29. Oktober 2001

Mit vornehmer Schlichtheit

Illustrationen von Sieglinde Bottesch fanden Anklang / Eine Ausstellung in der Bayerischen Staatsbibliothek
Die Ausstellung im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage konnte einen passenderen und auch nobleren Standort in München kaum haben. Vom 6. bis 27. Oktober stellte Sieglinde Bottesch im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek 120 Holz- und Linolschnitte aus. Wo vor genau zehn Jahren der unvergessene Buchwissenschaftler und Verleger Hans Meschendörfer die Ausstellung „Transylvanica“ mit Objekten der eigenen Sammlung, vor allem aber mit alten Drucken aus den Beständen des Hauses gezeigt hatte, kamen nun Tausende Besucher der großen Bibliothek an einer locker in den Raum gestellten Schau von Illustrationen vorbei, die den meisten Betrachtern wohl etwas fremd und eigenartig vorkommen mussten. Manchen allerdings waren sie schon vertraut.

Ausstellungseröffnung im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek. Von links: Karin Servatius-Speck, Eröffnungsrednerin und Stv. Bundesvorsitzende; Judith Dürr; Volker Dürr, Bundesvorsitzender; Dr. Montag, Leiter der<br>Handschriftenabteilung; die Künstlerin Sieglinde Bottesch. Foto: Hans-Werner Schuster
Ausstellungseröffnung im Marmorsaal der Bayerischen Staatsbibliothek. Von links: Karin Servatius-Speck, Eröffnungsrednerin und Stv. Bundesvorsitzende; Judith Dürr; Volker Dürr, Bundesvorsitzender; Dr. Montag, Leiter der
Handschriftenabteilung; die Künstlerin Sieglinde Bottesch. Foto: Hans-Werner Schuster


Die 1938 in Hermannstadt geborene Künstlerin war nach ihrem Bukarester Hochschulstudium 22 Jahre lang in ihrer Heimatstadt im Lehramt tätig. Wie viele sind es doch, die sich dankbar erinnern, von Sieglinde Bottesch an ein echtes Kunstverständnis herangeführt worden zu sein! Ihre Tätigkeit als Kunsterzieherin hat sie beharrlich auch in Deutschland fortgesetzt, wo sie seit 1987 in Ingolstadt lebt.
„Transylvania mythologica“ hat die Künstlerin ihre überwiegend mit Holzschnitten bestückte Ausstellung betitelt. Diese bot einen Querschnitt ihres Schaffens bis zur Ausreise sowie einige neuere Werke, hauptsächlich Buchillustrationen. Hier wurde so manches aus der Märchen- und Sagenwelt der Siebenbürger Sachsen geistreich und oft mit verstecktem Humor in Bildern eingefangen. Die Technik ihrer Schnitte basiert auf filigraner Kleinarbeit. Die Buchillustrationen sind „illuster“, will heissen „glanzvoll, vornehm“. Mit Recht hat Karin Servatius-Speck in ihren einfuhrenden Worten zur Eröffnung der Ausstellung der von Sieglinde Bottesch verwendeten „Bildersprache der Verknappung“ eine professionell wirkende „vornehme Schlichtheit“ bescheinigt. Da spinnt zum Beispiel die „Regenfee“ die vielen dünnen Regenschnüre aus den Wolken, wobei auch Sonnenblumen und Weizenähren in den symbolisch dargestellten Naturkreislauf des Wassers einbezogen werden. Oder: recht amüsant, wie der Schatten eines Menschen zum Zuge kommt. („Schnell griff er darnach doch noch schneller grapschte der Schatten und nahm ihm die Hanklich“, so die zu illustrierende Textstelle.) Und dann die Sache mit den faulen und den fleissigen Zwergen: Da plumpst der König der Faulen samt Königskrone ganz tief in die Grube. Mit dem heimatlichen Motiv des hoch beladenen, von zwei Büffeln gezogenen Heuwagens wird das Sprichwort „Wer zuviel fasst, lässt zuviel fallen“ illustriert. Der Torbogen des Bauernhofes ist eben zu niedrig für die hohe Ladung. Das letzt erwähnte Blatt entstammt, ebenso wie zwölf andere dem von Sieglinde Bottesch auf das Jahr 1980 geschaffenen Wandkalender der Hermannstädter Zeitung (damals „Die Woche“).
Oft tauchen in den Bildern Truden, Drachen, gehörnte Gestalten und andere Fabelwesen auf. Besonders ansprechend scheint die Serie der 1986/87 entstandenen Miniaturen zum dörflichen Brauchtum. Kenner – und auch Nicht-Kenner – haben sie mit einem Lächeln und Schmunzeln betrachtet.
Gefehlt hat der Ausstellung ein historisch-geographischer Überblick. Wo liegt dieses siebenbürgische Märchenland? Wer hat diese Schätze an Mythen und Sagen gesammelt? Welche Bücher hat die Künstlerin illustriert? Wo so viele Studenten, Professoren, Buchfreunde täglich ein und aus gehen, wäre eine kurze Einführung in die Materie hilfreich und erwünscht gewesen. Ebenso ein Kurzporträt der Autorin. Das positive Echo hätte dann breiter und nachhaltiger sein können.
Dass die Ausstellung trotzdem viel Anklang gefunden hat, entnehmen wir auch den Eintragungen im Besucherbuch. Wir zitieren daraus: „Man spürt, dass diese Bilder aus und mit Liebe entstandet sind. (...) Sie strahlen Menschlichkeit aus, weil sie von Menschen, von ihren Ängsten und Freuden spechen.“ „Zauberhaft in Ausführung und Ideen“. Da werde auch deutlich, „dass man dort (in Siebenbürgen, Anm.d.Verf.) tatsächlich der Weisheit der Sprichwörter vertraute“. „Die Ausstellung lädt zum Träumen und Erinnern an Kindheitstage ein. Danke.“

Ewalt Zweyer

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