1. Februar 2000

Kulturzentrum Gundelsheim muss erhalten bleiben

Gegen die vom Beauftragten der Bundesregierung für die Kultur und die Medien (BKM), Staatsminister Michael Naumann, angestrebte Zerschlagung des siebenbürgischen Kulturzentrums Gundelsheim hat sich der baden-württembergische Innenminister Thomas Schäuble (CDU) am 20. Januar 2000 bei einem Gespräch mit Spitzenvertretern der Landsmannschaft sowie der betroffenen Gundelsheimer Gemeinschaftseinrichtungen ausgesprochen. Die geplante Verlegung des Siebenbürgischen Museums aus Gundelsheim nach Ulm zerstöre eine gewachsene Vernetzung und füge der in Gundelsheim aufgebauten, langjährigen Kooperation mit dem Herkunftsland Rumänien schweren Schaden zu.
Spitzenvertreter der Landsmannschaft und des Kulturrats sind am 20. Januar in Stuttgart vom baden-württembergischen Innenminister Thomas S c h ä u b l e empfangen worden und haben mit dem CDU-Politiker in einem anderthalbstündigen Gespräch Fragen betreffend die Zukunft des Gundelsheimer siebenbürgischen Kulturzentrums erörtert. Zugegen waren sächsischerseits der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker E. D ü r r und der baden-württembergische Landesgruppenvorsitzende Alfred M r a s s , dazu Kulturratsvorsitzender Christoph M a c h a t sowie Irmgard S e d l e r , die Vorsitzende des Vereins „Siebenbürgisches Museum Gundelsheim“.

Zustande gekommen war die Begegnung auf Initiative von Dürr und Mrass. Gesprächsgrundlage war ein von Dürr, Machat und Sedler unterzeichnetes Papier, das Minister Schäuble überreicht wurde. Ihm gegenüber konnten die sächsischen Vertreter während des Gesprächs ihre ernste Sorge um den Fortbestand des Kulturzentrums in Gundelsheim deutlich machen.
Bekanntlich sieht das neue einschlägige Förderungskonzept des Kulturbeauftragten der Bundesregierung und zuständigen Staatsministers Michael Naumann eine Neustrukturierung der Kulturförderung für die Vertriebenen und Aussiedlern nach einem rein formalen „Regionalprinzip“ vor. Damit im Zusammenhang besteht die Absicht, das Siebenbürgische Museum von Gundelsheim nach Ulm zu verlagern. Das würde jedoch, so die Vertreter gegenüber dem baden-württembergischen Innenminister, die Einheit der miteinander eng verzahnten Gundelsheimer Institutionen auseinanderreißen und der dort geleisteten und noch zu leistenden wissenchaftlichen Arbeit irreparable Schäden zufügen. Zudem wäre die Verlagerung nicht nur für die unzähligen Spender und Zustifter aus den Reihen der Landsleute schmerzlich, die das Kulturzentrum in jahrzehntelangem gemeinschaftlichem Engagement, teilweise mit Unterstützung gerade auch des Landes Baden-Württemberg, mit aufgebaut haben, sondern die Abtrennung würde auch das spezifisch gruppeneigene Selbstverständnis der Siebenbürger Sachen sowohl in Deutschland als auch in Österreich und in Übersee, ja sogar in Siebenbürgen selbst, bedeutend erschweren, da man sich sächsischerseits über alle Grenzen hinweg mit diesem Zentrum identifiziere – es hat für die Siebenbürger, wo immer sie heute leben, in bedeutendem Maße Symbolfunktion. Auch würden bei der Verlagerung aus Gundelsheim, wo das Museum zu einem großen Teil praktisch mietfrei untergebracht ist, hohe Kosten entstehen, die gerade angesichts gegenwärtiger Sparzwänge nicht zu rechtfertigen wären.
Obwohl man im Hause des Staatsministers Naumann vorstellig geworden ist und dessen Konzept auch bei einer Anhörung im Bundestag am 27. Oktober 1999 von Fachleuten und Betroffenen aus den Reihen der Vertriebenen- und Aussiedlerverbände mit gewichtigen Gegenargumenten in Frage gestellt wurde, ist das ursprüngliche Konzept der Neustrukturierung bisher kaum verändert oder gar verbessert worden. Dabei kann so manche der Institutionen, die im Visier der des Entwurfs stehen, durchaus positive Arbeitsergebnisse und eine sehr seriöse Erfahrung im einschlägigen Bereich vorweisen. Diesbezüglich sei hier lediglich das Beispiel Gundelsheim erinnert:
Staatsministers Naumann und seine Mitarbeiter nennen als wichtiges Ziel ihrer Maßnahmen eine bessere Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, entsprechend den neuen politischen Verhältnissen im zusammenwachsenden Europa. Nun ist es in Gundelsheim so, dass die dortigen Einrichtungen gerade in ihrer Vernetzung sich im Laufe von Jahren und Jahrzehnten ein tragfähiges und äußerst erfolgreiches System von Kooperationssträngen zu wissenschaftlichen Institutionen in Siebenbürgen und Rumänien aufgebaut haben, das weit in die achtziger und siebziger Jahre zurück reicht, also schon vor dem Umbruch in Osteuropa Früchte getragen hat, und dessen Zerschlagung den anerkennenswert guten Absichten des Bundeskulturbeauftragten eher schaden als nützen würde. Zweifellos dienlicher wäre ihnen, das bewährte Netzwerk zu erhalten, ja weiter zu festigen, als es auseinander zu reißen.
Aus diesen und weiteren Gründen, die detailliert aufgeführt wurden, sprachen sich die bei Minister Schäuble anwesenden Vertreter einvernehmlich und dezidiert für den Verbleib des Museums und aller übrigen siebenbürgischen Institionen, der Bibliothek, des Archivs, der Geschäftsstelle des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, des Kulturrats und des Verbands der Heimatortsgemeinschaften, in Gundelsheim sowie für die institutionelle Förderung des Gesamtkomplexes der Einrichtungen aus und baten den baden-württembergischen Innenminister um Unterstützung dieses ihres Anliegens.
Um zudem die wissenschaftliche Arbeit im Gundelsheimer Siebenbürgen-Institut weiter voranzubringen und die Forschungsstätte in die baden-württembergische Hochschullandschaft einzubinden, wurde Schäuble gebeten, die Gründung eines einschlägigen Stiftungslehrstuhls an einer der Universitäten seines Bundeslandes zu befürworten. Der Lehrstuhl sollte drei Jahre lang vom Bund gefördert werden und müsse danach in ein An-Institut, ähnlich dem Donauschwäbischen Zentralinstitut, überführt werden, das einer der Hochschulen von Heidelberg, Stuttgart, Freiburg, Tübingen oder Ulm angegliedert sein und vom Land Baden-Württemberg mit Unterstützung Nordrhein-Westfalens getragen werden sollte.
Innenminister Schäuble zeigte viel Verständnis für die Bemühungen der siebenbürgisch-sächsischen Vereinigungen und Einrichtungen um eine Ideallösung, die den Erhalt und die Einheit des Kulturzentrums in Gundelsheim sicherstellen soll. Er sagte seinen Gesprächspartnern zu, die Möglichkeiten der Schaffung, Funktionsweise und Finanzierung eines solchen Stiftungslehrstuhls bzw. Institutes wohlwollend prüfen zu lassen und die Ergebnisse dieser Untersuchung in einem weiteren Gespräch mit ihnen zu erörtern. Seiner Ansicht nach müsse die Gründung eines Instituts auch bei Eintreten einer nichtidealen Lösung des Museumsproblems im Auge behalten werden.
Überreicht wurde dem Minister auch ein Papier zu den wachsenden Erschwernissen in der Aussiedleraufnahme.
Das Stuttgarter Gespräch verlief in einer überaus angenehmen und förderlichen Atmosphäre. Minister Schäuble nahm sich dafür trotz Terminzwang mehr Zeit, als ursprünglich vorgesehen war, zeigte sich sehr interessiert und ließ sich eingehend auch über den gegenwärtigen Stand der Kulturgutsicherung in Siebenbürgen sowie allgemein über die Geschichte und die gegenwärtige Lage der Siebenbürger Sachsen informieren.

AM/HS

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