26. Dezember 2005

Bergretter in den Siebenbürgischen Karpaten

1969 wurde in Rumänien das Bergrettungswesen neu gegründet. Die ehemaligen Bergrettunsformationen waren während des Zweiten Weltkrieges aufgelöst worden, da die Rettungsmänner zum Militär eingezogen, später nach Russland verschleppt und zum größten Teil nach Deutschland entlassen wurden.
Bei vielen Unfällen in den Siebenbürgischen Karpaten stellten sich zu jener Zeit freiwillige Retter zur Verfügung. Es waren meist erfahrene Bergsteiger und karpatenkundige Bergwanderer. Dazu gehörten damals u.a.: Dr. Karl Gust (schon damals "Berggeist" genannt), sein Bruder Hermann Gust, ("Hegu" genannt), Emil von Bömches (der letzte Obmann des Siebenbürgischen Karpatenvereins), Alfred Soos (von allen liebevoll "Papschi" genannt). Hinzu gesellten sich später in den Nachkriegsjahren: Ernst König, Walter Gut, Anca Ioan, Norbert Hiemesch, Ion Vladareanu, Mircea Stanciu, Heinz Fläger, Willi Dovids, Leiber Denes, Ernö Schönfeld, Bernhard Schneider, Hans Markus, Grozea Galaftion, die Brüder Willi und Hans Zeidner u.a.m.

"Hegu" und "Papschi" führten gute Skikurse für Kleinkinder auf der Kronstädter Postwiese sowie Kurse für Fortgeschrittene in der Schulerau durch. Selbst der berühmte Birger Ruud (das norwegische Skiidol) besuchte auf Einladung des Kronstädter Skivereins unsere Stadt unter der Zinne und vermittelte den Kronstädter Skifreunden Technik und Freude am Sport im Schnee.

Mein Herr Papa wurde im ersten Weltkrieg in das k.u.k. "Edelweißregiment" einberufen und bekam die Grundkenntnisse des Skilaufens mit. Meine Frau Mama nahm in den zwanziger Jahren erfolgreich an den rumänischen Skilandesmeisterschaften teil. So bekamen meine Geschwister und ich bereits in frühester Jugend die Freude und Lust am Skifahren und -laufen mit. Der winterliche Bergsport brachte uns viele Bergkameraden und Freundschaften, die nach vielen Jahren weiter bestehen.

In meiner Zeit als Bergwachtmann habe ich so manches erlebt und meine liebe Frau Ilse mit mir! Bedrückende Bergungen, schwierige Verletztentransporte, gelungene Rettungen, die teils mit Dank, teils mit Undank quittiert wurden. Doch einzig der Erfolg eines jeden Einsatzes brachte uns Genugtuung und Selbstachtung. Gerne erinnert man sich an heitere Erlebnisse. So einst im Vorfrühling. Über Nacht war mehr als ein Meter Neuschnee gefallen. Der Hüttenwirt des Schutzhauses am Hohenstein bei Kronstadt (das Schutzhaus wurde kürzlich abgefackelt) konnte morgens seine Tragtiere (Packesel) nicht mehr zu Tal bringen. Mit ihren recht dünnen Beinen brachen sie bei jedem Schritt bis zum Bauch im tiefen Schnee ein. Futter war oben in der Schutzhütte keines gelagert und die spärlichen Notreserven waren längst aufgefressen. So mussten die Tiere in ihr Standquartier ins Tal gebracht werden. Wer konnte da noch helfen? Natürlich die Kronstädter Bergwacht!

Eine tiefe Fußspur wurde von 700 Höhenmetern bis auf 1 600 m zum Schutzhaus hinauf getreten, wobei die Schwerstarbeit an der Spitze der vierköpfigen Gruppe abwechselnd geleistet wurde. So schwitzten wir den hungernden Eseln entgegen. "Titi", der Hüttenwirt, bei unserer Ankunft hocherfreut, spendete eine Runde Pflaumenschnaps und dann wurde es ernst. Jeder von uns schnappte sich ein Tier. Die Esel wurden geschultert, deren Vorderbeine zur Rechten und zur Linken über unsere Schultern baumelten, wobei der erschreckte Eselskopf mal über dem rechten, mal über dem linken Ohr schnaufte und deren Hinterbeine mal trappelnd, mal schleifend im tiefen Schnee nachkamen. Nach dreistündiger Schwerarbeit war das Martyrium für Mensch und Tier vorbei. Wir hatten die untere Tiefschneegrenze erreicht und die Esel konnten wieder laufen. Kaum freigelassen, verschwanden sie im Galopp in ihrem Stall am Fuße des Hohenstein, wo herrlich duftendes Heu auf sie wartete. Rettungsaktion gelungen. Ein zweites Zwetschgenschnäpschen machte die Runde, ehe es endlich heim ging. Sollte man denken! Bereits auf der Heimfahrt im Rettungswagen rümpfte unser Fahrer die Nase. Und daheim durfte ich wegen des umwerfenden Eselsduftes erst mal gar nicht ins Haus! Als dann die aromatische Kleidung im Hofe verblieben war und ich frisch gesäubert die Wohnung betreten durfte, fühlte ich mich wohlgeborgen, etwa so wie unsere Esel in ihrem Standquartier unterm Hohenstein.

Ein anders Mal, es war der zweite Weihnachtsfeiertag, dazu auch noch mein Geburtstag: Alarmruf! Kurz darauf holte mich ein Rettungswagen zum Einsatz ins Butschetschgebirge. Ein Bukarester Student hatte sich im Malaeschter Tal ein Bein gebrochen. Wir holten ihn herab, während daheim liebe Gäste und Freunde vergnügt meinen Geburtstag feierten.

Zur Nachtzeit erreichte mich ein andermal ein Notruf vom Hohenstein. Mit den Bergrettern des Höhenluftkurortes Predeal holten wir eine junge Frau aus dem steilen, von Felsabstürzen gespickten Hochwaldes über die Leiterschlucht. Huckepack holte ich sie im "Rapel" (Abseiltechnik) aus den Felsen. Sodann wurde sie auf der Tragbahre abgeschleppt. Erleichtert erreichten wir den Rettungswagen am Ende der Forststraße. Außer unzähligen Trainingstouren haben wir auch viele Rettungseinsätze bestehen müssen, und jedesmal konnten wir positive Ergebnisse bringen. Ein solcher Rückblick macht uns froh, dankbar und auch ein wenig stolz!

Richard Schuller

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