8. Dezember 2001

Dracula-Park - Pfahl im Herzen Rumäniens

Die Initiative „Nachhaltiges Schäßburg“ wendet sich mit folgender Stellungnahme an Medien und Institutionen in Rumänien und Europa, um dem Eindruck zu begegnen, lediglich die nach Deutschland ausgewanderten Siebenbürger Sachsen seien gegen den vom rumänischen Tourismusministerium „durchgeboxten“ Dracula-Park. Der Freizeitpark soll auf einem Naturschutzgebiet entstehen, setzt auf einen unrealistischen wirtschaftlichen Aufschwung voraus und gefährdet in eklatanter Weise den zum Weltkulturerbe erklärten mittelalterlich Burgkomplex.
Die in der Initiative zusammengeschlossenen Schäßburger Bürger haben nicht nur exponiert protestiert, sondern auch Alternativvorschläge für die Förderung des Tourismus im Sinne der Agenda 21 erarbeitet. Der Verfasser engagiert sich als Bundesbürger und Diplom-Sozialwissenschaftler seit sieben Jahren ehrenamtlich in Rumänien und lebt seit zwei Jahren in Schäßburg.

Siebenbürgern, im Herzen Rumäniens gelegen, ist reich an Kulturgütern: Die massiven Kirchenburgen des Landes zeugen von der bewegten Geschichte der Siebenbürger Sachsen, die Ende des zwölften Jahrhunderts vom ungarischen König Geza II. gerufen wurden, um dem Land Auftrieb zu verleihen. Die Stadt Schäßburg im Karpatenbogen weist den wohl letzten nahezu originalen mittelalterlichen Burgkomplex auf, der noch heute bewohnt ist. Seit kurzem befindet sich eben diese Burg auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO. Doch dieses Erbe ist bedroht. Statt behutsam einen Tourismus zu planen, der das Weltkulturerbe in den Mittelpunkt rückt und auf dessen Erhalt abzielt, hat das rumänische Tourismusministerium nun ein Vorhaben lanciert, das auf Kitsch-Tourismus und geschichtliche Halbwahrheiten setzt, um aus dem Mythos des von Bram Stoker geschaffenen Blutsaugers Kapital zu schlagen. Für die Errichtung dieses „Dracula-Parks“ wurde ein Naturschutzgebiet ausgewählt.
Eine Gruppe von Schäßburgern und Freunden der Stadt hat sich zu der Bürgerinitiative „Nachhaltiges Schäßburg“ zusammengeschlossen, um auf die Gefahren des Projektes hinzuweisen und im Sinne der Agenda 21 zukunftsfähige Alternativen hierzu zu erarbeiten. Ein erstes Diskussionspapier wurde inzwischen vorgelegt und veröffentlicht. Die Bürgerinitiative zweifelt die dem Projekt zugrunde liegenden Daten an: Die erwarteten Besucherzahlen von über einer Million Personen jährlich (mindestens eine halbe Million sollen aus Rumänien kommen!) seien ebenso illusorisch wie die Zahl der erwarteten neuen Arbeitsplätze. Die nach wie vor geringen Durchschnittseinkommen in Rumänien dürften bei vorgesehenen Eintrittspreisen von 5 US-Dollar pro Personen eine äußerst geringe inländische Nachfrage zur Folge haben. Aufgrund der hohen Investitionssumme von über 30 Millionen Dollar – mit der zahlreiche nachhaltige Projekte zur Tourismusförderung im ganzen Land durchgeführt werden könnten – werden nachhaltige Alternativen auf lange Sicht erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht.
Grundsätzlich setzt die Bürgerinitiative vor allem auf den Dialog aller im Bereich Tourismus und Denkmalschutz engagierter Personen und Institutionen, um zu einer auch morgen noch funktionierenden Entwicklung touristischer Projekte zu gelangen – anders als das rumänischen Tourismusministeriums, welches die Stadt Schäßburg ohne Dialog mit dem Projekt „beglückte“. Die Bürgerinitiative sieht eine klare Gefahr für das Weltkulturerbe und hat dies in Gesprächen mit VertreterInnen des in Rumänien seit langem engagierten englischen „Mihai-Eminescu-Trust“ sowie der UNESCO deutlich gemacht: Durch den Dracula-Park wird sich die gesamte Umgebung in kürzester Zeit in eine Spekulationszone entwickeln. Dies gefährde in eklatanter Weise den Erhalt des zum Weltkulturerbe erklärten Burgkomplexes, der zu einem Anhängsel des Dracula-Parks degradiert würde. Die Authentizität der Burg – das eigentliche zukunftsbeständige Kapital der Stadt – würde ebenfalls in einen „Disney-Komplex“ verwandelt. Die UNESCO wird sich mit der Problematik voraussichtlich schon auf ihrer Konferenz Mitte Dezember in Helsinki beschäftigen. Darüber hinaus beabsichtigt die Initiative „Nachhaltiges Schäßburg“ im kommenden Frühjahr gemeinsam mit dem britischen „Mihai-Eminescu-Trust“ ein Symposium in Schäßburg zum Thema „Tourismusförderung in Schäßburg und der Region – Chancen durch Nachhaltigkeit“ zu veranstalten.
Die Bürgerinitiative „Nachhaltiges Schäßburg“ hat große Unterstützung in der örtlichen Bevölkerung und von den Siebenbürger Kirchen: Die Pfarrer und Bischöfe der Traditionskirchen Siebenbürgens – mit Ausnahme der Orthodoxen Kirche – haben sich am 30. November mit Nachdruck gegen das Projekt Dracula-Park ausgesprochen. Eine von der Schäßburger Initiative gestartete Unterschriftensammlung gegen den Dracula-Park brachte weit über 500 Unterschriften.
Statt der bisher erfolgten Verunglimpfung der Schäßburger Initiative durch Vertreter der Kommunalpolitik wie auch des Tourismusministeriums wünschen sich die Mitglieder von „Nachhaltiges Schäßburg“, dass sich doch noch ein Dialog einstellt. Schließlich sei es eine immer wieder geäußerte Forderung der EU an die Beitrittskandidaten, ihre Politik im Dialog mit dem Bürger und vor allem transparent zu gestalten. Zumindestens im vorliegenden Fall ist dies zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen.

Andreas Mausolf

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