 Jahren."
Der jährliche Volkstanzwettbewerb und der Heimattag sind die wichtigsten Standbeine im Veranstaltungskalender der SJD, die zudem Seminare, attraktive Kultur- und Freizeitaktivitäten, Informationen und vieles mehr anbieten will. Doch das wird gerade durch die ausbleibende Kulturförderung der Bundesregierung immer schwieriger, und die Veranstaltungen versuche man nun in "ein Korsett zu pressen", um überhaupt in den Genuss von Fördermitteln zu kommen, wobei die Interessen der Jugendlichen oft auf der Strecke bleiben. Dies erklärte Thorsten Schuller, stellvertretender Bundesvorsitzender und jüngstes Mitglieder des Bundesvorstands, gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung.

Die Kosten für den äußerst wichtigen Jugendaustausch auf Bundesebene seien sehr hoch und nicht allein durch die SJD zu tragen. Der Paragraph 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) betreffe deshalb essenziell auch die Jugend, betont der 26-jährige Bauingenieur. Professionalität sei nicht nur in der "Hochkultur" und der wissenschaftlichen Kultur, sondern auch in der ehrenamtlichen und kulturellen Breitenarbeit notwendig, wie das zurecht im Papier von Bundeskulturminister Michael Naumann festgehalten werde, betont Schuller. Durch die massiven Kürzungen des Bundesbeauftragten für die Kultur und die Medien (BKM) werde diese Professionalität jedoch der Breitenarbeit nicht zugestanden, vielmehr würden Jugend- und kulturelle Breitenarbeit der Landsmannschaft dadurch in Frage gestellt. Staatsminister Naumann verkenne dabei, dass die Bundesregierung aufgrund von § 96 BVFG verpflichtet sei, die Kultur der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge zu fördern und zu erhalten. Die Kulturarbeit werde im Naumann-Papier, so Schuller weiter, fast ausschließlich "grenzüberschreitend" gedacht. Damit habe die siebenbürgische Jugend ein Problem, denn ihre Zielgruppe lebe hauptsächlich hier in Deutschland und diese wolle man informieren und an die siebenbürgisch-sächsische Kultur heranführen. Das werde zunehmend schwierig, weil es Naumann in seiner "Neukonzeption" darauf angelegt habe, Altes in Museen zu konservieren und einen Schlusspunkt hinter die lebendige Kulturarbeit der Aussiedler zu setzen. "Die Neukonzeption kann so nicht hingenommen werden, da muss dagegen angelaufen werden", fordert Schuller. "Wir wollen die kulturelle Breiten- und Jugendarbeit der Siebenbürger Sachsen fortsetzen!"
Die SJD ist eine der aktivsten Jugendorganisationen innerhalb der Landsmannschaften und ist selbstverständlich mit den neuen Medien vertraut. Eine eigene Homepage wird seit mehreren Jahren von Internetreferent Helmut Wenzel betreut (http://www.sibiweb.de/sjd/index.html). Einen weiteren Aufschwung erhofft man sich durch den Internet-Auftritt der Landsmannschaft und anderer siebenbürgischer Einrichtungen, der unter der Regie des jungen EDV-Ingenieurs Robert Sonnleitner gerade vorbereitet wird. Überhaupt hat der Bundesvorstand beim letzten Verbandstag eine Verjüngungskur erfahren: Neben Bundesjugendleiter Siegfried Schmidt (31), der von Amts wegen ins Gremium gehört, wurden Dipl.-Ing. Thorsten Schuller (26) und Rechtsanwalt Bernd Fabritius (35) als stellvertretende Bundesvorsitzende, Dipl.-Ing. Robert Sonnleitner (30) als Öffentlichkeits- und Internetreferent und Rechtsanwalt Detlef Barthmes (37) als Siebenbürgen- und Wirtschaftsreferent in den Bundesvorstand gewählt.
Das Verhältnis zwischen Jung und Alt hat sich nach Ansicht Schullers während der letzten fünf bis sechs Jahren "wesentlich verbessert", was auf die positive Einstellung des Bundesvorstand gegenüber der Jugend zurückzuführen sei. Das habe auch die hohe Akzeptanz für das neue Mitgliederkonzept der SJD auf dem Verbandstag 1999 gezeigt. Die alljährliche Präsentation der Jugend auf dem Heimattag habe stark dazu beigetragen, dass die Arbeit und die Interessen der jungen Generation verstärkt wahrgenommen werden. Die ältere Generation sei zunehmend abgekommen von einer ablehnenden und strikt fordernden Haltung gegenüber der Jugend. Die Erkenntnis habe an Terrain gewonnen, dass die Jugend Garant für das Weiterleben der Landsmannschaft und für eine Zukunft in Europa überhaupt sei.
Dass seine Eltern ehrenamtlich sehr stark engagiert waren und sind, hat Thorsten Schuller das Interesse und den Spaß an der siebenbürgischen Gemeinschaft nicht genommen, im Gegenteil: Am 26. März 1974 in Dinkelsbühl geboren, tanzte er schon mit acht Jahren in der Kindertanzgruppe Dinkelsbühl mit, als 13-Jähriger wechselte er in die Jugendtanzgruppe und wirkte mit 15 Jahren in deren Leitung mit. Bald stieg er in die Fußstapfen seines Vaters, Johann Schuller, des langjährigen Organisationsreferenten der Landsmannschaft. Bei den Heimattagen und durch Volkstanzseminare war er in Kontakt zur SJD gekommen, 1992 wurde er deren Organisationsreferent, seit 1995 ist er Schatzmeister und stellveretretender Bundesjugendleiter der SJD.
Während der Schulzeit, als er in die SJD einstieg, war das Ehrenamt keine Belastung, weil Thorsten Schuller, wie Gleichaltrige eben, viel Freizeit hatte. Schwieriger wurde es während des Studiums von 1993-1998, gerade auch weil Schuller sein Studium möglichst schnell durchziehen wollte. Ein Jahr lang leistete er dann Zivildienst im Umweltbereich. Die starke Mannschaft, die damals in der SJD aufgebaut wurde, habe es verstanden, die Arbeit entsprechend der Schul- und Berufsbelastung aufzuteilen. Ehrenamtlich engagiert war auch Schullers langjährige Freundin Isabella Nutz. Das schwere Studium der Jura in Augsburg fordert jedoch ihre ganze Aufmerksamkeit und vernlasste sie, das Amt als Presse- und Öffentlichkeitsreferentin der SJD 1998 abzugeben.
Es war keine leichte Entscheidung für Thorsten Schuller, sich auf Vorschlag des Findungsausschusses beim Verbandstag 1999 zur Wahl zu stellen, stand er doch gerade am Anfang des Berufslebens. Schuller arbeitet seit dem 1. September 1999 als Bauingenieur in einer Projektmanagementfirma in Erlangen und betreut in deren Auftrag mehrere Bauprojekte in Berlin. Dennoch nutzte er die Chance und wurde stellvertretender Bundesvorsitzender, weil er die Position der SJD im Bundesvorstand dadurch stärken konnte, was sie schon seit Jahren angestrebt hatte.
Was die SJD derzeit besonders stark beschäftigt, ist ihr neues Mitgliederkonzept. Die derzeitige Konfiguration der Mitgliederverwaltung innerhalb der Landsmannschaft ermögliche genaue Angaben betreffend die Zahl jugendlicher Mitglieder nicht, gibt Schuller zu bedenken. Es gebe viele "Scheinmitglieder", die bloß durch das Ankreuzen der Eltern auf der Beitrittserklärung zu SJD-Mitgliedern wurden. Schuller schätzt die Zahl dieser lediglich formellen SJD-Mitglieder auf 300, die Zahl der Aktiven sei jedoch wesentlich höher, allein schon wenn man von den über 30 hochgradig aktiven Tanzgruppen ausgehe, in denen im Schnitt je acht, vorwiegend jugendliche Paare mitwirken. Durch das neue Mitgliederkonzept erhoffe sich die SJD eine bessere Erfassung und Erreichbarkeit ihrer Mitglieder, eine aktuelle Übersicht über die Jugendlichen, die tatsächlich interessiert sind an Brauchtum, Tanz, aber auch an Themen wie neue Medien, Landeskunde, ältere und neuere Geschichte, Bereiche, die zum Teil auch von Studium Transylvanicum abgedeckt werden. Über einen gut funktionierenden Verteiler und attraktive Veranstaltungen könnte der Kreis der SJD sicherlich erweitert werden, sagt Schuller.
Der Verbandstag der Landsmannschaft hat im letzten Herbst 1999 Satzungsänderungen beschlossen, die das neue Mitgliederkonzept der SJD erst möglich machen. Die rechtliche Situation muss nun im Detail erörtert, Satzung und Geschäftsordnung der Landsmannschaft müssen an die Beschlüsse des Verbandstages angepasst werden. Gleichzeitig hat der Jungsachsentag von 1998 die Bundesjugendleitung damit beauftragt, das neue Mitgliederkonzept aufgrund verschiedener Vorschläge neu zu erstellen, dem Bundesvorstand (bzw. Verbandstag) und danach dem nächsten Jungsachsentag, der im Herbst 2001 stattfinden wird, zur Genehmigung vorzulegen. Mitglieder der SJD, der Bundesgeschäftsführung und des Bundesvorstands sind derzeit beschäftigt, die erwähnten Beschlüsse umzusetzen.
Wie wird die Landsmannschaft in einigen Jahrzehnten aussehen, wenn die heutige Jugend erwachsen ist? Thorsten Schuller hofft, dass es uns - im Unterschied zu anderen Landsmannschaften - gelingen werde, die heranwachsende und die hier geborene Generation in die Arbeit der SJD einzubeziehen. "Um eine Zukunft, ein Überleben der Landsmannschaft und der Gemeinschaft insgesamt zu ermöglichen, wollen wir die Jugend an das, was sie und ihre Eltern ausmacht, an ihre Wurzeln, an die alte und neue Heimat, heranführen und eine siebenbürgisch-sächsische Identität in Deutschland ermöglichen.“

Siegbert Bruss

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