9. Februar 2002

Franz Meyers: väterlicher Freund der Siebenbürger

Dem am 27. Januar 2002 verstorbenen Franz Meyers haben die Siebenbürger Sachsen viel zu verdanken. Während seiner Amtszeit als nordrhein-westfälischer Innenminister 1952-1958 wurde die „Kohleaktion“ durchgeführt und Nordrhein-Westfalen übernahm die Patenschaft über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, als Ministerpräsident (1958-1966) hat sich Meyers für die Errichtung der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe eingesetzt.
Viele Siebenbürger Sachsen waren am Ende des Zweiten Weltkrieges in Österreich untergekommen. Nicht alle sahen jedoch in dem von Flüchtlingen überschwemmten Land eine angemessene berufliche Zukunft. Dieses Problems nahmen sich maßgebende Persönlichkeiten wie Generaldechant Dr. Carl Molitoris, der vormalige Abgeordnete Dr. Dr. Eduard Keintzel und Pfarrer Sepp Scherer an. In Deutschland gab es bei der Aufnahme größerer Gruppen zu jener Zeit nahezu unüberwindbare Hindernisse. Doch das Land Nordrhein-Westfalen bot in der so genannten „Kohleaktion“ Arbeit und den Bau von Bergmannssiedlungen an, die 1953 und 1954 in Herten-Langenbochum, Setterich-Baesweiler und Oberhausen-Osterfeld errichtet und das neue Zuhause der Zugewanderten in ihrer „Urheimat“ wurden.
Dr. Franz Meyers, ehemaliger Ministerpräsident des Patenlandes Nordrhein-Westfalen
Dr. Franz Meyers, ehemaliger Ministerpräsident des Patenlandes Nordrhein-Westfalen


Die neue Gemeinschaft von Einheimischen und an Rhein und Ruhr eingewanderten Siebenbürger Sachsen begründete ein so gutes Verhältnis zwischen Alt- und Neubürgern, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung 1957 die Patenschaft über unsere gesamte Landsmannschaft in Deutschland übernahm. Arbeitsminister Heinrich Hemsath überreichte die Patenschaftsurkunde an den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Dr. Dr. h.c. Heinrich Zillich, in einer Feierstunde am 26. Mai 1957 im Düsseldorfer Landtag
Im Jahr danach wurde der fünfzigjährige Jurist Dr. Franz Meyers, der zuvor Bürgermeister von Mönchengladbach und Innenminister in Nordrhein-Westfalen war und im Wahlkampf erstmals die absolute Mehrheit für die CDU errang, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Auch außerhalb des Bundeslandes hatte er ein hohes Ansehen erworben durch die von ihm verwirklichte Stärkung der Polizei, seine Stellungnahme gegen die Erweiterung der staatlichen Verwaltung und durch den Erfolg bei der Wahl von 1957, den er als Organisator für Konrad Adenauer errungen hatte. Die Montankrise wurde für den Ministerpräsidenten zur Bewährungsprobe. „Strukturwandel“ war die Zauberformel, mit der er sie bestand: Meyers gründete Universitäten, siedelte die Opel-Werke in Bochum an und baute das Schul- und Gesundheitswesen aus. Auch damit schaffte er ein „Wir“-Gefühl, und für all das kürte ihn das Volk zum ersten „offiziellen“ Landesvater. Meyers wirkte integrierend und regierte unverkrampft. Auch wenn er sich für die Aufhebung des KPD-Verbotes engagierte, so suchte er doch die direkte Auseinandersetzung mit politischen Gegnern.
Nachdem er Konrad Grundmann zum Arbeitsminister berufen hatte, den damals jüngsten Minister in Deutschland, intensivierten sich die Kontakte zwischen der Landesregierung und dem Bundesvorstand der siebenbürgischen Landsmannschaft. Großes Verständnis für unsere Probleme zeigte auch der zuständige Referatsleiter im Arbeitsministerium in Düsseldorf, Dr. Ludwig Landsberg, dem nicht nur die Einführung des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes zugeschrieben wird. Er sah es auch als Aufgabe Deutschlands, den Vertriebenen nicht nur den Aufenthalt „im Wartesaal der Geschichte“ zu erleichtern, sondern sie vor allem auch einzugliedern. Auf politischer Ebene galt es auch, neben den Heimatvertriebenen der ehemaligen Ostgebiete auch die Südostdeutschen in Gesetze mit einzubeziehen.

Interessen der Siebenbürger Sachsen gefördert

In besonderer Weise hat das Patenland unter Dr. Franz Meyers die Anliegen unserer Landsmannschaft gefördert. In kultureller Hinsicht waren dies die siebenbürgischen Kulturtage und Veröffentlichungen, dann die Eingliederung in der neuen Heimat und das Miteinander mit den Alteingesessenen. In diesem Sinne äußerte sich Franz Meyers im Geleitwort des Bandes „Siebenbürger Sachsen gestern und heute“, den das Patenland mit der Landsmannschaft 1961 aus Anlass der Siebenbürgischen Kulturtage in Nordrhein-Westfalen herausbrachte: „Möge die Kulturwoche dazu beitragen, dass die Siebenbürger Sachsen und die einheimische Bevölkerung unter Wahrung ihrer geistigen Substanz zu einem Volke im Lande an Rhein und Ruhr zusammenwachsen.“
Robert Gassner, Vorsitzender der 1951 gegründeten Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, war es vor allem, der für die Gründung eines „sächsischen Dorfes“ eintrat und hierfür Franz Meyers, Konrad Grundmann und deren Mitarbeiter gewann. Da ein Dorf landwirschaftlichen Boden haben musste, waren zumindest so genannte Nebenerwerbshöfe notwendig, also für eine größere Gruppe von Interessenten entsprechend große Flächen. Auch sollte „das Dorf“ sich an eine bestehende Gemeinde von Einheimischen anschließen, die evangelisch waren. Neben den anderen Wohltaten, die die Siebenbürger Sachsen damals durch das Patenland erfuhren, war die Verwirklichung dieses Plans das Großartigste, das die Regierung Meyers mit der Siedlung Drabenderhöhe (heute Ortsteil von Wiehl) den Unseren bot. In Anwesenheit des Ministerpräsidenten hielt Konrad Grundmann 1966 die Einweihungsrede. Schon vor der Jahrhundertwende lebten rund 4000 Sachsen als Neubürger in dem Ort.
Das Beispiel Meyers‘ bezüglich der Patenschaft seines Landes war anderen Regierungen wie seinen Nachfolgern Ansporn; denn es gipfelte nicht nur in der Schaffung der sächsischen Siedlung im Bergischen Land, sondern auch in seinem persönlichen Engagement, das die erfuhren, für die er sich mitverantwortlich fühlte. So sah er sich auch veranlasst, Kontakt mit dem Vorstand unserer Landsmannschaft zu halten, dessen Vertreter zu Gesprächen oder zu Arbeitsessen einzuladen, obwohl sein Arbeitsminister Konrad Grundmann die stete Verbindung zu uns gewissenhaft aufrechterhielt. Erhard Plesch wurde als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft am 2. Juli 1963 sogar zu einer Kabinettssitzung in Düsseldorf zugezogen, als dort über die Familienzusammenführung unserer Landsleute beraten wurde. Das Ergebnis waren die unanfechtbar formulierten „Vier Punkte“, deren Basis die Freizügigkeit aller Siebenbürger Sachsen war und die dann von allen sächsischen Organisationen anerkannt wurden. Diese Haltung wurde vom Patenland, das auch sonst die Wege der Landsmannschaft nach Bonn erleichterte, auch der Bundesregierung vermittelt. Besonders das Auswärtige Amt zeigte großes Verständnis für den Wunsch der meisten unserer Landsleute in Siebenbürgen, mit uns in Deutschland zusammenzuleben.
Beim Regierungswechsel 1966 schied Franz Meyers aus dem Kabinett aus, blieb aber noch drei Jahre Abgeordneter der CDU. Er habe seither, schrieb Lothar Bewerunge 1979, „Freizeit-Politik“ betrieben und 1982 seine Memoiren veröffentlicht. Von allen, die ihn anlässlich seiner Jubiläen feierten, wird seine rheinisch-joviale Art und seine Frohnatur gerühmt - und der Humor, den wir auch kennen lernten. In seinem Haus in Morcote im Tessin hat Franz Meyers manche beschaulichen Tage verbracht. Als 93-Jähriger starb er am 27. Januar 2002 in seiner Geburts- und Heimatstadt Mönchengladbach.

Dr. Wilhelm Bruckner
Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 3 vom 28. Februar 2002, Seite 3)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.