9. Dezember 2001

Dracula-Projekt schlägt Wellen bis nach England

Hatte sich die Vertreterversammlung des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) am 18. November einer Stellungnahme enthalten, so stimmte der rumänische Senat am 20. November für das Dracula-Projekt. Danach wurde der Entwurf für den Freizeitpark von Tourismusminister Dan Matei Agathon am 20. und 21. November den Schäßburger Bürgern vorgestellt. Gegen das Projekt und für Alternativen setzt sich der „Mihai-Eminescu-Trust“ aus London in einem Brief an Staatspräsident Ion Iliescu ein.
Obgleich sich der Schäßburger Freizeitpark in den Startlöchern befand, hat das Siebenbürgenforum bei seiner Vertreterversammlung am 18. November von einer Stellungnahme fast einhellig abgesehen, auch weil der DFDR-Abgeordnete Wolfgang Wittstock in dieser und zudem in seiner Eigenschaft als DFDS-Vorstandsmitglied im Parlament diesbezüglich bereits Stellung bezogen hatte. Allein die Regierung und das Parlament haben zwei Tage nach der DFDS-Vollversammlung nochmals in dieser Angelegenheit auf die Tube gedrückt: Im Oberhaus stimmten an jenem Tag 62 Senatoren für und 59 gegen das Dracula-Projekt. Dieses wurde im Regierungsbeschluss Nr. 3/2001 offensichtlich seit Jahresbeginn in Umlauf gebracht – schon von der Registriernummer her –, aber nicht an die Öffentlichkeit. Am gleichen November-Abend dann traf sich der Tourismusminister Agathon mit Vertretern der deutschen Gemeinschaft in Schäßburg, und am 21. November wurde im Bürgermeisteramt der Kokelstadt allen interessierten Bürgern der Entwurf für diesen thematischen Freizeitpark auf der Breite vorgestellt.
Vor dem „Bürgerhaus“, aber auch in der Stadt und um die Bergkirche marschierten mit Spruchbändern und Losungen wie einst bei 1.-Mai-Demonstrationen Anhänger dieses Projekts. Am Nachmittag fand diese offenkundig bestellte Machtdemonstration der Machthaber ihren erfolgreichen Abschluss auf der Breite, dem künftigen Standort des Themnparkes. Und: Was im Projekt so nicht ersichtlich war, wurde in den Nachrichten von öffentlich-rechtlichen Anstalten dennoch öffentlich bekannt gegeben: Auch eine Seilbahn werde es geben, dazu noch einen Golfplatz für die Dracula-Fans.
Nur wer die Dracula-Fans sein werden, ist vorerst nicht klar. Rund 800 000, so will es das Projekt, sollen nämlich allein aus dem nächsten Umkreis von 80 Kilometer rund um Schäßburg kommen, die übrigen Besucher bis zu einer Million und mehr jährlich aus dem restlichen In- wie Ausland. Doch gerade darin sieht Architekt Dr. Hermann Fabini einen maßgeblichen Schwachpunkt des Vorhabens neben den „Auswirkungen auf die Stadt und ihre Umgebung“ und anderen „Schönheitsfehlern“. In seiner kritischen Analyse des Entwurfs, veröffentlicht am 21. November in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ), heißt es weiter: „Schäßburg, eine der beeindruckendsten mittelalterlichen Siedlungen in unserem Land, braucht keinen Komplementärtourisumus zu dem Kulturtourismus, der zu dieser Stadt und ihrer Umgebung gehört.“ Und wie dieser sanfte Tourismus aufgebaut werden könnte, zeigte gleichfalls in der ADZ Andreas Mausolf. Seinen Entwurf hatte der Bundesbürger an Hand von zehn Programmpunkten für die Bürgerinitiative „Nachhaltiges Schäßburg“ ausgearbeitet. (Der Beitrag wurde in der Siebenbürgischen Zeitung-Online vom 8. Dezember veröffentlicht.)
Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Gegnern und Befürwortern schon im Vorfeld des Spatenstichs im Frühjahr 2002 für den Dracula-Park lässt nun die Befürchtung aufkommen, die auch der Vorsitzende des Londoner „Mihai-Eminescu-Trusts“, Jessica Douglas-Home, in einem Brief an Staatspräsidenten Ion Iliescu äußerte: „Würde ein Dracula-Park so dicht bei Schäßburg gebaut, würde nicht nur Rumäniens kulturelles Erbe zerstört, sondern auch ein alter, unter Naturschutz stehender Eichenhain. Die rumänische Geschichte würde in eine Karikatur verwandelt.“
Schon vor 1989 als Stiftung zur Förderung von Kontakten zur akademischen Welt Rumäniens in England gegründet, hat der Eminescu-Trust nach dem Umbruch seine Ziele erweitert und sich auch dem sächsischen Kulturgut zugewandt. „Eine romantische Geschichte“, meinte dazu Nathaniel Page, der Workshop-Moderator beim Birthälmer Sachsentreffen 2000, „aber schließlich sind ja auch wir Engländer irgendwo Sachsen.“ Von daher hat der Eminescu-Trust bereits in Radeln, Deutsch-Weißkirch, Meschen, Klosdorf und in Heltau Sicherungsarbeiten an Baudenkmälern aller Art vorgenommen und ähnliche Vorhaben für Birthälm, Reichesdorf, Niemesch, Lasseln oder Malmkrog angesagt. Selbst ein Auftrag von der Hermannstädter Lokalverwaltung für eine Mustersanierung der Fassade der einstigen Bodenkreditanstalt am Großen Ring wurde damals ins Auge gefasst. So also entstand das eigene „Programm zur Wiederbelebung sächsischer Dörfer“ mit dem Zweck, sowohl das architektonische und landschaftliche Erbe des sächsischen Siebenbürgens zu erhalten, als auch die Wirtschaft und den Gemeinschaftssinn in den einst sächsischen Dörfern wieder zu beleben. Der erklärte Traum dieses Anliegens lautete damals in Birthälm, dass sich, „sobald einige der sächsischen Dörfer saniert sind und deren Wirtschaft wieder belebt ist, auch mehr Sachsen entschließen werden, in ihre schöne Heimat zurückzukehren, um diesen Prozess zu unterstützen.“ Bloß Nathaniel Page war sich schon damals bewusst, dass dies vorerst nur ein Traum sei, der sich aber nun mit dem Dracula-Park geradezu in einen Alptraum verwandeln könnte.

Martin Ohnweiler

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