21. November 2001

Streit mit Ungarn nimmt kein Ende

Ohne den erhofften Durchbruch bezüglich des ungarischen "Statusgesetzes" endete ein Gespräch des rumänischen Premierministers Adrian Nastase mit dem Ministerpräsidenten Ungarns, Viktor Orbán, am Rande der Konferenz der „Länder der Mitteleuropäischen Freihandelszone“ am 16. November in Bukarest. Parallel zu dem seit Monaten schwelenden Streit mit Ungarn erreicht auch der Disput Bukarests mit der Ukraine bezüglich der Grenzziehung am Donaudelta einen neuen Höhepunkt.
Vom "Statusgesetz", das vom ungarischen Parlament mit über 90 Prozent Zustimmung verabschiedet wurde und das am 1. Januar 2002 in Kraft treten soll, profitieren die ungarischen Minderheiten jenseits der Grenzen des Mutterlandes, in erster Linie aber die Ungarn in Siebenbürgen, das sind - laut offiziellen rumänischen Angaben - rund 1,6 Millionen Personen. Das Gesetz beinhaltet u.a. materielle und soziale Zuwendungen sowie das Recht für einen längeren Zeitraum in Ungarn zu arbeiten. In den Genuss der Vergünstigungen sollen nur jene Betroffenen kommen, die sich einen "Ungarn-Ausweis" ausstellen lassen. Da die rumänische Regierung dies als Einmischung in die inneren Angelegenheiten ansieht, rief man Ende Oktober die Sonderkommission des Europarats für Demokratie durch Recht, die so genannte „Venedig-Kommission“, an, um eine juristische Stellungnahme von neutraler Seite zu erhalten. Die Kommission befasste sich zwar nicht mit dem Statusgesetz an sich, sondern mit neun verschiedenen nationalen Regelungen zur Begünstigung von ethnischen Minoritäten. Im Abschlussbericht wird festgestellt, dass der Minderheitenschutz in erster Linie Aufgabe des Landes sei, in dem die betreffende Volksgruppe lebt. Gemäß den Empfehlungen der Venedig-Kommission könne Ungarn seine in den Nachbarländern wohnhaften Landsleute einzig auf kulturellem und pädagogischem Gebiet unterstützen. Bukarest zeigte sich zufrieden mit diesen Schlussfolgerungen, gleichwohl sieht das ungarische Außenministerium das generelle Recht des Mutterlandes auf Beistand als wichtigste Feststellung des Berichts. Die Kommission habe die Argumentationsweise seines Landes „in den grundlegenden Fragen“ anerkannt, so Außenminister Martonyi.
Das Statusgesetzt wurde auch im Fortschrittsbericht der EU vom 13. November bezüglich Ungarn thematisiert, brachte aber gleichfalls keine Klarheit. Beide Seiten interpretieren die Aussagen von EU-Kommissar Verheugen im eigenen Sinne und beharren auf ihrem bisherigen Standpunkt. Als Antwort auf den Vorstoß Ungarns hatte die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD) kürzlich ein „Wirtschaftsprogramms für Siebenbürgen“ lanciert, „um einer ökonomischen Enklavenbildung in den mehrheitlich von Ungarn bewohnten Gebieten entgegenzuwirken“, so Innenminister Ioan Rus in Klausenburg.
Wenige Wochen zuvor schien sich noch eine Lösung anzubahnen, als Premierminister Adrian Nastase überraschend angeregt hatte, anstatt eines „Ungarn-Ausweises“ das Parteibuch der UDMR (Demokratische Union der Ungarn in Rumänien) als Legitimation zu akzeptieren. Dies sei ein Vorschlag mit dem beide Länder leben könnten, auch wenn er sich eine Öffnung des ungarischen Arbeitsmarkts für alle rumänischen Staatsbürger wünschte, sagte Nastase. Freilich erfolgten die Zugeständnisse auch auf dem Hintergrund der Unterstützung, die die PSD seitens des Ungarnverbandes UDMR im rumänischen Parlament erhält.
Auch im Verhältnis Rumäniens zur Ukraine zeichnen sich Probleme ab: Irritationen löste in Bukarest die Tatsache aus, dass Einzelheiten aus den Verhandlungen bezüglich der Grenzregelung am Donaudelta mit dem Nachbarstaat an die Öffentlichkeit gelangten, berichtete die Neue Zürcher Zeitung. Bukarest und Kiew hatten 1997 vereinbart, die strittige Staatsgrenze rund um die Schlangeninsel, wo reiche Erdgas- und Ölvorkommen vermutet werden, zu einem späteren Zeitpunkt zu regeln. Entgegen den Absprachen vertrat der ukrainische Botschafter in Bukarest, Buteiko, nun die Ansicht, dass die rumänische Regierung die Anfang der sechziger Jahre zwischen Rumänien und der Sowjetunion festgelegte Grenze akzeptieren müsse. Buteiko warnte vor dem Präzedenzfall, Grenzen zu ändern, und wandte sich auch dagegen, das Problem dem Haager Gerichtshof zu unterbreiten, was die rumänischen Diplomaten verärgerte: „Die ukrainische Seite hat in der letzten Gesprächsrunde keinerlei Verhandlungsbereitschaft gezeigt.“ In der rumänischen Presse wurde die Vermutung laut, dass die ukrainische Regierung darauf spekulieren würde, dass Bukarest zurzeit aus integrationspolitischen Rücksichten bei Differenzen mit seinen Nachbarn besonders nachgiebig sein könnte.

Christian Zgârdea


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