15. Januar 2002

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (VII)

Frauen aus Rumänien gewinnen die ersten Weltmeistertitel, wobei die deutschen Spielerinnen entscheidend zu den Siegen in Frankfurt am Main und Amsterdam beitragen. Männer unterliegen im Finale Deutschland, weil wichtige Spieler nicht nach Österreich fahren dürfen.
In den 70er Jahren spielt die Musik weiter in Bukarest, wo auch die internationalen Erfolge des rumänischen Handballs vorbereitet werden. Johnny Kunst, der vom Spieler zum Trainer des CCA, zum Handball-Lehrer an der Bukarester Sporthochschule und schließlich zum Präsidenten des Rumänischen Handball-Verbands aufsteigt, trachtet stets danach, die besten Spieler beim Armeesportklub zu versammeln. Er ordnet die Meisterschaft völlig dem Kalender der Nationalmannschaft unter, ohne Rücksicht auf den Handballbetrieb und auf dessen Anhänger im Lande.
Rumänischen Nationalmannschaft Anfang der 50er Jahre, stehend von links: Hans Zank, unbekannter Betreuer, Peter Streitferdt, Ioan Donca, Georg Gunesch, Gerhard Schwab, Cornel Oprisan, Ubekannter, Walther Maiterth, Vasile Sidea, Trainer Franz Monis; sitztend: Ion Tecusan, Ion Istrate, Ladislaus Kovacs, Rudolf Haberpursch, Ion Lupescu, Kurt Wagner, Bernhard Roth; vornes sitzende: Ernst Pahan und C. Caliman.
Rumänische Nationalmannschaft Anfang der 50er Jahre, stehend von links: Hans Zank, unbekannter Betreuer, Peter Streitferdt, Ioan Donca, Georg Gunesch, Gerhard Schwab, Cornel Oprisan, Ubekannter, Walther Maiterth, Vasile Sidea, Trainer Franz Monis; sitztend: Ion Tecusan, Ion Istrate, Ladislaus Kovacs, Rudolf Haberpursch, Ion Lupescu, Kurt Wagner, Bernhard Roth; vornes sitzende: Ernst Pahan und C. Caliman.

Was im westlichen Ausland nicht möglich ist, wird in Bukarest durchgesetzt. Der Verband verlangt von seinen Spielern und Mitarbeitern eiserne Disziplin, eine Tugend, die er wohl von jenen übernommen hat, die diesen Sport in diesem Land eingeführt haben. Wie gut Fleiß und Disziplin bei Trainern und Funktionären des Handball-Verbands ankommen, belegt eine Aussage Hans-Günther Schmidts: „Wenn Eugen Trofin uns in Bukarest antreten ließ und wieder einmal eine Standpauke hielt, stellte er uns Deutsche als Beispiel hin. Das machte uns bei unseren Kollegen keineswegs beliebter, doch es tat gut.“ Gleiches berichtet der Schäßburger Walter Lingner: „Wir Deutschen waren bei der CCA geschätzte Mitstreiter. Ungern gesehen waren wir allerdings bei unserem Gegner, bei Dinamo Bukarest.“
Um Erfolge zu erzielen, setzen die Funktionäre des Handball-Verbands durch, dass die Klubs sich der Nationalmannschaft unterordnen. Die Meisterschaft wird, wenn der Nationalmannschaft dienlich, in Hallenturnieren ausgetragen, fern der eigenen Anhänger. Während der VfL Gummersbach die 11 000 Zuschauer fassende Dortmunder Westfalenhalle füllt und vor eigenem Publikum serienweise Europokale einheimst, nehmen rumänische Klubs an solchen Wettbewerben nur teil, wenn keine WM oder keine Olympischen Spiele anstehen.
Die Handball-Liebhaber in Rumänien haben das Nachsehen, und die Klubs gehen oft leer aus, doch für die Nationalmannschaft sollte sich diese Strategie auszahlen: Der rumänische Handball-Verband fährt mit diesem Rezept sieben WM-Titel und vier olympische Medaillen ein. An allen Erfolgen sind deutsche Spieler oder Trainer beteiligt. Vor allem die beiden WM-Siege der Frauen auf dem Großfeld 1956 in Frankfurt am Main (6:5 gegen die gesamtdeutsche Mannschaft) und 1960 in Amsterdam (10:2 gegen Österreich) wären ohne Spielerinnen wie Anna Stark, Irene Günther, Josefine Ugron, Maria Scheipp, Christel Haberpursch oder Monika Windt nicht möglich gewesen.
Nur auf dem Großfeld konnten die Männer keinen Sieg einfahren: Es ist der einzige WM-Titel, der in der Sammlung des rumänischen Verbands fehlt. Bei der WM 1959 in Österreich verliert die rumänische Elf das Endspiel gegen die gesamtdeutsche Mannschaft mit 11:14 nur, weil die besten Spieler nicht mitfahren dürfen - wegen „erhöhter Fluchtgefahr“. Dies behauptet kein Geringerer als der rumänische Handballpapst Johnny Kunst nach der gewonnenen WM 1974 in der DDR. Zu den Spielern, denen die Fahrt zur WM verweigert wird, gehören Walter Lingner, Dieter Jochmann, Kurt Sauer, Hans Moser und Rudi Jost. Dieter Zikeli gehört auch zu denen, die nicht mitdürfen, obwohl er an der gesamten Vorbereitung der Nationalmannschaft teilnimmt. Er zieht die Konsequenzen, verlässt als 20-jähriger Dinamo Bukarest und geht zurück nach Hermannstadt. Im selben Jahr gibt Kunst hinter vorgehaltener Hand zu: „Wenn dieser Schmidt (gemeint ist Hans-Günther) nicht durchgegangen wäre, hätten wir die Weltmeisterschaft in Schweden nie verloren.“
Aber auch im Inland werden die deutschen Spieler nicht eingesetzt. Der ehemalige Nationalspieler und Trainer der Poli-Frauenmannschaft und von Bogarsoch, Walther Maiterth, erinnert sich noch an die Frage des tschechoslowakischen Nationalspielers König nach zwei Gastspielen in Bukarest Anfang der 50er Jahre: „Welches ist nun eure Nationalmannschaft? Wieso verlieren wir gegen CCA, gewinnen aber gegen die rumänische Nationalelf?“ Auf Maiterths Antwort, dass nicht alle Deutschen CCA-Spieler in der Nationalmannschaft eingesetzt werden, meint König: „Das gibt es doch nicht!“ Maiterth weiter: „Bis 1960 sind etwa 50 Prozent der Handballer in der ersten Liga Deutsche“. In der Nationalmannschaft sind die Deutschen trotz mancher Benachteiligung sogar zu 60 Prozent vertreten. In der ersten Hälfte der 50er Jahre stellen Mediasch, Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt die meisten Nationalspieler, so Maiterth weiter. Der CCA-Mannschaft, die 1954 den Landesmeistertitel mit zehn Punkten Vorsprung gewinnt, gehören an: Romica Tiganus, Walter Lingner, Cornel Antonescu, Ion Bota, Romica Platon, Kurt Sauer, Otto Tellmann, C. Ceteni, Hans Andreas Bretz, Rudolf Haberpursch, Cornel Oprisan, Vasile Sidea, Kurt Wagner, Walther Maiterth und Nicolae Nedef.
An das erste Länderspiel auf dem Kleinfeld gegen die CSSR erinnert sich Maiterth noch genau: Es geht haushoch mit fast 20 Toren Unterschied verloren. Die Tschechen zaubern, Rückhand-, Fall- und Sprungwürfe gehören zu ihren Künsten. In dem Spiel gelingt Maiterth ebenfalls ein Rückhandtor, was ihm das Lob des gegnerischen Torhüters Vicha einbringt: „Bravo, du kannst es doch!“ Viele Großfeldhandballer lieben das Kleinfeld nicht, erinnert sich Maiterth. Er habe jedenfalls viel dafür übrig. Viele andere wollen und werden sich aber nicht umstellen. Sidea und Haberpursch machen ebenfalls nicht mit. Georg Gunesch, Kurt Wagner oder Walter Lingner spielen zwar mit, so Maiterth, doch nicht mit Freude. Für ihn steht fest: „Die Siebenbürger und die Dorfmannschaften des Banats sind vom Kleinfeldhandball nicht begeistert, denn ihnen fehlen die Hallen. Und im Sommer spielte man Großfeldhandball, und der war gesünder. Obwohl ich gerne Kleinfeldhandball spielte, bedauere ich die Entscheidung, den Großfeldhandball aufzugeben“. Diesen IHF-Beschluss hätten hauptsächlich die Skandinavier und die Tschechen unterstützt, doch der große Erfolg blieb ihnen versagt - den hatten die Rumänen. Diese Entscheidung habe den Handball zurückgeworfen. Russen, Südeuropäer und Chinesen hätten nur zaghaft nachgezogen.
Weitere Mitteilungen für die Reihe „Geschichte und Geschichten um den Siebenbürger und Banater Handball“ werden beim Autor, Johann Steiner, unter Telefon: (0 22 46) 21 66, E-Mail: Waltraud.Steiner@t-online.de, erbeten.

Johann Steiner

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