16. Dezember 2001

Sanders Liedersammlung aus Siebenbürgen

Georg Sander (75) hat einst in Siebenbürgen heimische Lieder- und Bläsermelodien in vier stattlichen Bänden zusammengetragen. Die drei Bände „Liedersammlung aus Jahrhunderten“ enthalten rund 900 in der Regel zweistimmig festgehaltene Stücke in Mundart und in der Hochsprache, die „Melodien aus Jahrhundertklängen - Erinnerungen an Siebenbürgen und das Banat“ gut über 300 A-capella- und Bläserstücke.
Der 1926 im Marpod im Harbachtal in Siebenbürgen geborene, heute in Schlüchtern in Hessen lebende Georg Sander war Schüler des Evangelisch-Theologischen Landeskirchenseminars in Hermannstadt, an dem ehemals die sächsischen Volksschullehrer ausgebildet wurden. Er ging, wie die meisten seiner Generation, in den Krieg und war danach jahrzehntelang einer jener Dorfschullehrer, die sich über die Schule hinaus um das Musikleben ihrer Gemeinde bemühten. Nicht wenigen dieser tüchtigen Männer verdankten die deutschen Dorfgemeinschaften bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine erstaunliche Lebendigkeit des Chorgesangs und der örtlichen Blaskapellenmusik, die einen wesentlichen Bestandteil des gesamten ländlichen Kulturlebens bildeten. Es gab darunter Formationen, die über die Ortsgrenze hinaus von sich reden machten und bei Wettbewerben bis in die Landesspitze vordrangen.
Georg Sander gehört in diesen Kreis. Aus der Schulzeit vertraut im Umgang mit Instrumenten, Notenmaterial, Probetätigkeit und öffentlichem Auftritt der Blaskapelle - die Hermannstädter „Seminaristen“ stellten damals eine der besten Bläsertruppen sämtlicher deutscher Schulen in Rumänien, ihr Ruf galt sogar als Markenzeichen der Schule -, übertrug er Können und Begeisterung auf die Menschen seines Umfeldes. Das war zur Zeit der Isolation und der rigorosen Kulturkontrolle durch das kommunistische Regime nicht so einfach, wie es sich heute anhört. Denn es gab weder Nachschub an Instrumenten noch an Notenmaterial - das ehemals aus Deutschland oder Österreich bezogen wurde -, es gab vielmehr die permanenten Verdächtigungen, dass hinter jeder Note auf einem deutsch beschrifteten Notenblatt ein potentieller ideologischer Feind, hinter jeder Chor- oder Bläserprobe ein Komplott gegen den Staat stecke.
Dessen ungeachtet ging Sander mit einem nicht beirrbaren Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Musiker, Musikleiter und -lehrer nach. Aus ihrem Fundus schöpfte er, ausgestattet mit einem beachtlichen musikalischen Gedächtnis, als er über siebzigjährig daran ging, „aus der Erinnerung heraus“, wie er selber schreibt, einst in Siebenbürgen heimische Lieder- und Bläsermelodien aufzuzeichnen. In vier stattlichen Bänden liegt nun die auf diese Weise zustande gekommene Sammlung vor: Noten wie Text handgeschrieben, hart in Leinen gebunden und unter dem Titel „Melodienecho aus Jahrhundertklängen“ an einige Freunde verteilt, beziehungsweise beim Autor zu erwerben. Die drei Bände „Liedersammlung aus Jahrhunderten“ enthalten rund 900 in der Regel zweistimmig festgehaltene Stücke in Mundart und in der Hochsprache, die „Melodien aus Jahrhundertklängen - Erinnerungen an Siebenbürgen und das Banat“ gut über 300 A-capella- und Bläserstücke.
Sander ging bei der Hortung des Melodienmaterials nach dem Grundsatz vor: Alles muss aufgezeichnet werden, „was einst auf unseren Dörfern erklang“, die qualitative Aussonderung oder -wertung kann danach aus dem Vollen schöpfen. So findet sich in den vier Bänden neben musikalischen wie textlichen Werten auch leichthin für den Tag Niedergeschriebenes, es finden sich sowohl in Deutschland gesungene Volksweisen wie Mundartlieder siebenbürgischer Herkunft. Neben dem Grete-Lienerth-Lied „Iwer de Stoppeln blest der Wängd“ findet sich „Ade zur guten Nacht“, neben dem preisgekrönten „Det Frähjohr“ von Hans Mild lesen wir „Die Rose vom Wörthersee“ usw. Immer aber handelt es sich am Lieder beziehungsweise Melodien, die einst in den deutschen Dörfern Siebenbürgens gesungen oder geblasen wurden: die gemeinsam das Melodiengut dort ausmachten. Denn niemals begriffen sich die Siebenbürger Sachsen in ihrem Musikverständnis als eine vom deutschen Lied- oder Melodienraum ausgeschlossene Insel, sondern zu allen Zeiten als dazugehöriger Teil. Insofern sind Georg Sanders Aufzeichnungen gerechtfertigt und entsprechen der Konsequenz seines Anliegens.
Abschließend sei das Arbeitspensum gewürdigt, das der über Siebzigjährige aufwendete, um den Weg von der Aufzeichnung bis zur selbstfinanzierten Buchbindung zurückzulegen - er hatte dabei über 1 500 Noten- und Textseiten zu bewältigen.

HB


Anmerkung - Sanders Liedersammlungen dienen lediglich archivalischen Zwecken und können beispielsweise im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, Halskestraße 15, D-81379 München, eingesehen werden. Weitere Auskünfte bei Georg Sander, Bornkresseweg 25, 36381 Schlüchtern, Telefon: (0 66 61) 66 70.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 20. Dezember 2001, Seite 13)

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